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TV-Kritik «Tatort»
Junge Gamerin, ältere Künstlerin und der Traum von Kontrolle

Wenn Kommissar Brix (Wolfram Koch) die schöne Künstlerin (Jeanette Hain) sieht, hat er Schmetterlinge im Bauch.
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Die unheimlichen Klopfgeräusche in den ersten Sekunden von «Kontrollverlust» werden allmählich in den Indie-Folksong der jungen Songwriterin Jana Poser integriert: ein buchstäblich taktvoller Einstieg. Auch der Rest des Soundtracks passt. Daran kann man sich festhalten, wenn man sich über die eher abstruse Geschichte rund um ein dysfunktionales Mutter-Sohn-Verhältnis ärgert, die man im Juristen-Neudeutsch wohl mit der umstrittenen Vokabel «Beziehungsintoleranz» beschreiben würde.

Grund für Zuschauerfrust ist nicht nur, dass eigentlich von Anfang klar ist, wer da zur blutigen Tat schritt und eine junge Gamerin ermordete. Sondern dass das Drehbuch von Elke Hauck und Sven Poser auf eine Weise mit klischierten Extrempsychologien operiert, die enerviert. Singlemum! Künstlerin! Extremfeministin mit Samenspende! Kunstbegabter Sohn auf dem Autismus-Spektrum!

Wenigstens kann man den Schauspielenden keinen Vorwurf machen: Jeanette Hain als Mutter und Béla Lenz als Sohn mit «Impulskontrollstörung» geben ihr mentales Angekränkeltsein überzeugend und, meistens, ohne zu übertreiben. Was gar nicht so leicht gewesen sein kann angesichts der manchmal entsetzlich dramatischen, küchenpsychologisch präparierten Sätze, die sie von sich geben müssen.

Ein verdächtiger Abwart aus Ostdeutschland outet sich bei den Ermittlern als frustrierter Incel.

Auch die Kommissare Jannecke (Margarita Broich) und Brix (Wolfram Koch) – und sogar Bistro-Sidekick Fanny (Zazie de Paris) – agieren angenehm unaufgeregt, trotz sachtem Schmetterlingsgeflatter in Brix’ Bauch. In den Nebengeschichten, die die beiden in ihren Ermittlungen beleuchten, hätte ausserdem mehr Potenzial gesteckt, von der Incel-Problematik über die strukturelle Ossie-Diskriminierung bis hin zum Sexismus der Gamer-Szene. Diese Themenfelder werden, teils in volkshochschulmässigen Verhörsituationen, Punkt für Punkt abgehakt.

Dafür hat Regisseurin Elke Hauck sich Originalität gesichert, indem sie mit mehr oder weniger lokalen Künstlerinnen zusammenarbeitete: mit der bereits erwähnten Berliner Musikerin Jana Poser – und mit der Frankfurter Kunstschaffenden Birgit Brinkmann. Letztere hat ein Universum aus gesichtslosen Homunculi kreiert, die schön schaurig den Wunsch nach absoluter Kontrolle symbolisieren. Die Figuren erinnern an die Terrakotta-Armee der chinesischen Qin-Dynastie.

Am Schluss zerbrechen sie wie das Fantasiegespinst kontrollierbarer Beziehungen (übrigens ging tatsächlich eine Figur schon vor dem Dreh zu Bruch und konnte gerade noch rechtzeitig geflickt werden). «Alles gut, ich krieg das geklebt», versichert die Künstlerin im Filmfinale noch, bevor endlich alles endgültig in Scherben liegt. Auch der Film selbst ist leider angeknackst.