TV-Kritik «Tatort»Thiel stirbt an einem anderen Tag
Der Ermittler ist dem Tod geweiht – oder doch nicht? Ein gewohnt experimenteller Münsteraner «Tatort» treibt es sehr bunt. Und ist leider nur unfreiwillig komisch.
Thiel soll wirklich sterben? Frank Thiel (Axel Prahl), Kriminalhauptkommissar in Münster, immerhin 43 «Tatort»-Fälle schwer, liegt am Anfang dieser Folge angeschossen am Boden – und sieht gar nicht lebendig aus.
Da die Ernsthaftigkeit in der Münsteraner Reihe traditionell keine Priorität geniesst, kann man sich schon denken: Sterben muss Thiel in «Der Mann, der in den Dschungel fiel» wahrscheinlich nicht.
Wieder kommt aus Münster ein Fall, der komisch sein will und es aber höchstens unfreiwillig ist. Die «Tatort»-Premiere von Regisseur Till Franzen mündet in einer Art Räuberpistole mit komödiantischem Touch, verbunden mit einer Hochstaplergeschichte, die sich – und das ist ja gut! – erst nach knapp der Hälfte als solche zu erkennen gibt.
Stadtschreiber, die deutsche Eigenheit
Der Lügenbaron heisst Stan Gold (Detlev Buck), aber eigentlich heisst er ja Hotte Koslowski, und damit fängt es schon an. Thiel kennt ihn noch von der Schule und staunt, dass Koslowski jetzt Gold heisst und offenbar ein Buch geschrieben hat. Dafür darf ihn Professor Boerne (wie gewohnt: Jan Josef Liefers) als Stadtschreiber auszeichnen – eine deutsche Eigenheit, die nichts mit unserem Gemeindeschreiber am Hut hat, sondern tatsächlich eine literarische Auszeichnung ist.
Einen Flugzeugabsturz soll Gold überlebt haben, und bei Indigenen im Dschungel gelandet sein, wo er 15 Jahre verbrachte. Lässt sich als Story natürlich gut umsetzen. Gold hat eine Agentin, die auch seine Partnerin ist, daneben eine Ex-Frau und eine Tochter, vor allem aber hat er eine starke Bienenallergie, worauf jemand (vermeintlich) eine Biene auf ihn «ansetzt» und Boerne in der Not zum Luftröhrenschnitt ansetzt. Daneben fürchten sich alle vor einem gewissen Pablo, der mit Gold noch eine Rechnung offen haben soll.
Drehbuchautor Thorsten Wettcke versucht sehr vieles, um dem Publikum zu gefallen. Zu vieles, selbst für einen exotischen Münsteraner «Tatort». Erzählt wird auch mit sehr eigentümlicher Auktorialität: Bei Stan Gold wissen wir, was er denkt, er wird uns als Hauptfigur vorgeführt – dass er aber konstant lügt, erschliesst sich uns aus diesem Innenleben nicht.
Wenn man mit einer Figur aus dieser etwas chaotischen Scharade warm wird, dann aber doch mit ihm. Weil Detlev Buck den Gold-Koslowski nicht nur als Grossmaul, sondern auch als gutmütigen Geschichtenerzähler mit Vaterqualitäten verkörpert.
Boerne daneben bleibt für einmal blass, seine Liebelei mit Golds Agentin endet abrupt, als sie stirbt, und ist lieb- und ideenlos erzählt. Hinter ihm tut sich Rechtsmedizinerin Haller als schräge Miss Marple hervor, auch Assistent Schrader hat einen grossen Auftritt im Finale.
Am Ende, so viel vorweg, muss Thiel tatsächlich nicht sterben. Ganz undenkbar wäre es indes nicht: Die Verträge der beiden «Tatort»-Ermittler Thiel und Boerne laufen 2024 aus. So ein Tod käme da eigentlich ganz gelegen.
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