Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Dank dem Wander-Boom
Schweizer Bergbahnen geht es so gut wie seit zehn Jahren nicht

Ein Mann faehrt mit dem Sessellift von Gaffia nach Furt, mit Blick aufs St. Galler und Churer Rheintal, in Wangs-Pizol, am Mittwoch, 16. Juli 2014. (KEYSTONE/Gian Ehrenzeller)
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk
In Kürze:
  • Eine neue Studie zeigt, dass viele Schweizer Bergbahnen besser rentieren als vor zehn Jahren.
  • Ein Hauptgrund sind gezielte Investitionen in neue Sommerangebote.
  • Künstliche Beschneiung erwies sich als Schlüssel für den Erfolg im Winter.
  • Viele Bergbahnen haben allerdings weiterhin Finanzierungsprobleme.

Noch vor sieben Jahren standen die Pizolbahnen im Sarganserland vor dem Aus. Wegen schneearmer Winter und des starken Frankens fehlten dem Unternehmen jährlich 600’000 Franken in der Kasse. Die Unternehmensführung zog die Notbremse, erarbeitete ein Sanierungskonzept – und gelangte mit einem Hilferuf an den Kanton und die sechs umliegenden Gemeinden. Diese retteten die Bahnen mit Sanierungsbeiträgen von gut vier Millionen Franken.

Heute stehen die Pizolbahnen finanziell viel besser da. Sie investierten in die zuvor fehlende künstliche Beschneiung, was die Erträge in den Wintersaisons steigern half. Gleichzeitig bauten sie das Sommergeschäft stark aus, was die Abhängigkeit vom teuren Wintergeschäft verminderte. Der Sommer 2022 sei bezüglich Umsatz und Gästezahl «der beste in der Geschichte» gewesen, heisst es im letzten Geschäftsbericht.

Der anhaltende Trend, die Freizeit beim Wandern in den Bergen zu verbringen, gab den Pizolbahnen nötigen Rückenwind. Aber eben nicht nur: Entscheidend waren gezielte Investitionen ins Sommergeschäft, namentlich in die Vermarktung der Fünf-Seen-Wanderung als Zugpferd. Zugleich startete das Unternehmen neue Angebote für Familien und Sportbegeisterte, darunter einen Detektivweg, einen Park für Disc Golf (ein Frisbeesportspiel) und Fahrten mit Trottinetts und Mountaincarts (eine Kombination aus geländegängigem Gokart und Schlitten).

Finanzlage der Bergbahnen hat sich stark verbessert

Der Pizol ist nur ein Beispiel dafür, wie sich Schweizer Bergbahnen aus dem Sumpf ziehen – gewisse mit öffentlichen Darlehen, andere aus eigener Kraft. Wie der Branchenverband Seilbahnen Schweiz am Freitag bekannt gab, hat sich die Finanzlage der Bahnen seit dem Ende der Corona-Pandemie stark verbessert. Das zeigt die neuste Studie zur Finanzsituation der Schweizer Bergbahnen der Hochschule Luzern.

Sie hält fest, dass 30 Prozent der Wintersportbahnen und 75 Prozent der Ausflugsbergbahnen über eine gute bis sehr gute Kapitalrendite verfügen, was bedeutet, dass sie genügend Geld für Neuinvestitionen haben. Das ist ein deutlich höherer Anteil als in den vergangenen Studien, die der Bergbahnspezialist Philipp Lütolf, Wirtschaftsprofessor der Hochschule Luzern, verfasst hat.

Lütolf ist der beste Kenner der Finanzlage der Schweizer Bergbahnen. Er untersucht diese seit 2006. Für die Studie im Auftrag von Seilbahnen Schweiz nahm er die finanzielle Situation von 77 Seilbahnunternehmen im Zeitraum 2022/23 und im Mehrjahresvergleich unter die Lupe. Nun sagt er: «Die Schweizer Bergbahnen sind im besten Gesundheitszustand seit zehn Jahren.»

Ein Hauptgrund für die positive Entwicklung ist das wachsende Sommergeschäft – auch bei jenen Betrieben, die bisher als klassische Wintersportbahnen galten. Das betrifft vor allem, aber nicht nur die Voralpengebiete. «Wer werthaltige Angebote schafft mit Sommerattraktionen, welche die Benutzung von mehreren Bahnen erfordern, kann damit gutes Geld verdienen», sagt Lütolf. Als Beispiele nennt er die Gratwanderung auf dem Stoos im Kanton Schwyz – oder eben die Fünf-Seen-Wanderung im Pizol.

Gewisse Bahnen sind noch radikaler vorgegangen. So galten die Brunni-Bahnen in Engelberg OW in Lütolfs früheren Studien als eine klassische Wintersportbahn. Inzwischen haben sie die Abhängigkeit vom Wintersportgeschäft dermassen stark abgebaut, dass sie eine Ausflugsbergbahn mit starkem Frühlings-, Sommer- und Herbstgeschäft geworden sind, der es finanziell gut geht. Die Bergbahnen Sattel-Hochstuckli SZ verabschiedeten sich sogar weitgehend vom Skigeschäft und bieten nur noch ein Übungsgelände für Kinder und andere Einsteiger an.

Künstliche Beschneiung rettet Skigebiete

Als zweiten Schlüssel zum Erfolg bezeichnet Lütolf die künstliche Beschneiung. Ohne diese könnten die Bahnen angesichts der zunehmend milden, schneearmen Winter nicht überleben – und zwar nicht nur in tieferen, sondern auch in mittleren und höheren Lagen.

In den zwei vergangenen Wintern zeigte sich das besonders deutlich: Rund 20 Prozent der untersuchten Seilbahnunternehmen haben im schneearmen Winter 2022/23 höhere Einnahmen erzielt als im schneereichen Winter 2021/22. Investitionen in technische Beschneiungsanlagen seien «von entscheidender Bedeutung für den langfristigen Erfolg», sagt Berno Stoffel, Direktor des Branchenverbandes Seilbahn Schweiz. Wintersportbahnen, die weniger als 20 Prozent ihrer Pisten beschneiten, erzielten im Mehrjahresvergleich niedrigere Kapitalrenditen.

Weitere Gründe für die wirtschaftliche Gesundung der Schweizer Bergbahnen sind steigende Gästezahlen vor allem in den Sommersaisons und höhere Preise. Viele Bahnen führten dynamische Preise ein, was ihnen höhere Erträge einbrachte. Doch auch Bahnen mit starren Preisen gelang es, höhere Preise durchzusetzen.

Ein Viertel kann nicht einmal Ersatzinvestitionen finanzieren

Trotz der deutlichen Erholung im Zehn-Jahres-Vergleich: Vielen Bergbahnen geht es weiterhin mittelprächtig oder sogar schlecht. So erwirtschaften zwar 45 Prozent der Wintersportbahnen gemäss Lütolfs Studie eine genügend grosse Kapitalrendite, um zumindest die Ersatzinvestitionen zu finanzieren. Allerdings sind viele von ihnen auf günstige Bankkredite, Kapitalerhöhungen oder Darlehen der öffentlichen Hand angewiesen. Finanzierungsprobleme entstehen bei ihnen insbesondere vor mittelgrossen oder grossen Investitionen.

25 Prozent der Seilbahnen verfügen sogar über eine ungenügende Kapitalrendite. Das bedeutet, dass sie ohne bedeutende Zuschüsse von aussen – zum Beispiel in Form von Darlehen durch Bund, Kantone und Gemeinden – nicht einmal die Ersatzinvestitionen zahlen können. Überleben können sie damit langfristig nicht.

Ein Sanierungsfall sind beispielsweise die Belalp und Grächen, beide im Wallis. Die Belalp leidet nach übertriebenen Investitionen unter einer grossen Schuldenlast. Die dortigen Bahnen können selbst zinslose Darlehen von Kanton und Gemeinden nicht mehr zurückzahlen. Die Touristische Unternehmung Grächen AG ist sogar in der Nachlassstundung. Nun will eine schweizerisch-französische Investorengruppe beide Bahnen übernehmen und retten.

In grossen finanziellen Schwierigkeiten stecken auch die Bergbahnen von Tschiertschen in Graubünden. Sie können nur überleben, weil im vergangenen Jahr mit einer Kapitalerhöhung 1,2 Millionen Franken zusammenkamen und weil die Gemeinde beschloss, jährlich einen Beitrag von 200’000 Franken zu zahlen. Damit ist der defizitäre Skibetrieb auf zehn Jahre hinaus gesichert.

Aus den roten Zahlen wollen die Bahnen von Tschiertschen nun kommen, indem sie mit einer neuen Ferienwohnungsanlage mehr Übernachtungsgäste anlocken. Das sollte die Gästezahlen bei den Bergbahnen erhöhen. Wenn das gelingt, soll als Nächstes in eine durchgängige künstliche Beschneiung investiert werden, um die Wintersaison auf hundert Tage zu verlängern.

Bereits die nächste Stufe zünden wollen derweil die Pizolbahnen: Sie haben unlängst angekündigt, noch mehr ins Sommergeschäft zu investieren, um die Abhängigkeit von dem je nach Schneelage immer noch defizitären Wintergeschäft weiter zu vermindern. Beispielsweise sollen mit einer Fussgänger-Hängebrücke zahlreiche neue Wandermöglichkeiten zwischen den beiden teuren und personalintensiven Gondelbahnen geschaffen werden. Damit könnten diese deutlich besser ausgelastet werden, so die Hoffnung.