Auch Ständerat sagt NeinSchweiz kündigt Europäische Menschenrechtskonvention nicht
Das Parlament hat eine SVP-Motion definitiv verworfen, die eine Kündigung der Europäischen Menschenrechtskonvention forderte. Nach dem Nationalrat hat auch der Ständerat Nein gesagt.
Das Parlament will keine Kündigung der Europäischen Menschenrechtskonvention. Nach dem Nationalrat hat am Mittwoch auch der Ständerat eine entsprechende Motion aus den Reihen der SVP abgelehnt.
Jakob Stark (SVP/TG) verlangte, dass die Schweiz die Konvention auf den nächstmöglichen Termin kündigen solle. Der Rat verwarf den Vorstoss am Mittwoch aber mit 37 zu 6 Stimmen bei einer Enthaltung. Am Vortag hatte der Nationalrat einen gleichlautenden Vorstoss abgelehnt. Die Motionen sind damit vom Tisch.
Hintergrund ist das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Fall der Klimaseniorinnen im April 2024. Der Gerichtshof hielt darin fest, dass die Schweiz ihren menschenrechtlichen Verpflichtungen beim Klimaschutz nicht nachgekommen sei. Kritikerinnen und Kritiker monieren, mit dem Urteil würden demokratische Entscheidungen ausgehebelt.
Die SVP sah darin eine unzulässige Ausweitung der Rechtsprechung. Statt sich auf den Schutz von Grundfreiheiten und individuellen Rechten zu konzentrieren, hebelten die Strassburger Richter demokratische Entscheidungen aus.
In der Sommersession hatten beide Räte das Klima-Urteil in Erklärungen kritisiert. Wie schon im Nationalrat wollte nun aber auch im Ständerat eine Mehrheit keine Kündigung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK).
«Zeit, die Notbremse zu ziehen»
Das Klima-Urteil sei für ihn noch immer nicht fassbar, sagte Stark. Derartige Urteile seien nicht umsetzbar, sie überforderten schlicht das System. «Es ist an der Zeit, die Notbremse zu ziehen.» Der Thurgauer Ständerat argumentierte, ohne eine Reform drohe die Akzeptanz der Grundfreiheiten und Menschenrechte zu erodieren.
«Wenn ich nach Europa blicke, ist für mich klar, dass wir noch mehr für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte tun müssen», sagte Franziska Roth (SP/SO). Sie widersprach auch der Einschätzung, es gehe beim Menschenrechtsschutz ausschliesslich um Abwehrrechte. Die Schweiz habe längst auch soziale, kulturelle und wirtschaftliche Grundrechte anerkannt. Menschenrechtspolitik und Klimapolitik seien daher unteilbar.
Kritik von Amnesty
Schon im Vorfeld der Debatten in den beiden Räten hatte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International Kritik geübt. Die Schweiz sende damit ein gefährliches Signal an Staaten wie Russland, die Türkei oder Ungarn, die den gemeinsamen Menschenrechtsschutz bereits frontal angriffen.
Daniel Jositsch (SP/ZH) warf dem Gerichtshof vor, seine Rolle missverstanden zu haben. Einen Rückzug der Schweiz lehnte er dennoch ab: «Wir müssen nicht die Notbremse ziehen, sondern die Richtung ändern.»
Auch Daniel Fässler (Mitte/AI) warf dem Gerichtshof vor, er habe das völkerrechtliche Konsensprinzip missachtet. Dabei geht es darum, dass die Bindung eines Staates an eine Vorschrift des Völkerrechts grundsätzlich von dessen Zustimmung abhängig ist. Auch Fässler war aber der Ansicht, eine Kündigung der EMRK würde der Schweiz schlecht anstehen.
Gefahr der Isolation
Justizminister Beat Jans bekräftigte in der Debatte die frühere Kritik des Bundesrats am Klima-Urteil. Er vertrat aber die Ansicht, eine Kündigung der EMRK brächte für die Schweiz gravierende Nachteile. Denn eine Kündigung würde zum Ausscheiden der Schweiz aus dem Europarat und zu einer aussenpolitischen Isolierung führen.
Der Kritik am Klima-Urteil will die Landesregierung dennoch Taten folgen lassen. Er empfahl eine Motion von Andrea Caroni (FDP/AR) zur Annahme.
Für Auftrag an Bundesrat
Der Ausserrhoder Ständerat will, dass die Schweiz gemeinsam mit anderen Staaten darauf hinwirkt, dass sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte auf seine Kernaufgabe besinnt.
Verhindert haben möchte Caroni namentlich, dass durch eine aus seiner Sicht ausufernde Auslegung der legitime Ermessensspielraum von Staaten eingeschränkt wird. Zudem wendet er sich gegen eine Ausweitung der Verbandsbeschwerde durch das Strassburger Gericht.
Der Ständerat hiess den Vorstoss mit 32 zu 12 Stimmen ohne Enthaltung an. Als Nächstes muss der Nationalrat darüber befinden.
Konkret regte Caroni die Aushandlung eines Zusatzprotokolls zuhanden des Gerichtshofs an. Gegen seinen Vorstoss stellte sich unter anderem Céline Vara (Grüne/NE). Von politischem Druck unabhängig zu sein, sei die Kernaufgabe von Richtern, sagte sie.
SDA/aeg
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