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Schottland im Mercedes Marco Polo
Auf den Spuren des Highlander

Der neue Mercedes Marco Polo steht vor einer malerischen Landschaft mit einem See und einer Ruine im Hintergrund.
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Es ist abends um sieben, und auf jeder anderen Ferienfahrt würde jetzt so langsam die Nervosität steigen. Denn wer mit einem Campervan unterwegs ist, fängt spätestens mit den ersten Zeichen der Dämmerung an, einen passenden Stellplatz zu suchen. Doch hier und heute rollt der neue Mercedes Marco Polo ganz gelassen durch die abenteuerliche Landschaft: Der Sommer ist noch weit und mit ihm die Welle der Camper, die jedes Jahr früher und stärker in alle Winkel der Welt schwappt. Deshalb ist die wohnliche Variante der V-Klasse noch so allein wie der «Highlander», der hier seine Heimat hat. «Es kann nur einen geben» – das gilt auf diesem Trip durch die Hügel im Norden der britischen Insel nicht nur für Connor McLeod aus dem Kinofilm, sondern auch für den mindestens 77’000 Franken teuren Mercedes, der lieber das letzte Licht nutzt und von Edinburgh über Inverness weiter in Richtung Küste rollt, als jetzt schon einen Stellplatz zu suchen. 

Erst zwei Stunden später irgendwo nördlich von Ullapool ist es dann aber doch mal genug, denn bei Dunkelheit will hier niemand den Slalom zwischen Schafen und Steinen auf den Single-Track-Roads absolvieren. Der ist schliesslich schon bei Tag schwierig genug – dankbar schaut man dabei auf die Kameras, die das Format des Autos beim Rangieren merklich schrumpfen lassen. Ausserdem sind wir ja wegen der Ausblicke hier und nicht als Kilometerfresser. Und als dann noch der zottelige Stewart für die Aussicht auf einen Schuss mit Tee aus der Bordküche die Kette an der Zufahrt seiner privaten Halbinsel öffnet, kann das Abendprogramm beginnen. 

Alles digital

Dann beginnt die Metamorphose, und aus dem Automobil wird eine Immobilie auf Zeit. Mercedes hat die gesamte Bedienung nicht nur auf dem neuen Zentralbildschirm des aktualisierten MBUX-Systems gebündelt, sondern auch auf einer App fürs Smartphone. Während man schon mit Meerblick in den Campingsesseln sitzt, die hinter der grossen Heckklappe ihren Platz haben, auf dem Klapptisch die Petroleumleuchte flackert und drinnen auf der Gasflamme das Teewasser zu kochen beginnt, lässt man vom Handy aus das Dach ausfahren, kontrolliert, ob der Kühlschrank kalt genug ist, stellt ein romantisches Ambiente-Licht ein und sucht beim Streaming-Dienstleister seiner Wahl den passenden Soundtrack.

Ein Auto fährt allein auf einer kurvenreichen Strasse durch die schottische Landschaft, umgeben von Hügeln und wolkigem Himmel.

Oben in der Koje liegend kommt die vielleicht hilfreichste Neuheit im neuen Marco Polo zum Tragen. Die V-Klasse macht sich nämlich ihre Luftfederung zunutze und balanciert sich auf Knopfdruck automatisch aus. Die natürlich ebenfalls vom Smartphone kontrollierte Zusatzheizung erzeugt selbst in der kühlen Märznacht ein so kuscheliges Klima, dass man den ganzen Tag auf der Pritsche bleiben und nur den Ausblick geniessen könnte. Und die Aussicht auf die Aussendusche macht jetzt auch nicht wirklich Lust darauf, den Tag zu beginnen.

Andererseits wartet die NC500 auf uns und mit ihr eine der schönsten Strassen, die es in Europa gibt. Wild, rau und zumindest um diese Jahreszeit noch ziemlich einsam windet sie sich entlang der Atlantikküste, überwindet Hügel und Kämme von schroffer Schönheit und kämpft sich durch Moore und Wälder, aus denen immer und überall irgendwelche Fabelwesen kommen könnten. Ob Nessie echt ist oder nur eine Erfindung – wer mal ein paar Stunden durch Schottlands Norden gefahren ist, der hat auf diese Frage schnell eine ganz eigene Antwort. 

Ein Campervan mit geöffnetem Aufstelldach steht an einem See, eine Person sitzt auf einem Stuhl daneben und liest.

Dass sich Petrus dabei wenig gnädig erweist, ist nur auf den ersten Blick ein Schaden. Denn erstens wechselt das Wetter in Schottland schneller als anderswo, und irgendwann wird die Sonne schon wieder scheinen. Und zweitens gibt es nichts Langweiligeres als blauen Himmel, lacht der Fotograf und schwärmt von dramatischen Wolkenbildern in viel mehr als fifty shades of grey. Und wer die Welt durch seine Augen sieht, der sieht hier in Schottland Landschaften und Lichtstimmungen von einer Dramatik, Stille und Schönheit, wie sie keine andere Region Europas zu bieten hat. Vor allem von einer ungeahnten Vielfalt. Denn oft reicht eine Kurve oder eine Kuppe, und man fährt in einer anderen Welt. 

Die Reichweite kratzt am vierstelligen Bereich

Wenn man dann irgendwann glaubt, jetzt alles gesehen zu haben, biegt hinter dem letzten Haus im pittoresken Applecross plötzlich eine Passstrasse ab und führt hoch auf einen Berg, den sie auf dem Kontinent allenfalls Hügel nennen würden, der einem aber trotzdem den Atem raubt. Denn die Strasse ist kaum breiter als ein Feldweg, und die Steigung verlangt dem 2,0-Liter-Vierzylinder-Motor des Marco Polo alles ab. Langsam, aber stetig und von der neunstufigen Automatik sanft im Zaum gehalten, kämpft sich der Diesel mit 237 PS und 500 Nm den Anstieg hinauf und fällt jenseits der Kuppe fast ins Bodenlose. Denn während es auf der einen Seite durch die Highlands hochgeht, stürzt die Strecke auf der anderen Seite in dramatischen Serpentinen fast senkrecht hinunter in einen Fjord, den sie hier natürlich «Loch» nennen. 

Ein Auto fährt auf einer kurvenreichen Strasse entlang einer nebligen Küstenlandschaft.

Von dort aus führt die Route ganz gelassen zurück nach Edinburgh. Und je weniger man über Linksverkehr nachdenkt oder über die Breite der Strasse, desto dynamischer wirkt der Marco Polo plötzlich – selbst wenn es nirgendwo eine hinreichend lange Gerade gibt, um den Sprint von 0 auf 100 in 7,9 Sekunden zu testen, und auf diesen Strassen auch das Tempolimit von 60 Meilen bisweilen eine Herausforderung ist. Aber dafür bewegt sich der Verbrauch nahe am Normwert von 7,8 Litern, und die Reichweite kratzt an der Vierstelligkeit – was gut ist, weil die Tankstellen hier genauso rar gesät sind wie alle anderen Zeichen der Zivilisation. 

Bleibt noch, Ben Newis als höchstem Berg der britischen Insel die Ehre zu erweisen, im Glencoe National Park noch einmal die Augen aufzureissen ob der majestätischen Schönheit der Berge oder uns staunend durch den Stau am Loch Lomond zu kämpfen. Also doch noch nicht alles gesehen? Macht nichts: So long Schottland, bidh sinn air ais – wir kommen wieder. 

Strassenschild der NC500 mit Angaben zur Entfernung nach John O’Groats und vorbeifahrendem Auto.