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TV-Kritik «Tatort»
Ein Schweizer namens Rütli und andere Verbrechen

Weiss bald einmal, was sie im Schilde führt – Kommissar Borowski (Axel Milberg) und Greta Exner (Cordelia Wege).
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Rückzug? Schlussbouquet? Abschied durch die Hintertür? Vor einem Jahr wurde rund um den Kieler «Tatort» ja bekannt, dass Axel Milberg als Klaus Borowski nur noch bis 2025 ermitteln würde, und man kann sich jetzt schon seine Gedanken machen, wie der letzte Auftritt des Kultkommissars im nächsten Jahr aussehen wird. Der aktuelle, vorletzte ist bestimmt schon mal ein ungewöhnlicher, weil kaum je innerhalb der Krimikonventionen erzählt – vor allem aber auch, weil Borowski lange Zeit gar nicht zu sehen ist.

Stattdessen landen wir als Publikum sogleich tief in den zerrütteten Beziehungen der schwerreichen Unternehmerfamilie Exner. Tochter Greta (Cordelia Wege) führt eine Ehe mit dem untreuen Tobias (Pétur Óskar), und als der verschwindet, rückt die Familie, die aus ihrer Abneigung gegen den Schwiegersohn keinen Hehl macht, unweigerlich in den Fokus.

Der Finanzberater radebrecht auf Schweizer Hochdeutsch

Es ist zunächst eine etwas seltsame Versammlung von grotesk überzeichneten Charakteren, die in diesem ersten Filmdrittel wie auf einer Bühne agieren und mit Theatergestik viel zu laut rezitieren. Da ist Mutter Exner (Karin Neuhäuser), die im Zusammenhang mit ihrer Tochter nichts dem Zufall überlässt und für sie sogar den Ehevertrag verfasst hat, neben ihrem Mann (Stephan Bissmeier), der beste Beziehungen zu Borowskis Chef Schladitz (Thomas Kügel) pflegt und mit ihm Zigarren pafft und Whiskey trinkt. Das wirkt alles derart bemüht, dass auf dem schamlosen Klischee-Barometer nicht einmal der vom Berner Schauspieler Caspar Kaeser verkörperte Finanzberater der Familie sonderlich ausschlägt, der mit überzeichnetem Schweizer Hochdeutsch radebrecht und tatsächlich Pascal Rütli heisst. So weit, so schlecht.

Wie auf der Theaterbühne: Die grotesk überzeichnete Familie Exner mit Finanzberater Rütli (r.), verkörpert vom Berner Schauspieler Caspar Kaeser.

Tobias, so erfährt man in Rückblenden, hat online mit einer Schönheit namens Kitty13 angebandelt, die aber das Drehbuch von Sascha Arango dem Publikum gegenüber sogleich als von Greta gelegte Falle enttarnt. Warum wir das so früh erfahren? Wohl, und das wirkt angesichts der grossen Erfahrung von Arango als Kieler «Tatort»-Schreiber alles andere als ungewollt, damit wir Borowski beim Griff in seine Ermittler-Trickkiste im Finale entspannter zuschauen können.

Er scheint nämlich, im Gegensatz zu seiner diesmal etwas blassen Partnerin Mila Sahin (Almila Bagriacik), zu wissen, wie der Hase läuft. Die Szenen zwischen Borowski und Greta jedenfalls haben etwas Geheimnisvolles und kommen neben dem Klamauk rund um die Familie wohldosiert daher. In ihrer Langeweile als Milliardenerbin eines Medizinaltechnik-Unternehmens (ist ihr Kleid, das wie ein OP-Anzug aussieht, eine Referenz?) fotografiert Greta sogenannte Lost Places: verwunschene, verlassene Orte. Das ist die Szenerie für ein, gemessen am so geschmacksarmen Beginn, stimmungsvolles Finale.

Hoffnung bleibt: Borowski darf ja noch einmal ran. Und für den Kieler «Tatort» ist auch nach Milbergs Rücktritt nicht Dienstschluss: Ab 2026 soll Sahin im Zentrum stehen.