Grosse Rückrufaktion bei TeslaÜberwachungsbehörde greift zum ultimativen Mittel gegen Elon Musk
Der Elektroautohersteller muss die Software in mehr als 360’000 Fahrzeugen nachbessern, weil der Autopilot angeblich den Verkehr unsicher macht. Der Firmenchef reagiert verärgert.
Die US-Verkehrssicherheitsbehörde hat diese Woche den seit Jahren schwelenden Konflikt mit Tesla-Chef Elon Musk eskaliert. Sie fordert ihn zum «Rückruf» von über 360’000 Fahrzeugen aller vier Modelltypen auf, obwohl es sich um ein Software-Update handelt. Musk reagierte denn auch verärgert: Von einem Rückruf zu reden, sei «anachronistisch und total falsch». An der Börse verlor Tesla am Donnerstag dennoch 50 Milliarden Dollar an Marktwert. Der Rückruf entspricht rund einem Drittel der Jahresproduktion 2022.
Ein Rückruf ist das ultimative Mittel, mit dem die US-Verkehrssicherheitsbehörde die Behebung von Sicherheitsmängeln erzwingen kann. Tesla hatte sich anfänglich gegen die Bedenken der Behörden gesperrt, wonach der Autopilot das Fahrzeug «auf gesetzeswidrige und unberechenbare Weise» durch den Verkehr schleust. Aus «übertrieben hoher Vorsicht» wolle Tesla nun aber dem «Rückruf» nachkommen und die betroffenen Fahrer in den nächsten Wochen kontaktieren.
Konkret wird beanstandet, dass der Autopilot auf Kreuzungen Stoppschilder missachtet, gelbe Lichtsignale ignoriert, Abbiegespuren zum Geradeausfahren benutzt und Geschwindigkeitslimiten überschreitet. Betroffen ist eine als Testversion erhältliche Autopilot-Software, die für 15’000 Dollar eingebaut werden kann und Tesla den technologischen Vorsprung auf die Konkurrenz sichern soll.
Allerdings hatte die National Highway Traffic Safety Administration bereits im vergangenen Sommer Bedenken wegen des Systems geäussert und Tesla um Aufklärung von teils spektakulären Unfällen gebeten. Die Behörde untersucht derzeit 41 Autopilot-Unfälle, bei denen 19 Personen ums Leben kamen. Ermittelt wird auch vom Justizministerium und von der Börsenaufsicht. Der Fokus hier liegt nicht auf den Unfällen, sondern auf den vollmundigen Versprechen von Musk, wonach das Fahren mit Autopilot in jedem Fall sicherer sei als das Fahren ohne automatisierte Software.
Musk sieht sich durch die Überwachungsbehörde seit Jahren eingeschränkt und drangsaliert. Allerdings musste er bereits 2021 135’000 Modelle S und X wegen Problemen mit dem Touchscreen zurückrufen, obwohl er sich zunächst weigerte, die Mängel anzuerkennen. 2021 musste er zudem in China 285’000 Tesla zurückrufen, nachdem die staatliche Aufsichtsbehörde Mängel am Cruise-Control-System gefunden hatte. Musk entschuldigte sich und befolgte die Reparaturvorschläge.
Marketing ist «ein Albtraum»
Das dezidierte Vorgehen gegen Tesla hängt mit Bedenken über zu hohe Versprechungen und Erwartungen an den Autopiloten zusammen. «Autohersteller wie Tesla und andere vermarkten es als freihändige Technologie», sagt Missy Cummings, Ingenieurprofessorin an der George-Mason-Universität. «Das ist ein Albtraum.» Sie arbeitete ein Jahr lang für die National Highway Traffic Safety Administration, bevor sie in die Forschung zurückkehrte und in mehreren Studien vor den Gefahren einer als risikolos vermarkteten Technik warnte. Sie war einer der ersten weiblichen Abfangjägerpiloten der US Navy und kritisierte, dass «die Technologie von den Menschen missbraucht wird». Es sei zwingend, den Einsatz von Autopiloten strenger zu regeln. Sie untersuchte über 400 Unfälle mit dem Autopiloten von Tesla und dem Super Cruise von General Motors.
Dabei zeigte sich gemäss der «New York Times», dass die Fahrer dem Autopiloten ohne jedes Zögern zutrauen, alle Hindernisse und Überraschungen zu bewältigen. Sie lassen es sogar zu, dass der Autopilot zu schnell fährt oder ohne jede Vorwarnung bremst. Gemäss ihrer Untersuchung fuhren die in Unfälle verwickelten Autopiloten in 50 Prozent über der Tempolimite, während in Unfällen von manuell gesteuerten Fahrzeugen nur in 29 Prozent zu schnell gefahren wurde. Cummings plädiert dafür, die Zulassung von Autopiloten langsamer anzugehen und das Marketing als völlig sicheres System zu limitieren.
Auf die Veröffentlichung ihrer jüngsten Studie reagierte Musk scharf: «Sie ist gegenüber Tesla extrem voreingenommen.» Musk-Fans bombardierten sie in der Folge auf Twitter derart mit Beleidigungen und Bedrohungen, dass sie ihr Twitter-Konto schliessen und ihren Wohnsitz vorübergehend verlassen musste.
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