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Umstrittene Expansion
Swisscom will jetzt Versicherungen für Hausrat oder Haftpflicht anbieten

Swisscom Shop an der Avenue Bergières 42, 1004 Lausanne, 8. Juli 2015.
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Der Telecomkonzern Swisscom steht kurz davor, neue Produkte anzubieten, die wenig mit seinem Kerngeschäft zu tun haben. Er hat kürzlich bei Kundinnen und Kunden eine Online-Umfrage durchgeführt und sie nach ihrem Interesse für Angebote wie eine Hausrat-, Haftpflicht- oder Rechtsschutzversicherung gefragt.

«Voraussichtlich 2024» werde das Unternehmen mit neuen Angeboten auf dem Markt auftreten, begründete es die Umfrage. Gegenüber dieser Redaktion bestätigt die Swisscom, dass sie eine Ausweitung des Angebots prüft.

Diese Ankündigung enthält Konfliktpotenzial, ist doch die Swisscom keine normale Firma: Weil sie 1998 aus dem früheren Monopolbetrieb PTT hervorgegangen ist, ist sie auch heute noch deutlichen grösser als alle ihre Mitbewerberinnen. Sie hat damit Zugang zu einem riesigen Kundenstamm, gegenüber dem sie ihre neuen Versicherungsangebote bewerben könnte.

Tatsächlich erklärt eine Swisscom-Sprecherin, dass das Unternehmen zum Beispiel automatisch eine Hausratversicherung anbieten könnte, wenn ein Mobilfunkkunde online eine Adressänderung durchführe.

Politik hat Regeln gesetzt – aber reichen sie?

Ein weiterer Vorteil der geerbten Unternehmensgrösse wäre bei einer Expansion im Versicherungsgeschäft, dass die Swisscom einen Wissensvorsprung gegenüber der Konkurrenz hätte, was zum Beispiel die finanziellen Verhältnisse potenzieller Versicherungsnehmer angeht.

Vor allem aber gehört die Swisscom zu 51 Prozent dem Bund; nur 49 Prozent der Aktien werden an der Börse gehandelt. Auch deswegen kann sie zu günstigeren Konditionen als die Konkurrenz Geld aufnehmen: Die Gläubiger gehen davon aus, dass der Staat die Firma bei Finanzproblemen nicht untergehen lassen würde, und verlangen darum weniger Zins. Dadurch besteht die Möglichkeit, dass die Swisscom Märkte verzerrt, auf denen in der Theorie alle Teilnehmer gleich lange Spiesse haben sollten.

Um die Swisscom zumindest ein bisschen einzuhegen, legt die Politik seit deren Privatisierung vor 26 Jahren Regeln fest: Unter anderem gibt der Bundesrat dem Management alle drei Jahre strategische Ziele vor, die grösstenteils Telecom-spezifisch sind.

Swisscom-Telefonkabinen, aufgenommen am 22. Maerz 2000 in Zuerich. Der verschaerfte Wettbewerb in der Telekommunikationsbranche machte dem ehemaligen Monopolisten Swisscom laut den am Mittwoch, 22. Maerz 2000, veroeffentlichten Zahlen fuer das Geschaeftsjahr 1999 zu schaffen. Umsatz- und Gewinnsteigerungen konnten nur dank ausserordentlicher Gewinne aus assoziierten Gesellschaften, so etwa der deutsche Debitel, realisiert werden. (KEYSTONE/Walter Bieri) ===ELECTRONIC IMAGE ===

Zum Beispiel ist die Swisscom im Moment zur «Erschliessung von allen Regionen der Schweiz mit Mobilfunk- und Hochbreitbandinfrastruktur» verpflichtet. Dieses Ziel wird auch Grundversorgung oder Service public genannt. 

Gleichzeitig verlangt der Bundesrat von der Swisscom eine «fortschrittliche und sozialverantwortliche Personalpolitik» und eine finanzielle «Performance, die mit vergleichbaren Unternehmen in Europa Schritt hält». Eine Expansion in andere Branchen wie zum Beispiel ins Versicherungsgeschäft ist weder explizit erlaubt noch verboten.

Darüber hinaus muss sich das Unternehmen am gesetzlich festgelegten Gesellschaftszweck orientieren, nämlich «im In- und Ausland Fernmelde- und Rundfunkdienste sowie damit zusammenhängende Produkte und Dienstleistungen anzubieten».

Corona brachte Reiseversicherung zu Fall

In diesem Kontext ist zu sehen, dass die Swisscom bereits heute Versicherungen anbietet: So können Kunden ihr Handy gegen Diebstahl oder Schäden versichern. Zudem können sie mit einer Cyber-Versicherung für den Fall vorsorgen, dass ihnen bei der Nutzung des Internets Schäden zum Beispiel durch Kreditkartenmissbrauch oder den Virenbefall ihrer Geräte entstehen.

«Die bisher erbrachten Versicherungsleistungen stehen in engem Kontext zum fernmelderechtlichen Angebot von Swisscom», rechtfertigt die Unternehmenssprecherin diese Produkte.

Hinter der Geräte- und der Cyberversicherung steht der französische Axa-Konzern, dessen Schweizer Tochter hierzulande einer der Marktführer ist: Das heisst, dass auf der Versicherung zwar Swisscom draufsteht und diese ihre Verkaufskanäle für den Vertrieb zur Verfügung stellt. Für die Prozesse im Hintergrund wie das Risikomanagement ist dagegen die Axa zuständig.

Das gleiche Modell hatte die Swisscom im Auge gehabt, als sie 2020 eine Reiseversicherung lancieren wollte. Partnerin wäre damals die Europäische Reiseversicherung, eine Tochter der Helvetia-Gruppe mit Sitz in Basel, gewesen.

Allerdings verhinderten die Corona-Pandemie und die damit einhergehenden Einschränkungen des Reiseverkehrs eine Lancierung des Angebots. Bereits hier hätte sich die Frage gestellt, wie das Produkt mit den politisch verordneten Zielen der Swisscom zu vereinen gewesen wäre.

Grosse Versicherung im Hintergrund

Sollte die Swisscom ihr Versicherungsangebot dieses Mal tatsächlich erweitern, würde sie wiederum dieses Modell wählen. Welchen Partner die Swisscom wählen würde, lässt die Sprecherin offen.

«Swisscom hat keine Pläne, als Erstversicherer aufzutreten», betont sie weiter. «Im Hintergrund würde es wie bis anhin aber immer eine bekannte Versicherung geben.» Die Swisscom beabsichtige vor allem, ihre digitale Kompetenz zum Beispiel als Vermittlerin einzubringen «und so den Versicherungsmarkt positiv zu beleben und zu ergänzen».

Jürg Grossen, Präsident der Grünliberalen Partei und Berner Nationalrat, hält die Pläne trotzdem für stossend: «Auch Vermittlungsdienste sind ein Geschäftsfeld, auf dem die Swisscom private potenzielle Vertriebskanäle konkurrenzieren würde.» Sie habe noch viele Kunden aus dem Monopol – «aus diesen darf sie keinen zusätzlichen Nutzen ziehen, das hat das Parlament so bestimmt».

Tatsächlich hat das Parlament vor zwei Jahren Motionen zugestimmt, laut denen der Bundesrat Gesetzesänderungen vorschlagen soll, «um Wettbewerbsverzerrungen durch Staatsunternehmen einzudämmen». Anderthalb Jahre später, also im September 2023, erteilte der Bundesrat dem zuständigen Wirtschaftsdepartement den Auftrag zur Ausarbeitung einer neuen Regelung für die Staatskonzerne.

Verschiedenen Politikern, unter anderem Grossen, war das ein zu träges Vorgehen. Sie haben darum seither weitere Vorstösse lanciert. Damit wollen sie dem Parlament die Entscheidungsgewalt darüber geben, wo und wie sich Staatskonzerne betätigen dürfen.

Roberto Cirillo, CEO, Schweizerische Post, spricht waehrend der Jahresmedienkonferenz der Schweizerischen Post, am Donnerstag, 9. Maerz 2023 in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)

Im Fokus der Vorstösse steht neben der Swisscom insbesondere die Post: Die Firma, die dem Bund zu hundert Prozent gehört, hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Firmen gekauft, die direkt oder indirekt mit Kommunikation im digitalen Raum zu tun haben.

Sie rechtfertigt das damit, dass sie ihr Geschäftsmodell als Nachrichtenüberbringerin an die Digitalisierung anpassen müsse. Die Frage ist allerdings auch hier, warum sich eine Staatsfirma mit all ihren Wettbewerbsvorteilen auf diese Weise engagieren muss.

Die Swisscom-Sprecherin schreibt zur Kritik aus dem Parlament: «Unserer Einschätzung nach stehen diese möglichen Geschäftsaktivitäten nicht in Widerspruch mit dem rechtlichen Rahmen für Swisscom, genauso wenig wie mit den jüngsten Motionen.»

Auch eine Sprecherin des Kommunikationsdepartements des Bundes sieht kein Problem: «Der Bund als Eigner unterstützt die Wachstumsstrategie von Swisscom und respektiert ihre unternehmerische Freiheit, solange sie sich im Rahmen des Zweckartikels des Telekommunikationsunternehmensgesetzes und der strategischen Ziele des Bundesrats bewegt.»

Für 2022 hat der Bund von der Post eine Dividende von 50 Millionen Franken ausgeschüttet bekommen, von der Swisscom waren es 581 Millionen.