Tesla Model YMade in Germany
Das Model Y in der neuen Performance-Variante ist das erste Tesla-Modell aus deutscher Produktion. Die Erwartungen sind hoch – nicht nur, was seine Leistungsfähigkeit betrifft.
Das «Wumms»-Gefühl überrascht immer wieder. Wenn ein gut 400 kW starkes E-Motor-Duo über die Räder herfällt, stockt einem selbst dann kurz der Atem, wenn man auf die Beschleunigung gefasst ist. Allzu häufig ausnutzen sollte man es natürlich nicht, dass das Tesla Model Y Performance vehementer, um nicht zu sagen führerscheingefährdender auf den Kickdown reagiert als das 2021 lancierte Long-Range-Modell – zumal der von 5,0 auf 3,7 Sekunden verbesserte 0-auf-100-Sprint auch noch die Normreichweite von 533 auf 514 Kilometer reduziert (wobei die Diskrepanz bei sportlicher Gangart noch grösser sein dürfte). Und von der Sinnfrage eines bis zu 250 km/h schnellen Elektro-Zweitonners gar nicht erst zu sprechen. Doch optisch hat die etwas tiefergelegte Version mit 21-Zöllern im sogenannten Überturbine-Design und Carbon-Heckspoiler schliesslich auch «Wumms»: Gerade in schwarz wirkt der 4,75-Meter-SUV damit deutlich schlanker und ästhetischer als der Basis-Y.
Das wirklich Besondere an diesem Auto lässt sich aber weder sehen, noch spüren. Wurde das Model Y für Europa bislang aus Shanghai geliefert, stammt die neue Performance-Variante aus europäischer Produktion – als erstes Tesla-Modell überhaupt. Trotz monatelanger Verzögerungen wegen komplizierter Genehmigungsverfahren konnte die Gigafactory im brandenburgischen Grünheide in rekordverdächtigen 861 Tagen gebaut und am 22. März 2022 unter grossem Getöse im Beisein deutscher Politprominenz und Elon Musk himself eröffnet werden. Als «Meilenstein» und «Juwel für die ganze Region» bezeichnete ein zu Technobeats tänzelnder Techmilliardär das bislang fortschrittlichste Tesla-Werk, in dem künftig nicht nur 500’000 Fahrzeuge pro Jahr gefertigt werden sollen, sondern auch bis zu 50 GWh an Batterien eines neuen, effizienteren Typs. Doch es geht noch um etwas anderes. Das «Made in Germany»-Siegel ist ein Versprechen, dass die Qualitätsprobleme, mit denen der kalifornische E-Autobauer insbesondere mit US-Fabrikaten in Verruf geriet, endgültig Geschichte sind.
Ein holpriger Start?
Sind sie das? Ein in Tesla-Kreisen berühmt-berüchtigter Youtuber hatte eines der 30 Fahrzeuge, die im Rahmen der Eröffnungsfeier an Kunden überreicht worden sind, geprüft und für einwandfrei befunden. Schon bald machte sich aber das Gerücht breit, jene Autos seien bewusst nachgebessert worden, und nur allzu gierig stürzten sich Medien wie der «Stern» auf die Social-Media-Posts zweier Neubesitzer, die an ihren deutschen Tesla Y einerseits die Spaltmasse und andererseits den Lack beanstandeten. Qualitätsprobleme bei neuen Produktionsstätten seien zwar eine Erfahrung, die alle Autobauer machten, so «Autopapst» Ferdinand Dudenhöffer des Duisburger CAR-Instituts gegenüber dem Magazin «Business Insider». Dennoch war in der Berichterstattung häufig von einem «holprigen Start» zu lesen.
Bereits im Vorfeld hatten Anwohner und Umweltverbände den hohen Wasserbedarf des inmitten eines Wasserschutzgebiets angesiedelten Werks kritisiert und die Eröffnung – ungeachtet davon, dass Tesla einen Verbrauch unter Branchenniveau versprach – mit Protesten begleitet. Wenig hilfreich war es da, dass es nur wenige Wochen nach Produktionsstart zu einer Havarie, respektive nach offiziellem Wortlaut «Betriebsstörung» kam, bei der 15'000 Liter Chemikalien ausliefen. Umweltamt und Tesla versicherten, dass keine schädlichen Stoffe in die Umwelt geflossen seien, doch die Informationslage präsentierte sich widersprüchlich. Dazu kamen etliche Meldungen, dass die derzeitige Produktionsmenge weit unter den Erwartungen liege. Völlig normal, konterte CEO Musk noch im April: «Um in einer neuen Produktionsstätte auf ein Niveau von 5000 Fahrzeugen pro Woche zu kommen, haben wir in der Vergangenheit rund 12 Monate gebraucht.» Hochgerechnet entspricht dies allerdings nur der Hälfte jener Menge, die in Deutschland wöchentlich vom Band rollen soll.
Knapp 900 Strassenkilometer von der Gigafabrik entfernt, lässt sich das Informationsknäuel aus teilweise gewiss tendenziöser Berichterstattung und Tesla-typischer Schweigsamkeit kaum entwirren. Mit Sicherheit sagen lässt sich nur so viel: Nachdem schon das getestete Model Y Long Range aus chinesischer Produktion einen guten Eindruck hinterlassen hatte, sind nun auch bei dem zur Verfügung gestellten Performance-Modell keine übermässigen Spaltmasse oder Lackschäden zu erkennen. Auch die Verarbeitung des markentypisch schlicht gehaltenen Interieurs entspricht dem, was man von einem mindestens 71’000 Franken teuren Elektro-SUV erwartet.
Noch ist aus deutscher Produktion nur die Topversion erhältlich – ab wann das Werk südöstlich von Berlin auch die Fertigung des Long-Range-Modells stemmen kann, ist ungewiss. Doch von Lieferengpässen ungeachtet der weltweiten Chipkrise scheinbar keine Spur: Wer das Model Y in Schwarz oder Weiss bestellt, erhält es gemäss Tesla-Website zwischen August und Oktober, in Rot oder Blau zumindest aber bis Jahresende. Ein «Wumms» ist somit auch in der Schweizer Zulassungsstatistik zu erwarten: Das Tesla Model 3, das im vergangenen Jahr die Rangliste anführte, weilt noch immer in den Top fünf, während ihm der Tesla Y mit Platz 9 schon auf den Fersen ist, ehe die Performance-Version aus Deutschland so richtig durchstarten konnte. Reine Stromer finden sich in den Top 10 sonst übrigens keine.
Fehler gefunden?Jetzt melden.