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Meinung

Gastbeitrag zur Todesstrafe
Die Schweiz lässt sich von Saudi­arabien blenden

Sultan Saad Alfareh, Mitglied der saudi-arabischen Delegation, Mitte, spricht zu Schweizer Delegation mit Nationalrat Hans-Peter Portmann, FDP-ZH, vorne links, und Staenderat Erich Ettlin, Mitte-OW, vorne-rechts, neben seiner Delegation, bei einem Arbeitsbesuch von ein Delegation des Koenigreich Saudi-Arabien waehrend der Sommersession der Eidgenoessischen Raete, am Dienstag, 28. Mai 2024 im Bundeshaus in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
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199 Personen wurden in Saudiarabien in diesem Jahr bis zum 30. September hingerichtet – so viele wie seit 1990 nicht mehr. Besonders schockierend: Mindestens 53 Hinrichtungen erfolgten im Zusammenhang mit Drogendelikten, was nach internationalen Menschenrechts­standards rechtswidrig ist. Die Verurteilten hatten oft keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand, «Geständnisse» wurden erzwungen und die Standards für faire Gerichtsverfahren routinemässig missachtet.

Dabei verspricht das saudische Königreich seit Jahren, die Anwendung der Todesstrafe einzuschränken – ein Versprechen, das immer wieder gebrochen wird. Trotzdem bleibt die Kritik aus den meisten Staaten, auch aus der Schweiz, ziemlich verhalten. Während die Schweizer Regierung die breite Anwendung der Todesstrafe im Iran wiederholt öffentlich anprangerte, bleibt die Reaktion auf die schweren und grausamen Menschenrechtsverletzungen in Saudiarabien mutlos.

Vertreterinnen und Vertreter der Regierung weisen in Gesprächen gern auf die Fortschritte hin, die Saudiarabien unter Kronprinz Mohammed bin Salman im Bereich Menschenrechte erzielt habe. So dürften Frauen jetzt sogar Auto fahren. Dass die mutigen Frauenrechts­aktivistinnen, die sich für dieses Recht eingesetzt haben, weiterhin im Gefängnis sitzen, wird verschwiegen.

Handelsvolumen zwischen Schweiz und Saudiarabien verdoppelt

Die aussenpolitischen Leitlinien zur Förderung der Menschenrechte schreiben fest, dass sich die Schweiz für eine Welt ohne Todesstrafe einsetzt. Sie geraten, wenn es um Saudiarabien geht, rasch in den Hintergrund. Saudiarabien ist im Wirtschafts- und Sicherheitsbereich ein wichtiger Partner für viele europäische Länder und ist nach der Invasion Russlands in der Ukraine zu einem wichtigen Energielieferanten geworden. Zudem ergeben sich durch das saudische Modernisierungsprogramm «Vision 2030», das die Abhängigkeit vom Erdöl beenden und die Wirtschaft liberalisieren will, lukrative Möglichkeiten für ausländische Investorinnen und Investoren.

Diese Chancen will sich die Schweiz nicht entgehen lassen. Tatsächlich verdoppelte sich das Handelsvolumen zwischen der Schweiz und Saudiarabien zwischen 2021 und 2023 und erreichte 2023 einen Wert von 6,9 Milliarden Franken. Es gibt Pläne, diese Beziehungen weiter zu intensivieren. 

Die Schweiz lässt sich von den Wachstumsmöglichkeiten und dem Glanz des Königreichs blenden und verzichtet für allfällige Gewinne auf einen offenen und anspruchsvollen Dialog über Menschenrechte. Damit steht sie leider nicht allein: Saudiarabien gelingt es, durch milliardenhohe Investitionen – etwa in die Sportindustrie – berühmte Werbeträger wie Lionel Messi oder Rafael Nadal zu gewinnen, die helfen sollen, das Image des Landes aufzupolieren und von den Menschenrechtsverletzungen abzulenken.

Hierzulande scheint dies bestens zu funktionieren: Die Schweiz übernimmt lieber die leeren Floskeln der Imagekampagne Saudiarabiens, als sich aktiv für die Achtung der Werte einzusetzen, die sie sich sonst gross auf die Fahne schreibt.

Natalie Wenger ist Länderverantwortliche für Saudiarabien bei Amnesty International Schweiz. Dieser Text erscheint anlässlich des Internationalen Tags gegen die Todesstrafe am 10. Oktober.