Streit ums Budget 2025Nationalrat sagt Ja zu einer halben Milliarde Franken mehr für die Armee
Die Schuldenbremse verteidigen, fordern SVP, FDP und die Mitte. Die GLP hingegen will nicht bei der humanitären Hilfe verzichten.
Der Armee sollen nächstes Jahr 530 Millionen Franken mehr für Rüstungsinvestitionen zur Verfügung stehen als zunächst geplant. Der Nationalrat hat am Dienstag einer entsprechenden Aufstockung deutlich zugestimmt. Anträge von Links-Grün dagegen scheiterten.
Die grosse Kammer folgte damit dem Antrag ihrer Finanzkommission. Demnach soll die Armee im kommenden Jahr 2,7 Milliarden Franken für Rüstung ausgeben können. 200 Millionen Franken davon sind für das bodengestützte Luftverteidigungssystem grösserer Reichweite (Bodluv) vorgesehen.
Ziel des Nationalrats ist es, dass die Armeeausgaben bis im Jahr 2030 ein Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) erreichen. Die grosse Kammer nahm entsprechende Aufstockungen in den Finanzplanjahren 2026 bis 2028 vor.
«Schweiz muss wehrtüchtig werden»
Die bürgerliche Mehrheit setzte sich durch. In geopolitisch angespannten Zeiten gelte es, die Ausgaben in die Verteidigungsfähigkeit zu erhöhen, lautete der Tenor. «Es macht keinen Sinn, Baustellen einfach mit Geld zuzuschütten», wandte Sarah Wyss (SP/BS) erfolglos ein.
Die Investitionen in die Armee seien jahrzehntelang vernachlässigt worden, gab Roman Bürgi (SVP/SZ) zu bedenken. «Die Schweiz muss wieder wehrtüchtig werden.» Auch die Mitte- und die FDP-Fraktion machte darauf aufmerksam, dass die Armee heute nicht genügend gut ausgerüstet sei.
Die links-grüne Minderheit verwies darauf, dass die Armee nur einer von vielen Pfeilern zur Stärkung der Sicherheit sei. «Die internationale Kooperation und die Friedensförderung sind ebenso entscheidend», sagte Corina Gredig (GLP/ZH). Weil die Bürgerlichen bei der Auslandshilfe sparen wollten, sei das Gleichgewicht zwischen den drei Säulen gefährdet.
Armee soll effizienter werden
Über die Ausgaben bei der Internationalen Zusammenarbeit (IZA) entscheidet die grosse Kammer erst am Mittwoch. Im Bereich Sicherheit und Justiz folgte der Nationalrat mit einer Ausnahme den Anträgen seiner Finanzkommission.
Demnach soll die Armee einen Teil der Mehrausgaben selbst durch Effizienzsteigerungen kompensieren. Konkret reduzierte der Nationalrat den Betriebsaufwand der Armee und des Bundesamts für Rüstung (Armasuisse) um insgesamt 50 Millionen Franken.
Zudem beschloss die grosse Kammer Mehreinnahmen. So soll das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) 22 Millionen Franken generieren, indem es den Kantonen die Personenkontrolle durch das Grenzwachtkorps an den Flughäfen Genf und Basel in Rechnung stellt.
SVP kämpft gegen stetiges Ausgabenwachstum
Mehr Sicherheit für die Schweiz, die bewährte Schuldenbremse verteidigen, keine Steuererhöhungen: Diese drei Leitlinien verfolgt die SVP-Fraktion bei der Debatte des Bundesbudgets für das kommende Jahr.
Das Parlament müsse endlich die Augen öffnen und die Prioritäten richtig setzen, sagte SVP-Fraktionssprecher Lars Guggisberg (BE) am Dienstag bei der allgemeinen Aussprache zum Budget 2025. «Wir müssen zur Vernunft kommen und Verantwortung wahrnehmen.»
In den vergangenen Jahrzehnten seien die Finanzen aus dem Ruder gelaufen, so Guggisberg. Die Ausgaben des Bundes hätten sich fast verdreifacht. Gleichzeitig habe sich die Wirtschaftsleistung nur verdoppelt. «Dass der Staat schneller wächst als die Wirtschaft, ist keine gute Entwicklung.» Das Parlament habe die Prioritäten blauäugig gesetzt, sei kurzsichtig und naiv gewesen.
Der SVP gehe es nicht ums Sparen, sagte Guggisberg. «Es geht um weniger Ausgabenwachstum.» Insbesondere die Ausgaben für die soziale Wohlfahrt und für die Entwicklungshilfe müssten gebremst werden. «Wir schicken heute Milliarden von Steuergeldern ins Ausland.»
Stattdessen plädiert die SVP dafür, die Verteidigungsfähigkeit der Armee, die Ernährung und die Landwirtschaft zu stärken. Zudem müsse die «bewährte Schuldenbremse» beibehalten werden. «Die Schulden von heute sind die Steuern von morgen», sagte Guggisberg.
Schliesslich werde die SVP-Fraktion keine Steuererhöhungen befürworten. Der Bund habe ein Ausgaben- und kein Einnahmenproblem.
Für SP-Fraktion ist das beantragte Budget nicht akzeptabel
Die rigide Auslegung der Schuldenbremse wird aus Sicht der SP zunehmend zur Zukunfts- und Investitionsbremse, wie Sarah Wyss (BS) am Dienstag in der Budgetdebatte des Nationalrats sagte. Auch sieht sie nicht ausgeschöpftes Einnahmepotenzial. Das Budget in der Version der Finanzkommission will die SP nicht akzeptieren.
Mit dem Budget entscheide der Rat über die Funktionsweise der Gesellschaft, sagte Wyss namens der SP-Fraktion. Die SP wolle eine nachhaltige und zukunftsorientierte Finanzpolitik. Und: «Das Potenzial der Einnahmen wird nicht ausgeschöpft.»
Kapital sei in der Schweiz unterbesteuert respektive übermässig stark entlastet, fuhr Wyss fort. Dank der Schuldenbremse sei die Schuldenquote rekordtief, und aufgrund dieses Mechanismus würden die Schulden tiefer. Doch diese rigide Auslegung der Schuldenbremse werde zunehmend zur Zukunfts- und Investitionsbremse.
Eine Modernisierung der Schuldenbremse könne das Problem dieser «Abbauspirale» beheben. Die SP wolle sich wehren gegen eine einseitige Abbaupolitik, «getrieben vom Mantra der Schuldenbremse».
Ihre Fraktionskollegin Tamara Funiciello (BE) kritisierte die «planlose Aufstockung» für die Armee. «Wir schmeissen der Armee Geld hinterher, ohne zu wissen, wofür», sagte sie und kritisierte «absolute Planlosigkeit» und «überrissene Aufstockungen».
Stattdessen gelte es, zu überlegen, wie Konflikte vermieden werden könnten. «Frieden kann es geben, aber absolute Sicherheit nicht». Dafür brauche es gute internationale Zusammenarbeit. Eine weitere rote Linie für die SP seien die von der Kommissionsmehrheit beantragten Querschnittkürzungen beim Personal.
Mitte-Fraktion will mit der Schuldenbremse konformes Budget
Die Mitte-Fraktion will beim Budgetieren die Vorgaben der Schuldenbremse einhalten und sich bei der Beratung des Voranschlages 2025 an frühere Parlamentsentscheide halten. «Damit übernehmen wir finanzpolitische Verantwortung und machen verlässliche Politik», sagte Sprecher Pius Kaufmann (LU).
Seine Fraktion wollen den Vorschlägen der Finanzkommission grossmehrheitlich folgen, sagte Kaufmann am Dienstag in der Budgetdebatte des Nationalrates. Er forderte, das Ausgabenwachstum beim Bund zu begrenzen. Nur so könnten wieder struktureller Überschüsse erzielt um Handlungsspielraum zurückgewonnen werden.
«Dazu braucht es Disziplin: Neue Ausgaben müssen konsequent gegenfinanziert werden», sagte Kaufmann. Müsse der Bund von den Kantonen neue Aufgaben übernehmen, muss der Verteilschlüssel der direkten Bundessteuer angepasst werden. Bei neuen Aufgaben muss geprüft werden, welche anderen Aufgaben reduziert werden könnten oder schon weggefallen seien.
FDP-Fraktion will Schuldenbremse verteidigen
Für die FDP-Fraktion sind die Verteidigung der Schuldenbremse und die Stärkung der Sicherheit zwei Prioritäten bei der Diskussion um das Bundesbudget 2025. «Die Staatsprioritäten müssen neu definiert werden», sagte Sprecher Alex Farinelli (TI) am Dienstag im Nationalrat.
Um die Sicherheit zu stärken, müssten andere Bereiche etwas leiden, so Farinelli. Es sei jedoch «unabdingbar, dass die Bundesfinanzen saniert werden». Die öffentlichen Finanzen gerieten sonst «ausser Kontrolle».
Laut der FDP ist die Schuldenbremse ein Volksmandat, das verteidigt werden muss. «Wir können unsere finanzpolitische Verantwortung nicht an die künftigen Generationen überwälzen», sagte Farinelli.
Das bedeute jedoch nicht, dass nicht mehr investiert werde. Die Ausgaben müssten aber weniger stark steigen als in den vergangenen Jahren.
Grüne kritisieren ziellose Aufrüstung bei der Armee
Für die Fraktion der Grünen ist das von der zuständigen Nationalratskommission ausgearbeitete Bundesbudget «nicht annehmbar». Die Aufrüstung bei der Armee erfolge ohne Plan.
«Es gibt in diesem Saal zwei heilige Kühe: die Schuldenbremse und die Armee», sagte Felix Wettstein (Grüne/SO) am Dienstag bei der allgemeinen Aussprache zum Voranschlag 2025. In entscheidenden Punkten gingen die Vorschläge der Finanzkommission «genau in die falsche Richtung».
Dass die Ausgaben für Rüstungsgüter innert eines Jahres um 35 Prozent erhöht werden sollen, bezeichnete Wettstein als falsch. «Man weiss ja nicht einmal, wozu das Geld ausgegeben werden soll.» Er appellierte an den Nationalrat, auf den «Pfad der Tugend» zurückzukehren.
Für die Grünen wären stattdessen Mehrausgaben für Kitas, den regionalen Personenverkehr, den Wald, die ETH, die Forschung und die Kultur angezeigt. «Wir haben Platz dafür.»
GLP fordert Verzicht auf Streichungen bei humanitärer Arbeit
Aus der Sicht der GLP-Fraktion sind die Vorschläge der Finanzkommission für den Voranschlag 2025 nicht ausgewogen und will dem Budget in der Fassung der Kommission nicht zustimmen. Die GLP fordert, auf Streichungen bei der humanitären Hilfe zu verzichten.
Die Bemühungen um einen Haushalt im Lot und für mehr finanzpolitischen Spielraum sei zwar zu begrüssen, sagte Fraktionschefin Corina Gredig (ZH) am Dienstag. Doch die Schweiz sei ein Symbol für Stabilität, multilaterale Kooperation und humanitäre Verantwortung. «Das ist Teil des Schweizer Selbstverständnisses.»
«Humanitäre Verantwortung ist keine Last, sondern eine langfristige Investition», sagte Gredig. Wer Friedensförderung und internationale Stabilität vernachlässige, riskiere Konflikte. Komme das Konzept der Kommissionsmehrheit durch, könne die GLP nicht zustimmen. «Wir wollen das humanitäre Erbe nicht verspielen.»
Für Gredig ist es falsch, die Armee um eine halbe Milliarde aufzustocken und gleichzeitig die humanitäre Tradition aufs Spiel zu setzen. Ebenso bezeichnete sie es als falsch, bei der Landwirtschaft aufzustocken, während alle anderen Bereiche Abstriche in Kauf nehmen müssten.
Keller-Sutter plädiert für weniger rasche Armeeaufstockung
Finanzministerin Karin Keller-Sutter hat zu Beginn der Budgetberatung am Dienstag im Nationalrat vor einer rascheren Aufstockung der Armee gewarnt. «Solange wir nicht wirklich wissen, wie wir das gegenfinanzieren, wird es schwierig.»
Falls das Parlament die Ausgaben für die Armee bereits im Jahr 2030 und nicht erst 2035 auf ein Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) steigern wolle, gebe es finanzpolitisch keinen Handlungsspielraum mehr, sagte Keller-Sutter. «Dann müssen sie vielleicht auch über Mehreinnahmen diskutieren.»
Neben der Armee würden in den kommenden Jahren auch die Ausgaben für die 13. AHV-Rente sowie voraussichtlich für das EU-Forschungsprogramm Horizon Europe und für den EU-Kohäsionsfonds steigen. Dazu kämen laufende Reformprojekte zur Abschaffung des Eigenmietwerts und zur Einführung der Individualbesteuerung. All dies müsse gegenfinanziert werden.
Keller-Sutter sprach von «schmerzhaften Kürzungen», welche die Nationalratskommission im Zuge der Armeeaufstockung beantragt habe. Insbesondere die Sparanträge bei der Internationalen Zusammenarbeit (IZA) seien «problematisch». Es sei wahrscheinlich, dass Projekte abgebrochen werden müssten. Das könne zu einem Reputationsschaden für die Schweiz führen.
SDA/sme
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