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Interview mit Nissan-Vorständin Friederike Kienitz
«Elektroautos halten länger als gedacht»

Frau neben rotem Auto, Senior Vice President für Nachhaltigkeit und Kommunikation in der AMIEO Region.
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Wie alle Autohersteller steckt Nissan mitten in der Transformation zur E-Mobilität. Friederike Kienitz, als Vizepräsidentin von Nissan Europe unter anderem für den Bereich Nachhaltigkeit verantwortlich, sorgt dafür, dass das Unternehmen dabei das Thema nicht aus den Augen verliert. Im Gespräch erklärt sie, was aus den Second-Life-Projekten geworden ist, wo beim Umstieg zur E-Mobilität der Schuh noch drückt und wie sich Nissan bezüglich Diversität positioniert.

Frau Kienitz, Nissan hat mit dem Leaf einen der ersten vollelektrischen Grossserien-PW auf den Weg gebracht und sich schon früh Gedanken gemacht, wie man die Batterien weiterverwenden kann. Um diese Second-Life-Konzepte ist es etwas ruhiger geworden. Was ist daraus geworden?

Der Akku ist der grösste Kostenfaktor eines E-Autos, aber auch sein wertvollstes Bauteil. Dieser Wert behält die Batterie auch weit übers erste Leben im Fahrzeug hinaus. Wir haben viele Tests und Projekte angestossen, wie man gebrauchte Akkus weiterverwenden könnte, im kommerziellen wie im privaten Bereich. Beispielsweise in Gepäcktransportwagen von Flughäfen oder in Kombination mit Solarpaneelen als Energiespeicher von Gebäuden.

«Bei der Transformation darf Schnelligkeit nicht das einzige Kriterium sein.»

Friederike Kienitz, Vizepräsidentin Nissan Europe

Und solche Projekte werden jetzt gross ausgerollt?

Unsere Elektroautos halten länger als gedacht. Wir bekommen also für Second-Life-Projekte nicht so viele Batterien zurück, wie wir anfangs dachten. Das bedeutet nicht, dass unsere Projekte auf Eis liegen. Mit Partnern entwickeln wir momentan in Grossbritannien und Skandinavien ein System, um Akkus nach Ende der Lebenszeit der Autos zurückzubekommen und dann zu entscheiden, ob sie weiterverwendet oder recycelt werden. Natürlich immer mit dem Ziel, so viele Batterien wie möglich in einem zweiten Zyklus weiter einzusetzen.

Welches Potenzial sehen Sie da?

Das ist jetzt eine etwas theoretische Rechnung. Aber die Akkus aller 350’000 bisher verkauften Nissan Leaf haben zusammen eine Speicherkapazität von zwei Gigawattstunden. Damit könnte man den täglichen Strombedarf von 200’000 Haushalten decken und zwei Atomkraftwerke oder vier Kohlekraftwerke ersetzen. Das ist also ein riesiges Potenzial. Jetzt kommt es darauf an, die richtigen Partnerschaften anzulegen, um Akkus zurückzubekommen und sie dann in den Zweitverwendungsmarkt zu geben.

Ein schwarzer Nissan Leaf fährt auf einer Strasse mit einer Skyline im Hintergrund, unter sonnigem Himmel.

Wo liegen dabei die Schwierigkeiten?

Beispielsweise im Transport von Akkus. Die Regularien sind immens komplex und immens lokal. Jedes Land hat eigene Vorschriften. Gleiches gilt für den späteren Einsatz der Batterie, beispielsweise im Bereich von V2G, also der Rückspeisung von Energie ins Stromnetz. Hier ist die europäische Politik gerade erst dabei, einheitliche Regelungen aufzusetzen. Wichtig ist aber, parallel schnell das technische Wissen für den Umgang mit den gebrauchten Akkus aufzubauen. Das betrifft die Hersteller ebenso wie die Recyclingindustrie.

Was würden Sie sich von der Politik für die Transformation zur E-Mobilität wünschen?

Elektromobilität ist nachhaltig, aber Nachhaltigkeit muss auch funktionieren. Das ist für alle beteiligten Parteien wichtig, für die Unternehmen, die Endverbraucher und die Politik. Bei der Transformation darf Schnelligkeit nicht das einzige Kriterium sein. Alle Hersteller haben wahnsinnige Summen investiert. Auf der anderen Seite kosten Elektroautos immer noch mehr als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Menschen wollen aber nicht gezwungen werden, eine bestimmte Technologie zu kaufen, wenn sie sich die nicht leisten können. Es besteht die Gefahr, dass man politische Ziele erreichen will, ohne die Bevölkerung auf dem Weg dorthin mitzunehmen.

«Der Erfolg von Nissan basiert auf Nachhaltigkeit sowie auf Vielfalt, Gerechtigkeit und Teilhabe.»

Friederike Kienitz, Vizepräsidentin Nissan Europe

Was muss also geschehen?

Ich wünsche mir von der Politik ein klares Bekenntnis zur Nachhaltigkeit. Da würde die Industrie immer mitziehen. Aber der Weg dorthin muss abgestimmt sein, damit ihn alle mitgehen. Notfalls müssen wir Ziele pragmatisch und flexibel anpassen, beispielsweise wenn sich der Markt ändert. Keiner gewinnt, wenn eine Industrie an diesen Zielen kaputtgeht.

Ein weisser Nissan Electric SUV fährt auf einer von Bäumen gesäumten Strasse im Herbst, Teil des Elektrischen Reiseführers zur Förderung nachhaltiger Reisen in Österreich, Tschechien, Ungarn und der Slowakei.

Sie spielen auf die CO2-Strafzahlungen für Autohersteller an?

Genau. Bei der aktuellen Nachfrage nach E-Autos sind die vorgegebenen CO2-Ziele kaum erreichbar. Um die Strafen zu vermeiden, müssen Unternehmen entweder E-Autos um jeden Preis in den Markt drücken oder die Produktion zurückfahren und keine Verbrenner mehr verkaufen. Das hat nicht nur Auswirkungen auf die Profitabilität der Hersteller, sondern auch auf Arbeitsplätze. Es hilft keinem, wenn die Industrie zusätzlich zu den Investitionen in die neue Technik Strafen dafür bezahlt, dass eine Gesellschaft heute noch nicht in dem Masse bereit ist, umzuswitchen.

Wie reagiert Nissan auf die politischen Entscheidungen in den USA, Diversität und Nachhaltigkeit zurückzudrängen?

Für Nissan basiert der Erfolg des Unternehmens auf Nachhaltigkeit sowie auf Vielfalt, Gerechtigkeit und Teilhabe. Nissan wird nicht von diesen Werten abweichen. Nur der tolerante Umgang mit gesellschaftlichen Unterschieden erlaubt uns, verschiedene Perspektiven und andere Denkansätze auf den Tisch zu bringen, um mit den neuen Herausforderungen umzugehen. Die Transformation ist so komplex, dass es mit den althergebrachten Mechanismen nicht funktioniert. Diese Trends sehe ich zum Glück in Europa noch nicht.