TV-Kritik «Tatort»«Fördern, vögeln, krönen»
Wie junge Frauen als Marketing-Königinnen um Karriere und Integrität kämpfen: Der Krimi aus der bayrischen Provinz ist lüpfig, aber nicht leichtgewichtig.
Heisse Party auf dem Land: In «Königinnen» kommen sie aus allen ruralen Ecken Bayerns an ein grosses Landwirtschafts-Event gereist, die Bauern, die Agrarkonzern-Vertreter und die Produkt-Gesichter von A bis Z – von der Apfelkönigin über die Honig-, Milch-, Spargel- und Weisswurstkönigin bis hin zur Zwiebelkönigin. Alle hoffen, für den nächsten Jahreskalender ausgesucht zu werden: eine Art Pirelli-Kalender für die Provinz, eine Riesensache.
Drehbuchautor Robert Löhr schuf rund um diese Fleischbeschau der anderen Art einen rauen Schwank: Die #MeToo-Bewegung kriegt ebenso ihr Fett ab wie die Riege der alten weissen Männer. Noch bevor die Kalenderblattwahl gefallen ist, findet man den Ausrichter der Veranstaltung (einmalig eklig: Wolfgang Fierek), Präsident des Bavaria-Bunds, in seinem Blut: im Kopf die Wunde durch ein Bolzenschussgerät, auf der Hand ein Bienenstich.
Spässle, Spitzen und Zitate
Während er auf der Intensivstation um sein Leben ringt, rollen die Kommissare Batic (Miroslav Nemec) und Leitmayr (Udo Wachtveitl) gemeinsam mit dem beförderten Kollegen Kalli (Ferdinand Hofer) aus München an. Wie wir müssen sie lernen, dass es hinter all dem albernen Flitter mit Krönchen und Dirndl, mit Blasmusi’ und Traktorrumpeln, Saufen und Sex ums knallharte Geschäft geht – und um Karrieren. Das ist lüpfig, aber nicht leichtgewichtig.
«Jenny Elvers war mal Königin und Julia Klöckner auch», erklärt die frustrierte Zwiebelkönigin Annelie (Klöckner brachte es bekanntlich bis zur deutschen Landwirtschaftsministerin). Im richtigen Leben ist Annelie Polizeischülerin und gibt fürs unwissende Männertrio aus der Grossstadt die V-Frau (die 22-jährige Daria Wolf ist ein Glücksgriff).
Spässle, Spitzen und Zitate gehören zum Krachermaterial Löhrs, vom Aschenputtel-Schuh über die «Rosenheim Cops»-Referenz (eine deutsche Krimi-Light-Serie) bis zu Sprüchen wie «fördern, vögeln, krönen».
Auf diese Weise sei es bei dem Veranstalter stets abgelaufen, wirft etwa der Hauptsponsor aus einem Agrarkonzern der «Queen Mum» vor, der rigiden Organisatorin des Anlasses. «Am Ende haben Sie ihm die Mädchen doch zugeführt wie bei Jeffrey, äh, Dingsbums die Freundin.» Überhaupt, man brauche mehr Diversity statt Wichsvorlagen für Jungbauern.
Regisseur Rudi Gaul lässt, wie der flirtbesessene Kalli, nichts anbrennen und übergeht keine Gaudi.
Das lässt die Queen Mum, eine wahrhaft formidable Veronica Ferres, nicht auf sich sitzen. Der Scheisskonzern profitiere von ihren Königinnen – als schöne Fassade für seine schmutzigen Geschäfte. «Body positive» bedeute für sie nur hässlich, und #MeToo sei Getue: Jedes Mädchen wisse ja, worauf es sich einlasse.
Nicht schlimm, dass man recht bald ahnt, wer hier den Finger buchstäblich am Drücker hatte, während die Story mit Lust an Gags und Grausamkeit in aller Ruhe entfaltet wird. Regisseur Rudi Gaul lässt, wie der flirtbesessene Kalli, nichts anbrennen und übergeht keine Gaudi, inklusive Keilerei unter jungen Frauen.
Bisweilen hätte er diesen Ton ein klein wenig herunterfahren dürfen. Durchgehend famos jedoch ist der Soundtrack der vom Chiemsee stammenden LaBrassBanda, die im Film auch auftritt. Ihre sogenannte Neue Volksmusik passt perfekt zu dem sehr zeitgenössischen Bauerntheater. Nix zum Schunkeln.
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