Skurrile Fälle aus der MedizinTödliche Verletzungen am Strand
Sommer, Sonne, Wind und Sand – diese Kombination kann fatal enden. Furchtbare und denkwürdige Beispiele.
Ein starker Mistral blies an der französischen Mittelmeerküste, als Strandbesucher einen Mann aus dem Wasser Richtung Strand taumeln sahen. Dort brach er bewusstlos zusammen.
Eine Stunde später starb er, trotz Reanimationsversuchen. An der rechten Wange und am linken Ellbogen hatte er kleinere Schürfungen und Blutergüsse. Die schlimmsten Verletzungen wies er am Kopf auf: ein Loch im Schläfenknochen, einen Wundkanal im Gehirn und schwere Hirnverletzungen.
Die dadurch verursachte Hirnblutung erstreckte sich bis hinüber zum intakten linken Schläfenknochen. Der Abstand der beiden Schläfenknochen betrug 13 Zentimeter. Das Loch im Schädel hatte einen Durchmesser von sechs Millimetern.
Diese Verletzung glich einer Schussverletzung. Doch da war keine Kugel.
Ein Zeuge erinnerte sich, dass er einen Strandschirm hatte davonfliegen sehen. Die Polizei fand diesen 4,2 Kilo schweren Schirm: Der Durchmesser der kräftigen Schirmspeichen betrug exakt sechs Millimeter. An den Enden der Speichen waren Plastikteile befestigt. Eines davon war um 13 Zentimeter zur Mitte hin verschoben. Die Speiche passte exakt in das Loch im Schädelknochen des Verstorbenen. Der Strandschirm hatte ihn getötet.
Diesen tragischen Unfall schilderten französische Rechtsmediziner 2015 im «International Journal of Legal Medicine». Eine Hochrechnung für die USA ergab, dass von 2000 bis 2019 über 5500 Unfälle mit Strandschirmen passierten, die so schwerwiegend waren, dass die Verunfallten Notfallambulanzen aufsuchten. Laut dem «Journal of Safety Research» kamen die Betroffenen meist mit Hautwunden am Kopf oder Hals.
Im Sand verschüttet
Strandschirme sind indes nicht die einzige Gefahr am Strand. Eine andere ist der Sand. Ein Elternpaar hatte seine drei Kinder noch gewarnt, nicht zu tief zu buddeln, wie die Fachzeitschrift «Travel Medicine and Infectious Diseases» berichtete. Doch die Knaben im Alter von 11, 13 und 15 Jahren konnten es nicht lassen.
Während Mutter und Vater in den Ferien im australischen Queensland einen Strandspaziergang machten, gruben die Söhne drei etwa zwei Meter tiefe Löcher. Von dort aus wollten sie mehrere Tunnel miteinander verbinden. Dann brachen die Sandwände ein.
Der Jüngste konnte sich selbst befreien und Hilfe holen. Der Mittlere steckte bis zum Hals fest und benötigte Sauerstoff zum Atmen. Nach eineinhalb Stunden konnten ihn Polizisten freischaufeln. Der Älteste wurde komplett verschüttet. Er starb.
Das gleiche Schicksal ereilte an einem kalifornischen Strand einen 19-Jährigen. Der Tourist aus Korea legte sich rücklings in ein 2,4 Meter tiefes Sandloch und fotografierte von dort seine Freunde oben. Dann stürzte der Sand auf ihn hinab. Auch er wurde tot geborgen.
Sandtemperatur von 48 Grad und mehr
Gefährlich sind auch grosse Sandhaufen und -dünen, auf denen Kinder spielen oder graben und die jäh ins Rutschen geraten. Ein Kubikmeter trockener Sand wiegt rund 1,6 Tonnen, ein Kubikmeter nasser Sand sogar fast zwei Tonnen. Ein Bruchteil davon presst einem Kind den Brustkorb so zusammen, dass es nicht mehr atmen kann. Gelingt es ihm noch, irgendwie Luft zu holen, verstopft der Sand die Luftwege.
Dann doch lieber am Strand laufen – aber bitte nicht barfuss wie ein 27-Jähriger an einem kalifornischen Hundestrand. Eine Stunde lang rannte er dort an einem Sommernachmittag mit seinem Hund herum. Danach konnte der Mann nur noch mit Mühe gehen. Der Grund: Verbrennungen ersten und zweiten Grades an beiden Füssen.
Bei einer Aussentemperatur von rund 32 Grad erhitze die Sonnenstrahlung den Sand auf 48 Grad und mehr. Bei solchen Temperaturen gehen die Hautzellen kaputt – zu viel für die Haut, wie ein Dermatologe im Fachblatt «Cureus» erläutert.
Ungewöhnlicher Befund im MRI
Verglichen mit diesen Menschen, hatte der Strandbesuch für einen Elfjährigen in Kalifornien zwar lästige, aber wenigstens harmlose Folgen. «The Neuroradiolgy Journal» berichtete über ihn.
Um seinen wiederkehrenden Kopfschmerzen auf den Grund zu gehen, sollte er im MRI untersucht werden.
Doch schon auf den ersten Aufnahmen waren auf der Kopfhaut lauter störende magnetische Herde zu sehen, die die Bilder unbrauchbar machten. Die Untersuchung wurde abgebrochen. Einem Mitarbeiter fiel auf, dass der MRI-Scanner von lauter kleinen, schwarzen Teilchen bedeckt war.
MRI-Bilder werden mithilfe starker Magnete erstellt. Deshalb dürfen die Patienten während der Untersuchung keine magnetischen Teile auf sich tragen. Bei diesem Knaben hatte der Magnetdetektor aber nicht angegeben.
Des Rätsels Lösung: ein Strandbesuch am Vormittag in der Nähe von San Francisco. Der schwarze Sand dort enthält das eisenhaltige Mineral Magnetit – eine geologische Besonderheit. Der Knabe mit dem Sand im Haar wurde heimgeschickt zum Baden, das MRI-Gerät gereinigt und die Untersuchung neu anberaumt.
Mit dieser Folge endet die 2009 begonnene Kolumne über höchst ungewöhnliche Fälle aus der Medizin in dieser Publikation.
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