Ukraine-Gipfel in ParisMacron lädt zum Gipfel – Putin soll möglichst an sich zweifeln
Der französische Präsident lädt den Westen in den Élysée ein, um Entschlossenheit bei der Ukraine-Unterstützung zu demonstrieren – dass ein solches Signal nötig scheint, zeigt den Ernst der Lage.
Eine grosse Konferenz, organisiert im Stillen und in weniger als einer Woche. Im Palais de l’Élysée, dem Amtssitz des französischen Präsidenten, finden sich heute zwanzig Staats- und Regierungschefs aus dem Westen zu einem «absolut ausserordentlichen» Gipfel für die Ukraine ein, wie es Emmanuel Macrons Entourage nennt. Um ein Zeichen zu setzen, Entschlossenheit zu demonstrieren.
Darum geht es vor allem: um eine Zurschaustellung von Einigkeit. Wladimir Putin soll nicht denken, wie er das offenbar tut, die Unterstützer der Ukraine seien zwei Jahre nach Kriegsbeginn müde geworden, pessimistisch, defätistisch sogar. Vielmehr soll der russische Präsident an sich selbst zweifeln, an seinen Siegeschancen.
Selenski ist alarmiert wie selten
Es ist nicht sicher, dass das gelingt. Putin neigt generell nicht zu Selbstzweifeln. Ausserdem scheint die Gesamtlage an der Front gerade günstiger zu sein als in anderen Phasen des Kriegs. Der Ukraine gehen die Kräfte und die Munition aus. So sehr, dass Selenski das unmittelbare Schicksal seines Landes mit der schnellen Hilfe der Alliierten verknüpft: Sie ist noch immer nicht massiv genug.
Die Ukrainer bräuchten dringend eine bessere Luftabwehr: Selenski spricht von zehn weiteren Patriot-Luftabwehrsystemen, damit die Ukraine ihre wichtigsten Städte an der Frontlinie verteidigen können. Erstmals erwähnte er auch, dass Kiew mit Paris über den Einsatz von französischen Kampfjets des Typs Mirage 2000 diskutierte, was die Franzosen bisher immer bestritten haben.
Auch die Symbolik ist wichtig
Doch neue Militärlieferungen oder Hilfsversprechen stehen nicht im Vordergrund des Gipfels, viel Konkretes sei schon in den bilateralen Rüstungsabkommen festgeschrieben, die die Ukraine mit einer Reihe von Staaten abgeschlossen hat, etwa mit Deutschland, Grossbritannien und Frankreich. Diesmal geht es um das Signal, um die Symbolik, und auch die ist wichtig.
Allein, dass man es in so kurzer Zeit geschafft hat, so viele hohe Gäste zu versammeln, will man in Paris als Beleg dafür verstanden wissen, dass nicht «Doom and gloom» herrsche, wie es da und dort den Eindruck mache, also Niedergang und Finsternis. Sondern dass man bereit sei, alles zu unternehmen, um Russland zu stoppen – für die Ukraine, für Europa. In Zukunft will man sich besser koordinieren, damit die Unterstützung auch «robust» und «effizient» sei.
Fragt sich nur, ob Paris für dieses starke Signal der richtige Ort ist. Bisher stand Frankreich eher im Gerede, weil es zu wenig tut. In den Statistiken des Kiel-Instituts für Weltwirtschaft stehen die Franzosen weit abgeschlagen auf den hinteren Plätzen der grössten Geber. Neulich rechnete Macron vor, Paris habe 2022 militärische Hilfe für 1,7 Milliarden Euro geleistet, 2023 dann für 2,1 Milliarden, im laufenden Jahr sollen es 3 Milliarden werden. Im Vergleich zum deutschen Beistand sind das geringe Summen (Lesen Sie hier, wer zu den Top-Unterstützern gehört).
Doch die Franzosen wehren sich gegen die Darstellung. Auch im Vorfeld der Pariser Konferenz sagten Macrons Berater, es sei natürlich sehr begrüssenswert, dass Deutschland fähig sei, für 2024 weitere 8 Milliarden Euro bereitzustellen. Jeder leiste, wozu er im Stande sei.
Ständiger Zwist mit Berlin
Doch Milliarden seien noch keine Waffen, und ein Krieg entscheide sich nicht mit Hilfsversprechen. Frankreich, richtet das Élysée aus, habe seinerseits alles geliefert, was es versprochen habe, und alles funktionstüchtig. Wieder klang der Vorwurf an, Berlins Hilfe sei oft nicht brauchbar, während zum Beispiel die Kanonenhaubitzen des Typs Caesar aus Frankreich einen echten Unterschied machten. Wenn es den Ukrainern gelinge, auch die russischen Reihen hinter der Front zu treffen, dann liege das aus europäischer Sicht vor allem an den Lieferungen aus Frankreich und Grossbritannien.
Die Einberufung der Konferenz ist eine persönliche Initiative Macrons, sie soll ihn nach den Vorwürfen wegen mangelnder Hilfe auch frisch positionieren. Der Präsident, heisst es dazu aus seiner Entourage, sei ein Leader in diesen Fragen. Schon 2017, bei seiner berühmten Rede an der Sorbonne, habe Macron von der Notwendigkeit gesprochen, dass Europa seine militärische Unabhängigkeit ausbauen müsse. Diese Forderung sei aktueller denn je, so kurz vor der Präsidentenwahl in den USA und einer möglichen Rückkehr Donald Trumps. Der Ernstfall in der Ukraine beweise, wie zentral eine gemeinsame europäische Verteidigungsstrategie sei.
Meloni ist brüskiert
Dennoch stiess manchen der Aktionismus Macrons bitter auf, ganz besonders den Italienern, die am vergangenen Samstag ein G-7-Treffen in Kiew ausrichteten. Frankreichs Präsident schaltete sich nicht einmal in die Videokonferenz ein, er verbrachte den Tag an der Pariser Landwirtschaftsmesse. Es war deshalb bis zuletzt nicht klar, wen die Italiener nach Paris schicken würden.
Premierministerin Giorgia Meloni jedenfalls mochte nicht anreisen, auch weil sie sich brüskiert fühlte von Macron, der halb heimlich seinen eigenen Gipfel organisierte. Die Franzosen bestreiten den Vorwurf: Der Rahmen der Pariser Konferenz sei «viel weiter» gesteckt als das G-7-Format. Mit Joe Biden hat Macron auch gesprochen. Wahrscheinlich hat er den US-Präsidenten auch ins Élysée eingeladen. Doch der schickte einen Staatssekretär aus dem Aussenministerium.
Fehler gefunden?Jetzt melden.