TV-Kritik «Tatort»Ein waschechter Ruhrpott-Krimi «mit alles»
Die Folge «Cash» aus Dortmund bedient – nicht nur – Konventionen und bietet Einblicke ins Seelenleben seiner Ermittler.
Es war Rick Okons 13. und letzter Auftritt als Sidekick-Ermittler Jan Pawlak im Dortmunder «Tatort»; dafür geriet er als gebeutelter Vater ohne Sorgerecht zum Abschied noch einmal so richtig ins Rampenlicht. Überhaupt hat Drehbuchautor Jürgen Werner, seinerseits ein Dortmund-Routinier, stark auf die Ermittler und ihr Seelenleben fokussiert: etwa auf Faber, der sich nach dem Tod seiner Kollegin Bönisch langsam berappelt – ein grossartiger Jörg Hartmann, der von seinem üblichen lakonisch-spöttischen Stil auch mal ins Heftige oder ins sympathisch Humane rutscht.
Rosa Herzog (Stefanie Reinsperger), die gern die Leitung des Kommissariats übernehmen würde, bekommt ebenfalls Raum für Charakterentwicklung. Verstört steht sie im Kommissariat, während die Leute im Zeitraffer an ihr vorbeihasten. Ihre etwas schwierigen und angeschlagenen männlichen Kollegen vor sich selbst zu schützen, gelingt ihr nur halb.
Faber hat Mühe mit dem Leiter der kriminaltechnischen Untersuchung, einem Ekelpaket (Tilman Strauss), das wir von früher kennen und das er für Bönischs Tod verantwortlich macht. Der frustrierte Pawlak ist der Spielsucht verfallen und vermasselt sich jede Chance beim Familiengericht. Die meiste Zeit hängt er in einem Wettbüro ab, macht Schulden. Als ausgerechnet ein Mitarbeiter dieses Wettbüros ermordet wird, gerät für ihn alles aus den Fugen.
Faber wiederum wandelt auf den Spuren seines Erzgegners Tarim Abakay (Adrian Can), gleichfalls von früheren «Tatorten» bekannt. Denn dem gehört der Laden – und der Fussballclub, auf den hier Wetten abgeschlossen werden. Bald wird ein Spieler ermordet. «Drogen, Rauschgift, Schwarzgeld, Mädels, Leichen – bei ihm bekommen Sie alles, was Sie wollen», weiss Faber.
Schimanski-Feeling und flotte Sprüche
Kurz: «Cash» ist ein waschechter Ruhrpott-Krimi «mit alles». In Minute 52 baut Werners Drehbuch ausserdem einen schicken Twist ein. Regisseur Sebastian Ko verpasst dem Dortmund-Klassiker ein bisschen Schimanski-Feeling und eine gute Portion Entertainment-Konvention. Die Kamera zieht übers Fussballfeld in die Kneipe, in der sich Kommissare nächtlich Trost antrinken, und zum Schrottplatz, auf dem die Herzog aus therapeutischen Gründen mit Schmackes ein Auto mit einem Baseballschläger zerdeppert – ein Highlight.
Desillusionierung ist das Grundgefühl, aber die visuelle Erzählweise ist abwechslungsreich – hier ausdrucksvolle Gesichter-Zooms, da Perspektiven-Verspieltheiten. Und flott sind die Sprüche, inklusive politisch höchst unkorrekter Witze sowie selbstironischer Zuschreibungen wie «altes weisses Trüffelschwein» (Faber). Dazu flockt der Soundtrack mit «Leave a Light On» von den Marble Sounds einen hinreissenden Herzensbrecher ins anrührende Finale. Da ist es dann wurst-, pardon, döneregal, dass uns die Hauptstory rund um Fussballwetten und Geldwäsche ziemlich kaltlässt.
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