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Shopping auf Temu und Shein
EU sagt der Billig-Warenflut aus China den Kampf an

Symbolbild: Eine Person shoppt mit ihrem iPad auf der Shein-APP, fotografiert am Freitag, 1. Maerz 2024 in Zuerich. (KEYSTONE/Christian Beutler)
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In Kürze:
  • Chinesische Shoppingplattformen erobern den europäischen Onlinehandel.
  • Nun nimmt sich die EU des Kampfs gegen unsichere Produkte von Aliexpress, Temu oder Shein an.
  • Mehrere EU-Staaten fordern konsequentere Strafen gegen Regelverstösse.
  • Die Zollfreigrenze von 150 Euro soll laut EU-Politikern schnell fallen.

Wenn Katzen shoppen könnten, sie würden Temu lieben. Kratzbäume in allen Formen und Farben, automatisch rollende Spielzeugbälle oder Dampf-Pflegebürsten mit USB-Aufladefunktion, jeweils Zehntausende Male verkauft, stehen in den Bestsellerlisten der chinesischen Shoppingplattform weit oben.

In gut eineinhalb Jahren hat Temu den europäischen Onlinehandel erobert, bietet eine der beliebtesten Smartphone-Apps an, hat mehr als 45 Millionen monatliche Kunden in der EU. In der Schweiz setzten Temu, Shein und Aliexpress laut der Agentur Carpathia bereits 2023 Waren im Wert von rund einer Milliarde Franken um. Die Preise sind niedrig, die Auswahl vom Teddy bis zur Autowaschbürste grenzenlos. Es gibt nichts, was es nicht gibt? Bei Temu stimmt das.

Das Geschäftsmodell der Plattform, das chinesische Hersteller und Händler direkt mit Kunden in Europa verbindet, ist revolutionär und geht weit über das Prinzip Amazon hinaus. Die Ware kommt direkt aus Fabriken, verschickt per Flugzeug in kleinen Paketen, vorbei an Europas Zoll- und Kontrollbehörden, die Pakete mit einem Warenwert unter 150 Euro bislang einfach durchwinken. Das ist so genial, wie es gefährlich ist.

Wohl um vier Milliarden Pakete aus China landen 2024 in Europa

Denn spätestens mit dem Import fängt eine Reihe von Problemen an, die inzwischen so gross sind, dass die EU Temu, dem Billig-Modehändler Shein und der Shoppingplattform Aliexpress ihre Grenzen aufzeigen will. Schätzungen zufolge werden bis Ende dieses Jahres vier Milliarden Pakete an die Haus- und Wohnungstüren der Europäer geliefert.

80 Prozent der Produkte stammen aus China. Und davon sind derart viele mit Chemikalien verseucht, für Kinder gefährlich oder ohne Elektro-Prüfsiegel, dass sich Europas Bürger gerade massenweise illegale Ware ins Haus holen. Dem stehen zwar klare EU-Standards entgegen, aber die Behörden sind überfordert.

Die Europäische Kommission hat Temu, Shein und Aliexpress deshalb auf mehreren Ebenen den Kampf angesagt: Sobald die neuen Kommissarinnen und Kommissare ihre Büros bezogen haben, dürfte sie noch vor Weihnachten eine Strategie gegen die Billig-Warenflut präsentieren.

Auf der Grundlage des Gesetzes über digitale Dienste (DSA) hat die Brüsseler Behörde Temu unlängst zum zweiten Mal aufgefordert, Informationen über Händler zu liefern, die illegale Produkte auf der Plattform vertreiben, und darzulegen, wie sie es mit dem Verbraucherschutz hält. Jetzt droht ein offizielles Verfahren, das mit hohen Bussgeldern enden könnte.

Sechs Länder fordern klarere Strafen

Der Druck auf die Kommission ist zuletzt noch einmal gestiegen. Deutschland, Österreich, Polen, Dänemark, die Niederlande und Frankreich dringen im Ministerrat darauf, konsequenter Strafen zu verhängen, wenn Onlinehändler gegen Regeln verstossen und zu wenig gegen unsichere oder illegale Produkte tun. In einem gemeinsamen Brief haben die sechs Länder die Kommission aufgefordert, «alle erforderlichen Massnahmen» zu ergreifen, um das DSA konsequent durchzusetzen. Flankiert werden solle das durch eine bessere Marktüberwachung, eine vertiefte Kooperation nationaler Behörden und ein Vorankommen bei der bereits geplanten Zollreform.

Vermehrt machen sich jetzt EU-Abgeordnete für ein härteres Vorgehen gegen die Billig-Schwemme stark. «Shein, Temu und Co. sind ein Sicherheitsrisiko für Verbraucherinnen und Verbraucher», sagt die deutsche Grüne Anna Cavazzini, die als Vorsitzende des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz im Europäischen Parlament sitzt.

Über Temu oder Aliexpress gelangten massenhaft gefährliche Teddys, giftiger Plastikschmuck oder explodierende Handyakkus in die EU. «Diesem unfairen Wettbewerb muss die EU ein Ende machen», sagt Cavazzini.

Plattformen sollen Verantwortung für Produktequalität übernehmen

In einem 12-Punkte-Plan fordert sie zusätzliche Regeln, um die China-Plattformen stärker in die Pflicht zu nehmen. Darunter: das DSA für Onlinemarktplätze verschärfen, die Plattformen für Verbraucher haftbar machen, die Marktplätze zu Stichproben verpflichten, um Sicherheitsrisiken zu erkennen.

Auf breite Unterstützung im Parlament kann die Grünen-Politikerin mit ihrer Forderung zählen, Handelsplattformen wie Temu einen Sonderstatus beim Zoll zu verleihen. Wenn man sie als sogenannte vermeintliche Importeure einstufte, müssten sie selbst die Verantwortung für die von Händlern verkauften Produkte übernehmen. Wer dann noch illegale Produkte verkaufen lässt, bekäme ein schlechteres Risikoprofil mit mehr Kontrollen bis hin zur Blockade von Waren.

Tatsächlich sind Europas Zollbehörden nicht nur mit den Milliarden Paketen aus China überfordert, die unter der Zollfreigrenze hindurchgeschickt werden. Denn innerhalb des EU-Binnenmarkts sollen die Behörden theoretisch wie eine einzige Behörde zusammenarbeiten, mit einem permanenten Informationsaustausch. Weil das noch immer nicht funktioniert und – vielleicht mehr denn je – tonnenweise illegale Waren in die EU gelangen, hat die Kommission vor eineinhalb Jahren eine Reform der Zollunion vorgelegt. Die hängt aber noch immer im Rat der Mitgliedsstaaten fest.

Abschaffung der Zollfreigrenze gefordert

Als Teil dieser Reform soll unter anderem eine europaweite Zollbehörde mit Koordinierungsfunktion entstehen und die 150-Euro-Grenze wegfallen. Bislang nutzen Versandhändler diese Grenze gezielt aus, auch bei Temu, indem sie ihre Ware einfach stückweise zu unter 150 Euro verpacken. «Die 150-Euro-Zollfreigrenze muss so schnell wie möglich fallen», fordert Ratsmitglied Bernd Lange, der dem Handelsausschuss im Parlament vorsitzt.

Sie sei nicht mehr zeitgemäss. «Dadurch werden wir von Sendungen aus Drittländern überflutet», sagt er, «und der Zoll hat überhaupt nicht mehr die Möglichkeit, entsprechend zu prüfen.» Dem müsse ein Riegel vorgeschoben werden.