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Wütende Landwirte in Paris
Macrons Höllenritt bei den Bauern

France's Minister for Agriculture and Food Sovereignty Marc Fesneau (L) and French President Emmanuel Macron (C-L) take part in a discussion with French farmers members of agricultural unions at the Porte de Versailles exhibition centre, on the day of the opening of the 60th International Agriculture Fair (Salon de l'Agriculture), in Paris, on February 24, 2024. Farmers across Europe have been protesting for weeks over what they say are excessively restrictive environmental rules, competition from cheap imports from outside the European Union and low incomes. (Photo by Ludovic MARIN / POOL / AFP)
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Einen Triumphzug hatte er nicht erwartet. Aber dass es gleich ein Höllenritt werden würde? Emmanuel Macron hat am Wochenende in Paris den Salon de l’Agriculture eröffnet, Frankreichs alljährliche Landwirtschaftsmesse an der Porte de Versailles, und beinahe wäre der Auftritt zum totalen Desaster verkommen. Eine Zeit lang schien es gar, als müsste der Präsident seinen obligaten Besuch abbrechen, bedrängt von aufgebrachten Bauern.

Die Vehemenz des Unmuts überraschte die Organisatoren im Élysée, denn immerhin war Macron den Landwirten in den vergangenen Wochen mit einer langen Reihe von Konzessionen stark entgegengekommen – nicht zuletzt, um die Gemüter möglichst vor Beginn der Agrarmesse zu besänftigen. Aber das reichte offensichtlich nicht aus.

Pfiffe und Prügeleien

300 bis 500 zornige Bauern hatten sich schon vor der Öffnung der Tore Zugang zum Messegelände in Paris verschafft und sich mit den Sicherheitskräften geprügelt, ein Chaos sondergleichen. Es gab Handgemenge, Pfiffe und laute Chöre, der Präsident möge abhauen oder gleich zurücktreten. Doch Macron, der für diesen wichtigen politischen Termin im nationalen Kalenderjahr den G-7-Gipfel in Kiew ausliess, liess sich nicht verjagen.

Angry farmers scuffle with police officers at the International Agriculture Fair as French President Emmanuel Macron tours the exhibition at the opening day in Paris, Saturday, Feb. 24, 2024. Farmers across Europe have been protesting for weeks over what they say are excessively restrictive environmental rules. (AP Photo)

Am Ende sollte Macron dreizehn Stunden lang an der Agrarmesse bleiben, debattieren, einkassieren. Er bewies dabei erneut, dass er es mag, wenn es «musclé» wird, wie die Franzosen sagen, wenn es energisch zugeht und die Konfrontation hart ist. Er zieht dann den Sakko aus und wechselt in die Umgangssprache, duzt die Leute, sagt dann auch mal zu einem kritischen Bürger, der ihm unwirsch ins Wort fällt: «Hör doch auf mit dem Mist!»

Besonders energisch gab sich die Gewerkschaft Coordination Rurale. Sie steht dem extrem rechten Rassemblement National von Marine Le Pen nahe, und der kann der Zorn der Bauern auf den Präsidenten und dessen Regierung nicht virulent genug sein so kurz vor den Europawahlen im Juni. Le Pens junger Getreuer und Präsident der Partei, Jordan Bardella, begann seinen Besuch am Salon am Sonntag – eingeplant waren 48 Stunden, fast am Stück.

French far-right party Rassemblement National (RN) president Jordan Bardella (L) visits on the second day of the 60th International Agriculture Fair (SIA - Salon de l'Agriculture), at the Porte de Versailles exhibition centre in Paris, on February 25, 2024. (Photo by GEOFFROY VAN DER HASSELT / AFP)

Aus Bardellas Entourage war zu hören, man hoffe insgeheim, Gabriel Attal, der neue Premier Frankreichs, werde zur selben Zeit vorbeischauen, damit man die Popularität beider an der Lautstärke von Applaus und Pfiffen ablesen könne. Die Messe gilt als ideale Bühne für den politischen Schlagabtausch, eine Art Realitätscheck.

Während des Salons begegnet der Pariser Politbetrieb dem «monde rural», der ruralen Welt, dem anderen Frankreich weit ab von der Metropole. Er ist zuallererst ein Stimmungstest für Präsidenten, die ihre plötzliche Nähe zu diesem anderen Frankreich gern und unbedingt mit dem Tätscheln von Kuhhintern polstern wollen. Jacques Chirac, Präsident von 1995 bis 2007, gelang die Nummer jeweils besonders gut, er brauchte sich nicht stark zu verbiegen. Bei Macron wirkt es aufgesetzt.

Bauern im Fokus der Europawahlen

Im Stil passte er immer schon besser in die Geschäfts- und Bankwelt, so sehr er diesem Eindruck auch entgegenzuwirken versucht. «La Tribune Dimanche» berichtet nun, der Präsident versuche diese mangelnde Nähe zum ländlichen Frankreich damit zu kompensieren, dass er die 37-jährige Valérie Hayer für die Europawahlen zur Spitzenkandidatin seiner Partei Renaissance machen werde.

Hayer ist Fraktionschefin der zentristischen Gruppe Renew Europe im Europaparlament – vor allem aber ist sie auch Tochter und Enkelin von Bauern aus der Mayenne. Seit Monaten warten die französischen Medien auf die Bekanntgabe dieser Personalie. Die Erfahrung am Salon könnten Macron in seiner Absicht bestätigt haben.

French President Emmanuel Macron pets the Normande cow "Oreillette" of French breeder François Foucault (R) as he visits the 60th International Agriculture Fair (Salon de l'Agriculture), at the Porte de Versailles exhibition centre, on the day of the opening of the fair, in Paris, on February 24, 2024. (Photo by Christophe PETIT TESSON / POOL / AFP)

Doch auch für die Lepenisten sind die besorgten Bauern höchstens eine potenziell neue Wählerschicht, deren Gunst sie erst noch erobern müssten. Bisher jedenfalls neigten die französischen Landwirte eher zur gaullistischen, bürgerlichen Rechten. Seit ein paar Jahren wandeln sich diese Gewissheiten. Le Pen jedenfalls rechnet sich aus, dass ihre Strategie einer «Normalisierung» der Partei dabei helfen könnte, die Bauern anzusprechen. Sicher ist das nicht, aber auch nicht mehr unwahrscheinlich.

Auch darum war es für Emmanuel Macron überhaupt keine Option, den Salon durch die Hintertür wieder zu verlassen, als das Chaos ausbrach. Stattdessen versprach er den Bauern, er werde dafür sorgen, dass die Lebensmittelindustrie und die Supermarktketten bald Mindestpreise bezahlen müssten für ihre Ware, damit sie auch ein sicheres Auskommen hätten.

Das wäre eine Revolution. Und Macron wünscht sich eine Debatte zu diesen Themen mit Marine Le Pen, damit man deren «Dummheiten» mal ernsthaft besprechen könne, wie er es nannte. Es soll wohl «musclé» werden.