SVP und FDP ergreifen ReferendumZürcher Bevölkerung wird über höhere Prämienverbilligung abstimmen
Eine Mehrheit will, dass der Kantonsrat die Beiträge an die Prämienverbilligung erhöht. Die SVP und die FDP sind dagegen.

- Der Zürcher Kantonsrat beschliesst höhere Prämienverbilligungen.
- Die Mehrkosten von rund 50 Millionen Franken sorgen für Widerstand.
- Zürich zahlt deutlich weniger Kantonsbeiträge als andere Kantone.
- SVP und FDP wollen das Referendum gegen die Gesetzesänderung ergreifen.
Der Kanton Zürich soll die Bevölkerung bei den Gesundheitskosten stärker unterstützen als bisher. Eine Mehrheit des Kantonsrats hat am Montag in zweiter Lesung einer entsprechenden Gesetzesänderung zugestimmt. Die Stimmberechtigten werden allerdings noch in diesem Jahr über die Aufstockung des Prämienverbilligungstopfs abstimmen.
Heute zahlt der Kanton mindestens 80 Prozent der Bundesbeiträge zur individuellen Prämienverbilligung (IPV). Neu sollen es mindestens 100 Prozent sein. SP, Grüne, AL und EVP wollten den kantonalen Beitrag ursprünglich auf 120 Prozent anheben. Dank eines Kompromisses bei 100 Prozent konnten sie die GLP und die Mitte mit ins Boot holen und so im Rat eine Mehrheit erringen.
FDP und SVP erzwingen Volksabstimmung
Die Lösung der Ratsmehrheit bedeutet, dass der Kanton pro Jahr 50 Millionen Franken mehr für die Prämienverbilligung ausgeben muss, aktuell sind 1,3 Milliarden in diesem Topf. SVP und FDP wollen diese Aufstockung verhindern. Die beiden Parteien haben am Montag im Parlament das Kantonsratsreferendum ergriffen. Auf Sammeltour für Unterschriften müssen SVP und FDP für ihr Referendum nicht gehen, die nötigen 45 Stimmen im Rat brachten sie problemlos zusammen.
Für die linke Ratsseite und die Mitte-Parteien sind die Krankenkassenprämien längst auch ein Problem für den Mittelstand. Angst vor der Abstimmung haben sie deshalb nicht. «Was uns aber wütend macht, ist die Verzögerungstaktik von FDP und SVP», sagte Nicole Wyss (AL, Zürich). Das sei höchst unsolidarisch. Dass sich SVP und FDP nicht für eine Erhöhung ausgesprochen hätten, sei schade, sagte Josef Widler (Mitte, Zürich). Aber Prämienverbilligungen seien Glaubenssache, da werde man irrational.
Befürworter der Gesetzesänderung argumentierten weiter, dass die Krankenkassenprämien seit der letzten Abstimmung deutlich gestiegen seien. Diese Erhöhung der Kantonsbeiträge auf 100 Prozent sei ein politischer Kompromiss, sagte Jeannette Büsser (Grüne). «Es ist total absurd, dass das Referendum ergriffen wird.» Der Kanton Zürich sei heute im nationalen Vergleich eher knausrig.
Laut dem Bundesamt für Statistik zahlte der Kanton Zürich 2023 rund 40 Prozent des Gesamtbeitrags für die individuelle Prämienverbilligung, deutlich weniger als zum Beispiel die Kantone Schaffhausen (53 Prozent), Basel-Stadt (61,7 Prozent) oder Genf (69,2 Prozent). Die IPV-Leistungen werden von den Empfängerinnen und Empfängern wieder in die Wirtschaft gesteckt, sagte Büsser. «Die 20 Kantone, die mehr daran zahlen, haben das schon lange begriffen.»
«Die hohen Einkommen gewinnen»
Als unsolidarisch beurteilen sich FDP und SVP keineswegs. «Wir kämpfen für die armen und einfachen Leute», betonte SVP-Kantonsrat Tobias Weidmann (Hettlingen). «Aber diese 50 Millionen werden dort nicht ankommen, sondern fliessen zu den hohen Einkommen.»
Sein Parteikollege Lorenz Habicher (Zürich) machte ein Rechenbeispiel: Ein Seniorenpaar, das Anspruch auf Prämienverbilligung hat, wird gemäss Beispiel künftig 4 Franken pro Monat erhalten statt wie bisher 2.50 Franken. «Diesen Kaffee können Sie sich schenken», sagte Habicher. Das sei doch keine Entlastung.
Gleichzeitig steige aber die Einkommensobergrenze – es würden also mehr Personen Anrecht auf Prämienverbilligung erhalten, die es vielleicht gar nicht nötig hätten. «Die tiefen Einkommen gehen praktisch leer aus, die hohen Einkommen gewinnen», sagte Claudio Zihlmann (FDP, Zürich). Zudem habe die Stimmbevölkerung bereits drei Mal eine IPV-Erhöhung an der Urne abgelehnt. Man müsse wieder auf die Eigenverantwortung der Menschen setzen, statt die Gesundheitskosten zu subventionieren.
Die Erhöhung hat ein Ablaufdatum
SVP und FDP hätten das bisherige System aber auch aus einem anderen Grund beibehalten: «Der grosse Wurf hat schon heute ein Ablaufdatum», sagte Lorenz Habicher (SVP) weiter. «Es wird so oder so zu einem Systemwechsel kommen.»
Tatsächlich wird die bisherige Steuerungsfunktion von Regierungs- und Kantonsrat im Jahr 2028 abgeschafft. Grund dafür ist die nationale Prämienverbilligungsinitiative der SP. Sie wurde im Jahr 2024 zwar abgelehnt – allerdings tritt der Gegenvorschlag im Jahr 2026 in Kraft und betrifft auch den Kanton Zürich.
Dieser Gegenvorschlag schreibt vor, dass die Kantone einen Mindestbeitrag von 3,5 bis 7,5 Prozent der gesamten Grundversicherungskosten für die Prämienverbilligung einsetzen müssen – je nachdem, wie stark die ärmsten 40 Prozent belastet sind. In den ersten zwei Jahren beträgt der Mindestbeitrag in allen Kantonen 3,5 Prozent der Bruttokosten. Wie sich das neue System ab 2028 auf den Kanton Zürich auswirken wird, ist jedoch noch offen.
Mit Material der SDA
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