Problematische ChemikalienGefährliche Weihnachtsgeschenke aus China
Puppen, Gummibälle und Fingerfarben für Kinder sind im Onlinehandel besonders billig erhältlich. Was die Kundschaft nicht bemerkt: Viele sind wahre Giftschleudern.
Das Internet ist gerade in der Weihnachtszeit eine Schatzgrube für Spielzeuge: Vom Gummitierchen bis zum Luftballon kann man alles billig kaufen. Etwa den aufblasbaren Hüpfball. Doch seine Hülle weist hohe Konzentrationen an giftigen Chemikalien auf. Nicht besser sieht es bei Fingerfarben aus: Sie können allergische Reaktionen auslösen. Der kuschelige Teddybär ist schlecht genäht. Am austretenden Füllmaterial kann ein Kleinkind ersticken. In Wasserbomben finden sich krebserregende Nitrosamine.
Über den Horror im Kinderzimmer kann man sich im Safety Gate informieren. So heisst das Schnellwarnsystem der Europäischen Kommission. Hier melden EU-Mitgliedsländer, wenn sie wieder auf ein Spielzeug gestossen sind, das eine Gefahr darstellt.
Wöchentlich finden sich hier diverse neue Einträge zu Spielzeugen. Etwa eine Affenmaske. Ihr Problem: «Das Produkt ist leicht entflammbar. Wenn das Kind die Maske trägt und sie Feuer fängt, hört sie nicht auf zu brennen und kann Verbrennungen im Gesicht verursachen.» Die Maske ist keine Ausnahme: Mit einem Anteil von 23 Prozent aller beanstandeten Produkte lagen die Spielzeuge im letzten Jahr an der Spitze.
Wie viele Spielzeuge hierzulande online direkt aus China eingekauft werden, ist nicht bekannt. Die letzten verfügbaren Zahlen zeigen, dass der stationäre Handel im letzten Jahr 540 Millionen Franken mit Spielwaren umsetzte. Sicher ist: Der Onlinehandel mit Spielwaren wächst überall rasant. Und damit auch die Sicherheitsrisiken. Laut Safety Gate tätigen bereits 60 Prozent der Konsumentinnen und Konsumenten im EU-Raum ihre Einkäufe online.
Der chinesische Onlinehändler Aliexpress rangiert mit einem Umsatz von 390 Millionen Franken auf Platz 8 der vom Unternehmensberater Carpathia regelmässig erstellten Rangliste der grössten Onlineshops in der Schweiz. Unklar ist, wie viel davon auf Spielzeug entfällt. Der Umsatz des US-Onlineportals Wish, über das viele Produkte aus Fernost verkauft werden, wird von Carpathia auf 125 Millionen Franken geschätzt.
Das ist kein Zufall. In China werden gegen drei Viertel aller weltweit verkauften Spielwaren hergestellt. Im Netz tummeln sich immer mehr schwer zu identifizierende und zu lokalisierende Verkäufer, die irgendwo in Asien sitzen. «Leute, die von Haus aus Schnäppchenjäger sind, bestellen leider häufig auch gefährlichen Schund, nur weil er billig ist», kritisierte die deutsche Branchenexpertin Sibylle Dorndorf in der «Süddeutschen Zeitung» das Verhalten vieler Leute. Im Onlinehandel würden immer mehr Plagiate und Billigangebote auftauchen, was sich zu einem «riesigen Problem» entwickle.
Von zehn Spielsachen enthielten sieben Schadstoffe
Auch hierzulande. 2019 bestellte der Spielwaren Verband Schweiz (SVS) bei Aliexpress und Wish zehn populäre Produkte für Kinder. Darunter befand sich eine Surprise Doll und Squishies, kleine Schaumstofffiguren, die sich zusammendrücken lassen. Die Ware wanderte ins Prüflabor von Swiss Quality Testing Services in Dietikon ZH.
Das Ergebnis ist eindrücklich: Von den zehn Spielsachen enthielten sieben Schadstoffe, wovon bei sechs die Grenzwerte weit überschritten wurden. Die Chemiker fanden unter anderem Lösemittel, Blei und Weichmacher, die den Hormonhaushalt beeinträchtigen können. Ferner wurden allergisch machende Substanzen und Stoffe festgestellt, die als krebserzeugend gelten.
Sandro Küng, Geschäftsführer des Spielwaren Verbands Schweiz, erinnert sich noch heute mit Schaudern daran, dass ein Spielzeug so viel Lösungsmittel enthielt, dass selbst den Chemikern im Labor übel wurde. Die Tester notierten zudem, dass bei einigen Gegenständen Angaben zum Importeur fehlten. Dadurch kann in einem Schadensfall niemand zur Verantwortung gezogen werden.
Und hier liegt der Hund begraben. Laut Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) bietet das 2017 revidierte Lebensmittelrecht – dazu gehört auch die Spielzeugverordnung – keinen Schutz. Dies, da der Import von Spielzeug für den privaten Eigengebrauch über ausländische Webshops nicht in den Geltungsbereich der Verordnung fällt. Ergo werden diese Produkte nicht kontrolliert, obwohl sie die gesetzlichen Anforderungen in der Schweiz unter Umständen nicht erfüllen.
EU ergreift Massnahmen, Schweiz schaut zu
Der Spielzeugverordnung unterstehen hingegen Hersteller, Importeure und Händler, also die etablierte Spielwarenbranche. So werden Onlineshops mit einem Standort in der Schweiz regelmässig kontrolliert, erklärt das BLV. Wie ein Blick auf die Mitteilungen des Bundesamtes zeigt, wird dort immer mal wieder auf potenziell gefährliche Spielsachen verwiesen samt Empfehlung, die betroffenen Produkte aus dem Verkauf zu nehmen. Was von den namentlich bekannten Herstellern, Importeuren und Händlern denn auch gemacht wird.
Während das Bundesamt bislang der Ansicht war, es brauche keine weiteren rechtlichen Schritte, hat die EU längst Massnahmen in die Wege geleitet. Dies, um Onlineplattformen wie Aliexpress und Wish zu belangen, wenn sie nicht EU-konforme Produkte verkaufen.
Nun hofft Sandro Küng vom Spielwaren Verband Schweiz, dass die Schweiz die Verordnung ebenfalls übernimmt. Die geltende Spielzeugverordnung ist indessen noch bis mindestens 2025 gültig. Ob dann die Schweiz doch noch die schärferen EU-Bestimmungen übernimmt, ist offen. Das zuständige Bundesamt hat auf diese Frage keine Antwort geliefert.
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