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TV-Kritik «Tatort»
«Ich hab ihm gesagt, der Job bringt ihn irgendwann um»

Die junge Mutter (die schweizerisch-niederländische Schauspielerin Zoë Valks) kann nicht glauben, dass ihr Mann nicht mehr heimkommt.
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Die ersten zwei Minuten sehen aus wie von ehrgeizigen Filmstudenten montiert. Vorbeisausender Asphalt einer nächtlichen Strasse. Fahrendes Auto von vorn, die Scheinwerfer schimmern verwischt. Gekippte Kameraperspektive, dann plötzlich Lichtpunkte in Grossaufnahme. Cut: glückliche Gesichter auf einem Karussell. Cut: ein trauriger Halbglatzen-Hinterkopf. Cut: Antlitz einer älteren Frau mit aufglühender Zigarette. Cut, und Zigarettenrauch kringelt sich in eleganter Grossaufnahme vor einem rot leuchtenden Autoradio. Schliesslich fährt ein weisser Lieferwagen durch einen schier endlosen Tunnel.

Regisseurin Nina Wolfrum hat hier sichtlich lustvoll Details aus dem neuen Kölner «Tatort» zurechtgepuzzelt, die, wie sich zeigen wird, noch eine wesentliche Rolle spielen. Und sie hat diese Shortcuts tadellos in eine vorweihnachtliche Tristesse getaucht.

Regen prasselt danach unerbittlich auf die Crew eines kleinen (etwas unrealistischen) Paketdienstes nieder – wie die Flut an Anforderungen. Die Chefin trackt ihre Leute mit GPS und macht ihnen Beine, die Kunden meckern gern, werden auch mal übergriffig. Und vor allem zur Weihnachtszeit kommen Überfälle vor. Einer hat nun Milan, dem jungen Familienvater, das Leben gekostet. «Für Milan gabs nichts anderes als Stress», beschreibt seine Frau das Leben des Paketauslieferers (die junge schweizerisch-niederländische Schauspielerin Zoë Valks überzeugt). «Ich hab ihm noch gesagt, der Job bringt ihn irgendwann um.»

Als V-Frau schleicht sich Natalie (Tinka Fürst, links) ins Vertrauen ihrer Lieferdienstkollegin Jenny (Paula Kober).

Verdächtige gibts genug. War es ein Zufallsraub? War es der frustrierte Enkel des alten Paketausfahrers, der mit dem Job seine arbeitsunfähige Tochter unterstützt? Der Arbeitskollege, der sich als Milans bester Freund ausgibt, aber dessen Frau anhimmelt? Die Chefin, die mit allen redlichen und unredlichen Mitteln ums Überleben kämpft (Applaus für Susanne Bredehöft)? Oder doch der Penner, der selbst Paketdienstler war, bis Milan ihm den Lastwagen geklaut hat?

Sie sind alle kaputte Gestalten – nicht nur die Paketdienstler, zu denen auch die durch einen Unfall traumatisierte Ex-Medizinstudentin Jenny zählt: Die ausdrucksstarke Paula Kober, Jahrgang 1994, hatte selbst ihre Judokarriere wegen einer Verletzung aufgeben müssen. Jenny kümmert sich regelmässig um den vereinsamten Senior von nebenan. Solche anschaulichen Vignetten aus verzweifelten Leben machen die Qualität von «Des anderen Last» aus. Die Verkürzung des Bibelzitats «Einer trage des andern Last» im Filmtitel spricht Bände.

Paul Salisburys Drehbuch vertieft sich in die Geschichten der «anderen». Das Verbrechen selbst wird – beinahe – Nebensache, und die Kommissare Max (Klaus Behrendt) und Freddy (Dietmar Bär) laufen nicht als Moralapostel herum, sondern schrumpfen fast zu wichtelnden Zwergen, während Kriminaltechnikerin Natalie (Tinka Fürst) als Undercover-Agentin gross herauskommt. Kurz: Die Chose entpuppt sich als Frauen-Krimi ohne Zeigefinger und als Kapitalismuskritik ohne Bösmensch. Gut!