US-Kahlschlag bei Entwicklungshilfe«Es wird Tote geben»: Muss die Schweiz helfen, die Folgen von Trumps Entscheid abzufedern?
Das Schweizer Parlament hat im Dezember die Mittel für die Entwicklungshilfe gekürzt. Nun steht zur Debatte, nachträglich doch mehr Geld zu sprechen. Der Grund: der amerikanische Präsident.
![Rohingya-Frau Ali Nesa kümmert sich um ihre kranke Tochter im Kutupalong-Flüchtlingslager, Bangladesh, aufgenommen am 28. August 2018.](https://cdn.unitycms.io/images/75oKYNuiav-8q5BxRGurKQ.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=SyfgD5jB6tE)
- Die USA haben auf Anordnung von Trump ihre humanitäre Hilfe sistiert.
- Schweizer Hilfswerke warnen, der Zahlungsstopp habe unmittelbare Folgen.
- So könne etwa das Wasser in Flüchtlingslagern nicht mehr aufbereitet werden.
- Nun werden auch die Schweizer Gelder wieder zum Thema.
«Thank you for your service»: So endet die kurze Nachricht an die Mitarbeitenden auf der Website von USAID, der amerikanischen Behörde für internationale Zusammenarbeit. Seit Freitagmittag ist das gesamte Personal von USAID weltweit freigestellt – mit wenigen Ausnahmen.
Die Trump-Administration hat beschlossen, die humanitäre Hilfe der USA einzufrieren und sämtliche Zahlungen für mindestens 90 Tage zu sistieren. Was danach geschieht, ist offen. Krebst der US-Präsident zurück, wie bei den Zöllen? Man halte es für möglich, sagt Andreas Missbach, Geschäftsleiter der entwicklungspolitischen Dachorganisation Alliance Sud. Es gebe aber einen wesentlichen Unterschied: «Es wird Tote geben.»
Der Zahlungsstopp hat unmittelbare Folgen. Beispielsweise sind ab sofort sogenannte Health Points geschlossen, etwa in Afghanistan. Für «Überlebenswichtiges» soll es zwar Ausnahmen geben. Aber was zählt dazu – und wer entscheidet? «Es herrscht das totale Chaos», sagt Missbach.
Auch fehlende Gesundheitsversorgung für Schwangere könne zu Todesfällen führen, gibt er zu bedenken. Hinzu komme, dass wegen des Zahlungsstopps Arzneimittel-Lieferungen blockiert seien, beispielsweise Diabetes-Medikamente. «Das ist dramatisch für die betroffenen Menschen.»
Wasseraufbereitung in Bangladesh eingestellt
Die USA finanzieren weltweit 40 Prozent der humanitären Hilfe. Auch beim Schweizer Pendant zu USAID, der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza), macht man sich Sorgen. Offiziell nimmt das Aussendepartement EDA derzeit keine Stellung. Dafür sei es zu früh, heisst es auf Anfrage.
Hinter den Kulissen laufen aber Gespräche, auch mit den Schweizer NGOs. Sie sind es, die Deza-Projekte umsetzen, oft gemeinsam mit Partnern und mitfinanziert durch Gelder aus anderen Ländern. Bei einzelnen Schweizer Entwicklungsorganisationen machen die Beiträge von USAID zwischen 5 und 10 Prozent des Budgets aus.
Wegen des Zahlungsstopps können nun teilweise Löhne des Personals von Schweizer Projekten nicht mehr bezahlt werden. Das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz hat bereits angekündigt, 100 lokale Mitarbeitende zu entlassen. Die Organisation Terre des Hommes mit Sitz in Lausanne schreibt, sie sei gezwungen, in neun Ländern insgesamt 440 Stellen zu streichen. Der Schritt der US-Regierung sei «dramatisch» und «beispiellos». Er bedeute, dass nun in einem Flüchtlingslager für Rohingya in Bangladesh das Wasser nicht mehr aufbereitet werde.
Die USA sind auch ein bedeutender Geldgeber vieler UNO-Organisationen. Dort ist dem Vernehmen nach ein Kampf um sogenannte «Waivers» in Gang: Das sind Ausnahmebewilligungen für bestimmte Aktivitäten. Alle Gesuche würden am Ende dem US-Aussenminister zur Bewilligung vorgelegt, heisst es in einer E-Mail. Mitarbeitende sagen allerdings, es sei unklar, wo man die Gesuche überhaupt einreichen könne.
Auch die Schweiz reduzierte das Budget
Trump hatte schon in seiner ersten Amtszeit Entwicklungsgelder gekürzt. Damals sprangen teilweise andere Länder ein. Diesmal ist es anders: Auch andere Länder haben Kürzungen beschlossen, unter anderem wegen der für die Ukraine benötigten Mittel. Dazu gehören Deutschland, Frankreich, Schweden – und die Schweiz.
Im Dezember haben National- und Ständerat die Gelder für das laufende Jahr um 110 Millionen Franken reduziert und für die kommenden Jahre weitere Kürzungen beschlossen. Der Bund stellte daraufhin die bilateralen Entwicklungsprogramme für Albanien, Bangladesh und Sambia ein und kürzte die Beträge an UNO-Organisationen.
![Ein Schild der US-Regierungsagentur USAID an einem Frachtcontainer in Manila, während Menschen verwertbare Gegenstände sortieren, 4. Februar 2025.](https://cdn.unitycms.io/images/ERh33iePKQrBHAtHhx6sx2.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=fipAfSeigGk)
Angesichts der Entwicklungen in den USA laufen nun aber politische Diskussionen über die Möglichkeit, nachträglich doch mehr Geld zu sprechen – mittels Nachtragskredit. Damit könnte die Schweiz helfen, die Folgen des US-Entscheides abzufedern, sagt Andreas Missbach von Alliance Sud.
In der Frühjahrssession dürften Vorstösse eingereicht werden. Allerdings gibt es von bürgerlicher Seite eher andere Signale. So sagte SVP-Nationalrat Roland Büchel jüngst gegenüber SRF, es gebe weiteres Sparpotenzial bei der Entwicklungshilfe.
Pfister: «Schwerer strategischer Fehler»
Mitte-Präsident Gerhard Pfister schliesst nicht aus, dass er sich wegen der US-Politik und deren Folgen für einen Nachtragskredit aussprechen würde. Zuerst wolle er aber eine Analyse aus dem Aussendepartement sehen, sagt er auf Anfrage. Auch müsse geprüft werden, ob Mittel verschoben werden könnten. Den Entscheid der Trump-Regierung bezeichnet Pfister als «schweren strategischen Fehler». Andere Grossmächte – namentlich China – würden nun ihren Einfluss in Entwicklungsländern ausdehnen.
Toni Frisch, der frühere Chef der humanitären Hilfe der Schweiz, befürchtet, dass andere Länder dem Beispiel der USA folgen könnten. «Auch deswegen ist das höchst verantwortungslos», sagt er. Die Deza müsse sich nun auf eine neue Situation einstellen. Sie müsse dafür sorgen, dass Entwicklungszusammenarbeit nicht nur von linker Seite unterstützt werde.
«Man muss halt auch erklären, was man tut», sagt Frisch – und tönt dabei an, dass die Deza und das EDA dies aus seiner Sicht bislang zu wenig getan haben. Es gehe nicht zuletzt um Stabilität, sagt Frisch. «Entwicklungszusammenarbeit ist auch wohlverstandenes Eigeninteresse. Zusammen mit der humanitären Hilfe bildet sie einen Teil unserer gesamtheitlichen Sicherheitspolitik.»
Andreas Missbach wiederum hofft, dass der USAID-Schock in anderen Ländern zu einer «echten» Debatte über die Notwendigkeit der Entwicklungszusammenarbeit führt.
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