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Meinung

US-Wahlkampf
Trump läutet 18 Monate Wahnsinn ein

Donald Trump startet angriffiger und stärker in den Wahlkampf, als noch vor kurzem zu erwarten war.
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Die US-amerikanische Politik war noch nie ein Zen-Kloster, weil alle zwei Jahre Wahlen stattfinden. Wenn sich die daueraufgeregten Amerikaner mal eine Pause gönnen, macht sich rasch ein mulmiges Gefühl breit, wie wenn zu lange nichts zu hören ist aus dem Kinderzimmer. Es sei schon fast «unheimlich ruhig», schrieb «Politico» kurz vor Weihnachten über den Präsidentschaftswahlkampf 2024. Donald Trump hatte soeben den Auftakt seiner Kandidatur verhauen, viele sahen seinen Stern nicht nur sinken, sondern erlöschen. Und Präsident Joe Biden zögerte seinen Kampagnenstart hinaus, liess aber keine Hoffnung aufkommen, er werde Platz machen für frischere Kräfte.

Nun: Die Ruhe ist vorbei, die Fieberkurve der nationalen Aufregung hat diese Woche einen ersten Höhepunkt erreicht.

Satte achtzehn Monate vor dem Wahltag vom 5. November 2024.

Als Taktgeber hat sich einmal mehr Donald Trump behauptet. Dabei schien es nicht gut zu laufen für ihn. Erst Ende März wurde er in New York angeklagt, erstmals stand ein ehemaliger US-Präsident als Angeklagter vor einem Strafrichter. Diese Woche folgte ein Urteil gegen Trump in einem Zivilprozess: Eine neunköpfige Jury kam einstimmig zum Schluss, er habe die Autorin E. Jean Carroll sexuell genötigt.

Trump inszeniert sich als durchsetzungsstarker Macker in einem politischen Spektakel.

Doch Trump schlägt aus diesen Niederlagen politisches Kapital. Das zeigte er am Tag nach dem Urteil mit einem Auftritt beim Sender CNN, der als sein Steigbügelhalter dient. Trump weicht nicht zurück, er gesteht keine Fehler ein, er schimpft und lügt, beleidigt und verhöhnt, kurz: Er inszeniert sich als durchsetzungsstarker Macker in einem politischen Spektakel – und wird dafür mit begeistertem Applaus von der republikanischen Basis belohnt.

Trump entzieht Konkurrenten den Sauerstoff

Das erinnert alles sehr an den Wahlkampf 2016, als der ruchlose Demagoge die Republikanische Partei umzupflügen begann. Bei ihrer Wählerschaft gibt es gemäss Umfragen zwar durchaus einen starken Wunsch, Trump hinter sich zu lassen. Doch der frühere Präsident entzieht mit seiner medialen Dauerpräsenz den anderen Anwärtern jeden Sauerstoff, in Umfragen führt er das republikanische Feld mit grossem Abstand an. Bereits behauptet seine Gefolgschaft, Trump habe sich die Nominierung gesichert, obwohl dafür ein ordentlicher, demokratischer Prozess vorgeschrieben ist, der mit den Vorwahlen im Januar 2024 beginnt und mit dem Parteitag im Juli endet.

Den Wunsch nach frischem Wind gibts auch auf der anderen Seite. Weder Joe Biden noch die Demokratische Partei denken indes daran, es mit anderen Kandidaten zu versuchen. In der Lesart der Optimisten unter den Demokraten kommt die Trump-Fixierung Biden zugute. Er hat Trump 2020 geschlagen, bei den Zwischenwahlen 2022 schnitten dessen Kandidaten schlecht ab, in den Wahlkampf 2024 zieht Trump als Angeklagter in einem laufenden Prozess und weiteren hängigen Strafuntersuchungen. Je provokativer Trump sich verhält, desto einfacher soll es Biden demnach fallen, sich als nüchterne Alternative darzustellen. Als die bessere Wahl.

Bidens Fehlkalkül

Das könnte sich als gefährliches Fehlkalkül erweisen. Biden ist nicht einmal für Demokraten der Wunschkandidat, nicht nur wegen seines hohen Alters. Er kann lange über seine Erfolge in der Wirtschafts- und Klimapolitik reden: Die Amerikaner erleben stark steigende Preise, volatile Finanzmärkte und zunehmende Angst vor einer Rezession. Nur vier von zehn Amerikanern sagen, Biden leiste gute Arbeit. Und seine Noten könnten noch deutlich schlechter werden: Am Donnerstag endete eine Notregelung zur raschen Ausweisung von Migranten. Nun könnten Millionen zusätzliche Einwanderer ins Land kommen und das Asylsystem lahmlegen, das ohnehin am Anschlag ist.

Längst haben sich die US-Amerikaner daran gewöhnt, nicht den besseren, sondern den weniger schlechten Kandidaten zu wählen.

Verwundern sollte es nicht, dass Trump ein mehrheitsfähiger Kandidat ist für jene, die vom Staat im Wesentlichen zwei Dinge erwarten: tiefere Steuern und weniger Einmischung. Längst haben sich die US-Amerikaner daran gewöhnt, nicht den besseren, sondern den weniger schlechten Kandidaten zu wählen.

Bei aller Verehrung, die ein Präsident erfährt, ist die Bevölkerung zutiefst skeptisch gegenüber dem Staat. Nur einer von fünf traut Washington zu, das Richtige zu tun, zwei von dreien denken, dass Politiker nur den persönlichen Vorteil suchen. Dies mit der revolutionären Geschichte zu erklären, würde zu kurz greifen: So tiefe Vertrauenswerte gibt es erst seit den 1990er-Jahren – seit sich die Politik parteipolitisch stark polarisiert hat und die Globalisierung durchschlägt. Inzwischen misstraut die Mehrheit sogar dem Obersten Gericht.

Gespaltener und misstrauischer als 2016

Je grösser das Misstrauen gegenüber den Institutionen, desto bessere Chancen hat Trump, der es nach Kräften schürt. Dabei profitiert er davon, dass die Amerikaner sich ihre Informationen zunehmend in den sozialen Medien selbst zusammensuchen, dem vermeintlichen Ort der unendlichen Freiheit, wo Algorithmen viele in das geistige Gefängnis wilder Verschwörungstheorien locken. Diese sozialen Medien könnten in den nächsten Monaten mit Fälschungen regelrecht überschwemmt werden. Millionenfach lassen sich diese dank künstlicher Intelligenz neuerdings einfach und täuschend echt herstellen, wie die Chefs der grossen Internetkonzerne diese Woche warnten.

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Seine Schlussfolgerung daraus gezogen hat Elon Musk. «Traue nichts, nicht einmal dem Nichts», schrieb der Twitter-Eigentümer, der soeben Tucker Carlson eine neue Heimat angeboten hat, dem bei Fox-News geschassten rechten TV-Kommentator. Das Kalkül der beiden ist simpel: Je grösser die Aufregung, desto mehr Publikum und Aufmerksamkeit – eine harte Währung nicht nur in der Politik, sondern auch in der Internetwirtschaft.

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Die USA wirken zu Beginn des Wahlkampfs 2024 gespaltener und misstrauischer als 2016. Und da wurde Donald Trump gewählt. Er kann sich deswegen gute Chance ausrechnen, noch einmal Kandidat der Republikaner zu werden, trotz aller hängigen Strafermittlungen, trotz des Sturms aufs Capitol im Januar 2021. Damit scheint eine Neuauflage des Duells Biden - Trump unausweichlich. Doch die Vorzeichen sind andere, der Wahlkampf 2024 verspricht noch verrückter und unberechenbarer zu werden als 2016 und 2020 zusammen.

Und es zeichnet sich ab, dass der Kampf nicht am Wahltag enden wird. Schon jetzt weigert sich Trump, zu versprechen, er werde das Resultat akzeptieren.