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TV-Kritik «Tatort»
Murot träumt gross – und ist hinter Hitler her

Spaziergang im All gefällig? Der neue «Tatort» ist so fantastisch, dass sich Ermittler Murot (Ulrich Tukur) in Anlehnung an Stanley Kubrick übers Irdische hinausträumt.

Klingelts? In diesem «Tatort» auf jeden Fall, und zwar gleich mehrfach. Da ist das Telefon, das sich ausgerechnet dann bemerkbar macht, als Ermittler Felix Murot (der unverwüstliche Ulrich Tukur) auf dem Sofa des Therapeuten zur Erklärung ansetzen will, warum er nur noch in Träumen glücklich ist, in denen er einen Anruf von Gott erwartet. Da sind die Referenzen, die Regisseur und Drehbuchautor Florian Gallenberger in der traditionell exzentrischen «Tatort»-Reihe aus Wiesbaden anbringt, und es so beim Publikum klingeln lässt.

Etwa mit der so verheissungsvollen wie schattenhaften Welt, die sich Murot und seiner Ermittlungspartnerin Magda Wächter (Barbara Philipp) auftut, nachdem die ersten beiden Opfer gefunden werden. Beide waren Börsenspekulanten, beide starben sie in einem Zustand höchster Glücksgefühle, wie der Gehirnscan zeigt. Und beide lagen irgendwann in einer Wanne voll warmem Wasser, durch eine Öffnung am Bauch künstlich ernährt. Der technisch inszenierte Mutterbauch, das Geschäft mit einem Glück, das uns in der sogenannten Matrix verwehrt bleibt: Die Aufmachung gemahnt an die «Matrix»-Filmreihe aus den Nullerjahren.

Murot begibt sich auf die dunkle Seite

Der Wiesbadener «Tatort» kommt auch ohne diese Schwerblütigkeit aus, die anderen Folgenreihen manchmal so eigen ist, was durchaus erfrischend wirkt. Die Verstimmungen des nicht so klischiert bärbeissig wirkenden Ermittlers Murot lassen ihn mehr lakonisch denn depressiv auftreten – einmal sagt er ziemlich ratlos: «Ich weiss nur, dass jetzt sogar die Leichen in meinen Mordfällen glücklicher sind als ich.»

Das ist witzig, aber natürlich hat der Film bis zu einem gewissen Grad ein Spannungsproblem, wenn sich der Ermittler ziemlich bald einmal mit dem vermeintlich Bösen gemeinmacht – und sich kurzerhand selbst in die ominöse Glückskur der beiden Frauen begibt, die für die Opfer verantwortlich zeichnen. Auch er sinkt ins lauwarme Wasser und damit in tiefe Träume, die seine innersten Wünsche abbilden. Regisseur Gassmann platziert hier seine nächsten Referenzen: auf einem Spaziergang im All eine an Stanley Kubricks «A Space Odyssey»; bei einem blutigen Hitler-Attentat, in dem Murot einen erfolgreicheren Stauffenberg gibt, irgendwie auch eine an Quentin Tarantino.

Der bessere Stauffenberg: Murot erschiesst in seinen Träumen auch Hitler.

Zugegeben, das ist alles ein wenig irr. Es fällt aber weniger ins Gewicht, weil der Film von Beginn weg mit der herkömmlichen Krimi-Konvention Opfer-Spur-Ermittlung-Täter-Finale bricht. Die beiden Toten wurden nicht wirklich ermordet, die Bösen sind nicht wirklich böse. Vieles bleibt ungeklärt, wirkt mehr als Spielerei, manches auch etwas gar überinszeniert, wie die weissgewandete Träumeverkäuferin Eva, die einen Raum namens «Paradies» bewacht. Irgendwann stehen die beiden Frauen mit dem Rücken zur Wand, sie flüchten nach China, und nach einer Aufblende beginnt die ganze Handlung von vorn, diesmal einfach mit durchgehend asiatischem Personal. Klingelts?