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Interview über Bestattungen
«Der Tod findet in der Schweiz hinter verschlossenen Türen statt»

Krematorium Bern auf dem Bremgartenfriedhof, mit einer klassischen Fassade und umgeben von Bäumen und Grünflächen.
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Was passiert mit uns in einem Krematorium? Was arbeiten dort für Menschen, und wie denken sie über den Tod nach? Woher kommt das Bedürfnis in der Bevölkerung nach alternativen, individuellen Bestattungsmethoden? Stirbt der Friedhof aus? Und wie ist das alles in der Schweiz eigentlich geregelt? All diesen Fragen geht Lea Schepers in ihrem Podcast «Urne, Wald oder 1.-August-Rakete: Wohin mit meiner Asche?» nach. Der Beitrag ist einer von zehn für den Wettbewerb nominierten Hörstücken am Sonohr-Festival – dem schweizweit einzigen Radio- und Podcast-Festival.

Lea Schepers, wie wollen Sie sich dereinst bestatten lassen?

Ich möchte mich kremieren lassen. Was dann mit meiner Asche geschehen soll, das weiss ich noch nicht.

Wieso?

Weil ich noch nicht weiss, wo der Ort meiner letzten Ruhe sein könnte. Meine Hoffnung ist, dass das so lange noch kein Thema sein muss, bis ich weiss, wo dieser Ort ist.

Warum die Kremation?

Tatsächlich hat die Arbeit an diesem Podcast viel verändert. Zuvor fand ich die Vorstellung, mich verbrennen zu lassen, gelinde gesagt schwierig. Das Feuer machte mir Angst. Durch den Besuch im Krematorium hat sich das aber geändert.

Porträtfoto von Lea Schepers, lächelnd in einem roten Rollkragenpullover vor weissem Hintergrund, aufgenommen am 18. März 2021.

Inwiefern?

Was mich beeindruckt hat, ist die Hingabe, mit der die Menschen dort ihre Arbeit machen. Wie reflektiert und sorgfältig sie sind. Ich bin sehr dankbar, dass es diese Menschen gibt. Ich habe durch diese Erfahrung heute auch weniger Angst vor dem Tod, weil ich weiss, was mit mir, meinem Körper, passieren wird. Ich weiss nun, dass ich in guten Händen sein werde, dass es Leute gibt, die mich auffangen. Irgendwie beruhigt mich der Umstand, dass der Tod für diese Menschen etwas Alltägliches ist.

Heute wollen sich 9 von 10 Menschen kremieren lassen. Im Jahr 2000 waren es noch 70 Prozent. Und vor 75 Jahren gar nur 20 Prozent. Woher dieser Wandel?

Das hat verschiedene Gründe. Sicher hat das auch mit dem Bedeutungsverlust der Religion zu tun. Tatsächlich gibt es aber auch die Angst davor, lebendig begraben zu werden. Viele wollen durch die Kremierung auch einfach sichergehen, dass sie dann auch wirklich tot sind. Das habe ich jedenfalls in meinem Umfeld oft gehört. Was sich in meiner Recherche aber vor allem gezeigt hat, ist, dass die sogenannte Aschefreiheit in der Schweiz einen grossen Einfluss hat.

Was bedeutet Aschefreiheit?

Eigentlich in der ganzen Schweiz, ein paar Gemeinden ausgenommen, kann man mit der Asche mehr oder weniger tun und lassen, was man will. Da sind Friedhöfe nicht mehr so beliebt. Nicht religiöse Menschen wollen heute selber bestimmen, wo man sich dereinst an sie erinnern wird. Das passt ja auch irgendwie in unsere Zeit.

«Das Naturnahe liegt sehr im Trend. Die Menschen wollen nach ihrem Ableben zurück in die Natur.»

Sie haben sich erkundigt, wie sich Menschen bestatten lassen wollen. Was haben Sie so gehört?

Das Naturnahe liegt sehr im Trend. Das sagt auch der Verband der Bestattungsdienste der Schweiz. Die Menschen wollen nach ihrem Ableben zurück in die Natur. Die meisten möchten ihre Asche an einem vertrauten Ort, im eigenen Garten etwa, im Wald oder in einem Fluss verstreuen lassen. Aber es gibt auch ausgefallenere Ideen.

Zum Beispiel?

Jemand hat mir erzählt, er möchte seine Asche in eine 1.-August-Rakete abfüllen und dann an einem Fest hochgehen lassen.

Und das ist tatsächlich erlaubt?

Zwar ist das in jeder Gemeinde etwas anders geregelt. Aber grundsätzlich gilt Asche als natürlich, deshalb wäre das mit der Rakete erlaubt, ja. So wie es auch erlaubt ist, seine Asche zum Beispiel aus dem Flugzeug streuen zu lassen. Es gibt Unternehmen in der Schweiz, die das anbieten. Sowieso gibt es wirklich alles: von der Ballonflugbestattung bis hin zur Wasserfallbestattung. Man kann seine Asche auch in ein Schmuckstück, zum Beispiel in einen Ring, verarbeiten lassen. Oder sie in einer Kapsel auf den Mond fliegen lassen, sofern man sich das leisten kann.

Eingang des Krematoriums Bern auf dem Bremgartenfriedhof mit einem Schild im Vordergrund.

Der Fantasie sind also quasi keine Grenzen gesetzt.

Das Bestattungswesen ist auf Gemeindeebene geregelt, und man sollte sich besser vorher informieren. Aber ja. Auch ich ertappte mich dabei, wie ich nach immer noch verrückteren Bestattungsarten suchte. Bis ich merkte: Stopp, hier geht es um Menschen. Und das hat mich zurück auf den Boden geholt.

Spielt bei der Wahl der Bestattung heute auch ein ökologisches Bewusstsein eine Rolle?

Bei den Leuten, mit denen ich gesprochen habe, war das kein Thema. Ich weiss aber, dass die beiden in der Schweiz zugelassenen Bestattungsarten, Kremation und Erdbestattung also, nicht so unbedenklich sind, wie man meinen würde. Die Kremation benötigt Gas und Strom, sie verursacht hohe CO2-Emissionen und hinterlässt toxische Filterrückstände. Bei Erdbestattungen landen Herzschrittmacher, künstliche Gelenke, Kleidungsstücke und Medikamentenrückstände im Boden.

Seit einiger Zeit wird über alternative Formen diskutiert. Etwa über die sogenannte Terramation. Da lässt man sich gewissermassen kompostieren. Was haben Sie darüber erfahren?

Zur Zeit meiner Recherchen war das noch nicht so aktuell. In Zürich läuft dazu eine Art Pilotprojekt. Noch ist diese Bestattungsmethode nicht sehr stark erforscht. Aber grundsätzlich ist das natürlich eine sehr schöne Idee und passt zum Trend «Zurück zur Natur». Ich kann mir vorstellen, dass sich da viele Leute dafür interessieren könnten.

«Es ist sehr wichtig, diese Fragen für sich zu beantworten, sonst tut es nämlich jemand anderes.»

Sie stellen diese Frage auch in Ihrem Podcast: Sterben Friedhöfe aus?

Ich habe diese Frage Rolf Steinmann, dem damaligen Leiter des Bestattungsamts der Stadt Zürich, gestellt. Und er sagt klar: Nein. Friedhöfe sind für eine Stadt und ihre Bevölkerung immer noch wertvolle Orte und haben eine wichtige Funktion. Neben der religiösen Bedeutung sind Friedhöfe Orte der Ruhe und der Einkehr. Orte, wo man noch bewusst trauern oder schlicht über die Endlichkeit nachdenken kann. Für viele gehört zu einer Städtereise ja auch ein Friedhofsbesuch dazu – auch für mich. Deshalb ist es für mich nur schwer vorstellbar, dass sie ganz verschwinden. Sie verändern sich vielleicht einfach nur.

Was hat Sie während Ihrer Reportage am meisten verblüfft?

Wie sehr der Tod und das Sterben immer noch Tabus sind. Es ist eine Art Parallelwelt. Ich habe all die Menschen getroffen, die berufsbedingt täglich mit dem Tod konfrontiert sind und sich mit dem Sterben auseinandersetzen. Diese Menschen haben mich tief beeindruckt. Dann war meine Reportage zu Ende, und irgendwie war es, als ginge eine Tür zu. Von einem Tag auf den anderen waren die Themen aus meinem Leben wieder verschwunden. Der Tod findet in der Schweiz hinter verschlossenen Türen statt.

Was nehmen Sie mit aus dieser Reportage?

Ich habe gelernt, dass es sehr wichtig ist, diese Fragen für sich zu beantworten, sonst tut es eines Tages nämlich jemand anderes. Mein Fazit ist: Sprechen Sie darüber, informieren Sie Ihre Angehörigen, halten Sie Ihre Wünsche fest. Fachpersonen sagen, es sei besser, wenn Angehörige im Trauerprozess nicht auch noch Entscheidungen treffen müssten. Je mehr vorher schon klar und besprochen worden ist, desto mehr Platz bleibt für die Trauer.