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Gefährlicher Wettbewerb
Chili-Esser schrammt haarscharf am Tod vorbei

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«Der schärfste Burger der Nation» – so pries das Restaurant in der Bay Area bei San Francisco seinen Hamburger mit «Geisterpfeffer-Püree» an. Gäste, die diesen Hamburger assen, wurden zur Erinnerung fotografiert und mit einem Aufkleber belohnt. Das Foto kam anschliessend an die Ehrenwand im Restaurant, «Wall of Flame» genannt.

Die Sauce enthielt drei verschiedene Sorten Chili, darunter den in Indien angebauten «Geisterpfeffer». Mit einer Schärfe von über 1’000’000 Scoville Heat Units (SHU) galt diese Chilisorte einige Jahre als die weltweit schärfste. Die Scoville-Skala gibt die Schärfe von Paprika-Früchten an. Zum Vergleich: Tabasco hat etwa 5000 bis 10’000 SHU. 

Der Habanero, die zweite Zutat in dieser Sauce, wartete mit weniger als halb so vielen SHU auf. Abgerundet wurde das Ganze durch den karibischen «Scotch Bonnet»-Chili. Bei der Zubereitung des «Geisterpfeffer-Pürees» trugen die Angestellten des Restaurants in der Küche angeblich Handschuhe und Gasmasken.

Sechs Gläser Wasser gekippt

Nur jeder zehnte Gast, der den «schärfsten Burger der Nation» bestellte, schaffte es auch, ihn zu essen. Der 47-Jährige stellte sich dem Wettkampf.

Kaum hatte er den «XXX Burger» verspeist, brach ihm der Schweiss aus, Tränen liefen ihm über die Wangen, seine Haut wurde rot, sein Mund brannte höllisch, er sah nicht mehr richtig und er litt unter entsetzlichen Bauchschmerzen. In seiner Not trank der Mann sechs grosse Gläser Wasser.

Sein Körper versuchte mit aller Kraft, den «schärfsten Burger der Nation» wieder loszuwerden. Heftig würgend übergab sich der 47-Jährige mehrmals. Seine Schmerzen im Oberbauch und im Brustkorb steigerten sich ins Unerträgliche. Er rief den Notdienst. 

Der Magen-Cocktail half nicht

Schwitzend, mit hohem Blutdruck und rasendem Puls traf der Kranke mit der Ambulanz auf der Notfallstation ein. Die Ärztin verabreichte ihm einen «Magen-Cocktail» mit einem lokalen Betäubungsmittel und einem Medikament gegen zu viel Magensäure, dazu einen Säureblocker und ein starkes Schmerzmittel, um den Effekt des Chilipürees zu dämpfen.

Doch die Kur schlug nicht an. Die Schmerzen blieben, das Würgen ebenfalls. Zu allem sank nun auch der Sauerstoffgehalt im Blut des Patienten. 

Vielleicht waren beim Erbrechen Speisereste in die Lunge geraten, vermutete der Radiologe, als er das Röntgenbild des Patienten sah. Dem Facharzt fiel ein Detail auf, das die Notärzte zuvor übersehen hatten: Der Kranke schien Luft unter der Haut am Hals zu haben. 

Zwiebeln im Brustkorb

Der Sauerstoffgehalt in seinem Blut sank weiter, der 47-Jährige wurde immer unruhiger. Um Klarheit zu erhalten, kam der Patient zur Durchleuchtung in den Computertomografen – und von dort ging es subito weiter in den Operationssaal, denn die Diagnose war lebensbedrohlich.

Als die Chirurgen den Brustkorb öffneten, blickten sie in der Mitte des Brustkorbs auf Reste des Hamburgers, Zwiebeln sowie andere unappetitliche Dinge – und auf einen 2,5 Zentimeter langen Riss in der Speiseröhre. Sie war beim heftigen Erbrechen gerissen, sodass sich ein Teil des Mageninhalts in den Brustkorb ergoss. Ein Lungenflügel war in sich zusammengefallen. 

Der 47-Jährige war nicht der erste Patient mit Speiseröhrenriss. In der Fachliteratur erwähnt wurde die «Geschichte einer schweren, zuvor noch noch nie beschriebenen Krankheit» erstmals anno 1724 vom niederländischen Medizinprofessor Hermann Boerhaave. Das damalige Opfer war ein holländischer Admiral, der nach einem Festessen erbrechen musste. Kurz danach klagte er über Schmerzen im Brustkorb. 24 Stunden später war er tot. 

Bis zu vier von zehn Betroffenen sterben

Dieses Schicksal hätte auch den Wettesser in Kalifornien ereilt, wäre er nicht rasch operiert und antibiotisch behandelt worden. Selbst mit Behandlung sterben bis zu 40 Prozent der Patienten. Denn mit den Essensresten gelangen Bakterien und Magensäure in den Brustkorb, was zur massiven Entzündung und zu Komplikationen führt. Die Luft, die dabei ins Innere des Brustkorbs gelangt, ist manchmal auf dem Röntgenbild erkennbar. 

Opulente Mahlzeiten und reichlich Alkohol zählen zu den Risikofaktoren des «Boerhaave-Syndroms», das Schätzungen zufolge jährlich etwa drei von einer Million Menschen betrifft, typischerweise Männer mittleren Alters. 

Zwei Wochen lang künstlich beatmet

Der 47-Jährige kam nach der Operation für 14 Tage an die Beatmungsmaschine auf der Intensivstation. Rund drei Wochen nach der denkwürdigen Mahlzeit konnte er das Spital wieder verlassen, berichtete «The Journal of Emergency Medicine». Der «Geisterpfeffer-Burger» wird in dem Restaurant inzwischen nicht mehr angeboten.

In einer früheren Version stand fälschlicherweise, dass «Geisterpfeffer» eine Schärfe von über 100’000 Scoville Heat Units hat. Korrekt ist über 1’000’000. Die Autorin bittet den Fehler zu entschuldigen.