Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

TV-Duell in Thüringen
Mit dem Rechts­extremisten Höcke reden? Die CDU findet: Ja!

ARCHIV - 08.12.2023, Thüringen, Erfurt: Björn Höcke, AfD-Fraktionschef, während einer Sitzung des Thüringer Landtags. (zu dpa: «Staatsanwaltschaft erhebt weitere Anklage gegen Höcke») Foto: Martin Schutt/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Für Linke, Sozialdemokraten und Grüne, die in Thüringen seit 2020 eine Minderheitsregierung bilden, ist der Fall klar: Mit Nazis redet man nicht, und man bietet ihnen auch keine Bühne. Mario Voigt, Spitzenkandidat der Christdemokraten für die Landtagswahl im Herbst, sieht das ganz anders: Zehn Jahre Totschweigen hätten nur dazu geführt, dass die AfD heute im Osten Deutschlands alle Umfragen anführe. Die Nazi-Keule funktioniere schon lange nicht mehr. Und Bühnen finde die AfD im Internet genug – ohne dass jemand widerspreche.

Voigt sucht deswegen nun den direkten Streit mit Björn Höcke, dem Chef der thüringischen AfD. Höcke gilt als einer der glühendsten Ideologen der Partei. Laut Gerichtsurteil darf man ihn «Faschist» nennen, sein Landesverband ist gemäss Verfassungsschutz «erwiesenermassen rechtsextrem».

Voigt will im Streitgespräch, so sagt er, offenlegen, wie gefährlich und schädlich Höckes Politik und Ideologie für Deutschland und für Thüringen wären. Sein Duell sieht er als Dienst an der Demokratie: Es gehe darum, der Spaltung in der Gesellschaft durch direkte Konfrontation der Argumente entgegenzuwirken.

29.02.2024, Sachsen, Chemnitz: Mario Voigt, Landesvorsitzender der CDU-Thüringen, auf der CDU-Grundsatzprogrammkonferenz in Chemnitz. Die Konferenz ist eine von sechs bundesweit, bei denen über das neue Grundsatzprogramm der CDU diskutiert wird. Foto: Hendrik Schmidt/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ (KEYSTONE/DPA/Hendrik Schmidt)

Selbst unter Christdemokraten ist Voigts Vorhaben ziemlich umstritten: Rainer Haseloff, Ministerpräsident im benachbarten Sachsen-Anhalt, sagt, er selbst gewähre der AfD keine Plattform, die über die Auseinandersetzung im Parlament hinausgehe. Es gebe zwar kluge Leute, die einen konfrontativen Ansatz befürworteten, aber auch kluge Leute, die davor warnten.

Entstanden ist das Duell, das am Donnerstagabend auf dem Fernsehsender der Berliner «Welt» ausgetragen und auch im Internet übertragen wird, aus einem Streit Voigts und Höckes auf X. Der CDU-Mann hatte sich über Höckes Kritik an der EU aufgeregt, die im Satz gegipfelt hatte: «Diese EU muss sterben, damit das wahre Europa leben kann.» Nach einem längeren Schlagabtausch vereinbarte man ein öffentliches Streitgespräch.

Es geht mehr um Wahltaktik als um Demokratie

Totgeschwiegen, wie Voigt und «Welt» behaupten, wurde Höcke im Fernsehen übrigens nie: Er trat in ARD und ZDF auf, im heimischen Mitteldeutschen Rundfunk sogar regelmässig. Neu ist aber, dass ein führender Christdemokrat mit ihm die Bühne teilt.

Fragt man die CDU, warum ihr Thüringer Spitzenkandidat das tut, hört man von einer neuen Strategie: Man ziehe zwar nach wie vor eine «Brandmauer» zwischen sich und der AfD, wolle den Konkurrenten aber vermehrt «inhaltlich stellen». Die Partei sei mittlerweile zu gross, um ignoriert zu werden. In Thüringen steht die AfD laut jüngster Umfrage derzeit bei 29 Prozent, die CDU bei 20, die Linke bei 16 und die neue Partei der Linksnationalistin Sahra Wagenknecht bei 15 Prozent.

Voigts Hauptmotiv für das Streitgespräch mit Höcke ist denn auch ein taktisches: Er möchte den Wahlkampf in ein Duell zwischen CDU und AfD verwandeln und damit den linken Ministerpräsidenten Bodo Ramelow an den Rand drängen. Ramelow, der Thüringen seit 2014 regiert, dessen Partei aber unter der neuen Konkurrenz des Bündnisses Wagenknecht leidet, ist als Politiker immer noch doppelt so beliebt wie Höcke und Voigt. Beide Duellanten sehen den TV-Auftritt als Chance, sich selbst in Szene zu setzen.

Höcke hat womöglich mehr zu gewinnen als Voigt

Der Politologe Johannes Hillje meinte kürzlich, Höcke habe dabei mehr zu gewinnen als Voigt. Der Rechtsextremist werde die Bühne zur «Entteufelung» benutzen, zur Selbstverharmlosung also, wie man sie etwa von der Französin Marine Le Pen kennt. In der Mitte schreckt Höcke in Thüringen noch immer viele Wählerinnen und Wähler ab, er ist wesentlich unbeliebter als seine Partei.

Mit Höcke zu diskutieren, hat sich in der Vergangenheit auch für kompetente Journalistinnen und Journalisten als schwierig und wenig ergiebig erwiesen. Der Demagoge antwortet fast nie auf Fragen, sondern spricht lieber von seinen eigenen Themen. Um ihn «inhaltlich zu stellen», sagen Fachleute, müsse man zur Ideologiekritik fähig und rhetorisch überlegen sein. An dieser Aufgabe sind schon Begabtere gescheitert als Mario Voigt.