Die Kraft der zwei HerzenWas ist besser, Plug-in oder Range Extender?
Während sich die elektrische Euphorie vielerorts abgekühlt hat, gewinnt der Plug-in-Hybrid immer mehr Freunde. In China hingegen werden Range Extender immer beliebter.

Totgesagte leben länger. Denn über viele Jahre galt der Plug-in-Hybridantrieb nur als Brückentechnologie, der Skeptiker und Zauderer mit der Kombination aus Verbrenner und Akku-Antrieb auf die Elektromobilität einstimmen sollte. Doch obwohl Autos mit diesem Antrieb (PHEV) überdurchschnittlich komplex und vor allem teuer sind, halten sie sich länger im Handel als erwartet. Im Gegenteil: Statt sie mit der zunehmenden Elektrifizierung ihres Portfolios aus dem Programm zu nehmen, entwickeln vor allem die deutschen Hersteller immer neue Teilzeitstromer.
Mit ihrem zumindest rechnerisch geringen CO2-Ausstoss drücken PHEV den Flottenverbrauch und damit die Klimazahlungen an Brüssel und können so die Lücke schliessen, die durch den stotternden Absatz der Stromer in der Statistik klafft. Womöglich funktioniert dieser Rechentrick sogar noch länger als gedacht. Denn im Ringen um eine Rettung der vermeintlich bedrohten Autoindustrie und einer Aufweichung des beschlossenen Verbrenner-Verbots ab 2035 in Europa könnte dem Plug-in-Hybridantrieb eine Schlüsselrolle zukommen. Denn erstmals hätten EU-Vertreter den Verkauf von PHEV nach 2035 nicht ausgeschlossen, schreibt der «Spiegel» unter Berufung auf Verhandlungskreise.
Reichweiten über 1000 Kilometer
Für die Kunden sind PHEV unter Umständen nicht die schlechteste Lösung: Zwar deutlich teurer als ein reiner Verbrenner, ist er in der Regel noch immer spürbar günstiger als das elektrische Äquivalent – und eröffnet im Alltag trotzdem spürbare Sparpotenziale. Bei rein elektrischen Reichweiten von oft mehr als 80 oder 100 Kilometern kommen Kurzstreckenpendler mittlerweile oft über die ganze Woche. Aber dabei wird es nicht bleiben. Denn es zeichnet sich – getrieben aus China – mittlerweile ein neuer Trend ab: Nicht mehr der Verbrenner übernimmt das Gros der Antriebsarbeit, sondern Elektromotor und Akku. Der Benziner läuft nur noch als Generator, und aus dem PHEV wird ein Auto mit Range Extender (REEV), der Elektroautos zu Reichweiten von oft mehr als 1000 Kilometern verhilft.

Während diese Technik bei uns ein absolutes Nischendasein fristet, nur kurz im ohnehin schon exotischen BMW i3 angeboten wurde und sich heute auf den nicht minder unkonventionellen Mazda MX-30 beschränkt, kommt sie auf dem grössten Markt der Welt gerade gross raus: «Der grosse Sprung zum vollelektrischen Antrieb scheint auch in China nicht auf einmal stattzufinden – der Zwischenschritt über den Range Extender etabliert sich gerade als die Standard-Antriebsoption im elektrischen Lösungsraum», analysiert Xing Zhou vom Strategieberater Alix Partners. Nicht umsonst würden deren Verkaufszahlen im Reich der Mitte um bis zu 50 Prozent pro Jahr wachsen. «Befürworter sehen darin eine Brückentechnologie, die effizienter und klimafreundlicher ist als Plug-in-Hybride und dank hoher Reichweite auch im Westen weitere Kunden von E-Autos überzeugen könnte.»
Verschlafen die Europäer den Trend?
Während eine Reihe chinesischer Hersteller wie BYD oder Li Auto mit verschiedenen Modellen auf dem Vormarsch sind und angesichts der hohen Nachfrage weitere Marken auf diesen Zug aufspringen werden, dümpelt die Technologie im Rest der Welt unter «ferner liefen». Viele westliche Hersteller hätten sich selbst das Ziel der vollständigen Elektrifizierung von Fahrzeugen gesetzt und deshalb Investitionen in Technologien ohne fossile Brennstoffe die grössere Priorität eingeräumt, meint Zhou. Deshalb ist von ihnen so schnell wenig zu erwarten, und Ankündigungen wie der von VW für die USA geplante Geländewagen Scout mit eigenem Kraftwerk an Bord bleiben die Ausnahme.

Damit stellt sich für den Alix-Experten die Frage, ob die europäische Automobilindustrie zu spät diese Angebotslücke schliesst und auf diese Weise eine Chance verpasst. In seinen Augen könnte die Technologie nicht nur die CO2-Grenzwerte für Neufahrzeuge in Europa bis mindestens 2034 erfüllen, sondern voraussichtlich auch viele Kunden kurzfristig für die Elektromobilität gewinnen. Dabei sei der Elektroantrieb mit Range Extender dem Plug-in-Hybrid auf breiter Front überlegen, meint Zhou: «Denn der Plug-in-Hybridantrieb ist weder technisch noch wirtschaftlich die optimale Kombination.» Anders als beim Range Extender sei der Verbrenner sehr aufwendig und laufe zudem nicht permanent im optimalen Betriebspunkt. Und den zumindest perspektivisch wachsenden Preisvorteil billiger werdender Batterien könne der Plug-in-Hybridantrieb auch nicht nutzen.
«Die PHEV-Technologie war von Anfang an eine Übergangstechnologie», sagt Zhou. «Ich denke, es war im Nachhinein die falsche. Die bessere ist der Range Extender, der von den Materialkosten und der Komplexität her günstiger ist.» Den Kunden störe schliesslich vor allem die Reichweitenangst und die mangelnde E-Infrastruktur, zwei Probleme, die sich mit dem Range Extender gut lösen liessen. Einmal mehr würden die Schrittmacher dabei womöglich aus China kommen, wo die Technik mittlerweile grossflächig ausgerollt wird. Dabei sei Deutschland hier vor mehr als zehn Jahren technologischer Vorreiter gewesen, sagt Xing Zhou vom Strategieberater Alix Partners. «Riskieren wir eine Mobilitätslücke und geben ein wachsendes Marktsegment kampflos auf?»

Fehler gefunden?Jetzt melden.