TV-Kritik: Schweizer «Tatort»Endlich ein akzeptabler «Tatort» aus Zürich!
Die jüngste Episode aus der Limmatstadt ist klar besser als die letzte – auch ästhetisch.
Wir sind erleichtert! Der neue Zürcher «Tatort» funktioniert, obwohl das Team seit dem letzten, wenig überzeugenden nicht gewechselt hat. Da fliegt ein Rotmilan spähend durch einen strahlend blauen Himmel, wenig später jedoch haut der Chef der innovativen Firma Security Rumpf der Datenschutz-sensiblen Kommissarin Tessa Ott (Carol Schuler) das Totschlagargument entgegen: «Zukünftig gehört der Himmel den Drohnen.» Niemand könne daran etwas ändern. Und jenes junge Start-up, das mit seiner Anti-Gesichtserkennungs-Software tatsächlich etwas dagegen unternehmen könnte, will der Firmenboss vernichten.
Grundsätzlich liegt er vermutlich richtig: Abgesehen von der zivilen, aber auch privaten Nutzung der kleinen Flugwunder, hat kürzlich selbst der Schweizer Armeechef in dieser Zeitung unterstrichen, dass man militärisch auf die Drohnenentwicklung fokussiere. Und was schon mal stimmt: Der neue «Tatort» gehört den Drohnen.
Stets auf der Jagd
Regisseur Tobias Ineichen lässt uns die Welt immer wieder durch das Kameraauge einer dieser unheimlich surrenden Maschinchen sehen, von oben, in Büros hineinzoomend, Menschen auf der Strasse verfolgend, stets auf der Jagd – bis hin zum finalen Showdown. Den kommentiert die erschöpfte Ott dann zum Schluss mit den Worten «Ich hatte vor 'ner Drohne mehr Angst als vor einem Menschen.»
Anders gesagt: Ihrem dräuenden Ton sind die Zürcher auch in der Episode «Blinder Fleck» treu geblieben. Aber sie haben diesen apokalyptischen Sound und überhaupt den ganzen Film deutlich besser hingekriegt als auch schon: mit weniger Seelenbombast und überkandidelten Abseitigkeiten, mit mehr Nüchternheit, Tempo und «Tatort»-Feeling.
Verstörte Kinder und alte Verbrechen
Schade eigentlich, dass Schuler, die mit neuer Härte glänzt, diesmal keinen Song einbringen kann (zuletzt hatte sie mit dem feministischen Lied «Nitroglycerine» Schlagzeilen gemacht). Ihre sonst rationalere Kommissarskollegin Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) darf dagegen für einmal ihre softe, mütterliche Seiten zeigen und den Draht zu einer traumatisierten Zeugin im Primarschulalter finden.
Aber keine Bange, die Drehbuchautorinnen, das schweizerisch-deutsche Duo Karin Heberlein und Claudia Puetz, verzichten nicht auf die Go-to-Elemente des Zürcher «Tatorts»: Dazu zählen verstörte Kinder – hier wird eine Sechsjährige unter dem Rock ihrer niedergeknallten Mutter gefunden; ihr ermordeter Vater liegt wenige Meter weiter. Typisch ist auch die Story, die weit zurückgreift auf alte Verbrechen: hier auf die Vergangenheit von zwei der Toten im kriegsverseuchten Bosnien, die mit einem hochverdächtigen Ex-Söldnerführer («Wilder»-Star Marcus Signer) verbandelt waren.
Und auch diesmal sind die Zusammenhänge recht kompliziert, allerdings fliesst alles organischer ineinander als in früheren Zürcher «Tatort»-Debakeln; auch ästhetisch. Doch, durchaus guckbar. Passt, dass der Stadtrat dem Gemeinderat just beantragt hat, die Produktion auch von 2024 bis 2027 jährlich mit 400’000 Franken zu unterstützen.
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