Kritik an AGB-ÄnderungSwisscom und Co. erteilen sich Freibrief, um Handyabos zu verteuern
Mobilfunkanbieter ermöglichen sich selber, wegen der Teuerung die Abopreise erhöhen zu dürfen – ohne Einwilligung der Kunden. Preisüberwacher und Konsumentenschutz sind alarmiert.
Sie sind zwar unbeliebt, und doch lohnt es sich, sie genau anzuschauen: die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, kurz AGB. Das Kleingedruckte kann für Kundinnen und Kunden weitreichende Folgen haben. Vor allem, da Firmen es umschreiben können, ohne dass die Kundschaft das unterschreiben muss.
Die Swisscom weist zurzeit per SMS, Mail und Brief unter anderem auf eine brisante AGB-Änderungen hin. Sie erteilt sich neu den Freibrief, wegen der Teuerung Abopreise erhöhen zu dürfen. Wie die Pendlerzeitung «20 Minuten» berichtete, kann die Mobilfunkanbieterin per 1. Juni also mal einfach an den Preisen schrauben, ohne dass die Kunden ihr Einverständnis dafür geben müssen.
«Dies ist eine Vorsichtsmassnahme, damit Swisscom im Fall der Fälle die Möglichkeit hätte, die Preise entsprechend dem Landesindex für Konsumentenpreise (LIK) zu erhöhen», sagt Sprecher Armin Schädeli. Der Index misst die Teuerung der Konsumgüter in der Schweiz und ist einer der wichtigsten Wirtschaftsindikatoren. «Es handelt sich nicht um einen Automatismus», betont Schädeli. Eine Anpassung würde gut vorher geprüft und abgewogen. «Aktuell ist keine Preisanpassung aufgrund der Teuerung geplant.»
Und doch dürfte diese AGB-Klausel viele beunruhigen. Denn es gibt keine Obergrenze der Inflation, bei der die Swisscom die Preise nicht mehr an die Kundschaft weitergeben darf.
Dasselbe blüht auch Kundinnen und Kunden von Salt und Sunrise, wie beide Anbieter bestätigen. «Wir haben diese Klausel noch nie genutzt und haben auch nicht die Absicht, sie zu verwenden», so Salt-Sprecherin Christelle Perret. Sunrise-Sprecher Rolf Ziebold begründet neben den inflationsbedingt bereits gestiegenen Kosten – für Löhne, Energie oder Mietkosten – auch mit den Perspektiven bis 2024. Bis dann soll die Inflation gemäss Prognosen anhalten. Sunrise kann die Abopreise neu einmal jährlich zu Beginn des Kalenderjahres anpassen.
Werden Telecomanbieter zum Inflations-Treiber?
Die Stiftung für Konsumentenschutz kritisiert diesen Freibrief gegenüber der Pendlerzeitung scharf. Zu dieser Redaktion sagt Geschäftsleiterin Sara Stalder: «In den LIK fliessen unter anderem auch die Kosten für Telekommunikationsdienstleistungen wie Internet- oder Handyabo ein. Mit anderen Worten: Erhöht Swisscom die Preise, steigt auch der LIK.» Dies kann gemäss Stalder zu einer Teuerungsspirale führen, «insbesondere dann, wenn auch andere Unternehmen aus anderen Branchen auf diesen Zug aufspringen».
«Telecom-Dienste sind nicht Inflationstreiber», wehrt sich Sunrise. Schliesslich machten sie im Vergleich zu anderen Kosten wie Gesundheit, Energiekosten oder Versicherungen nur einen geringen Teil aus. Salt behauptet gar, mit Bemühungen um günstigere Preise zu einer niedrigeren Inflation beigetragen zu haben, «nicht andersherum».
Tatsächlich sind die Abopreise in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken. Gleichzeitig haben die Anbieter viel in die Netzqualität und Versorgung investiert, die Nutzung hat stark zugenommen.
Doch auch Preisüberwacher Stefan Meierhans kritisiert auf Anfrage die Anpassungen. «In den vergangenen Jahren hat sich gezeigt, dass die grossen Telekommunikationsunternehmen immer wieder nach Möglichkeiten suchen, die Preise auf versteckte Weise zu erhöhen», so Meierhans. Sei es durch Gebühren, Papier-Rechnungen, Zahlungen am Schalter oder andere Abgaben.
Erhöhe etwa die Swisscom die Preise, so habe das eine selbstverstärkende Wirkung. Dann steigt gemäss Meierhans der LIK, «worauf die Swisscom die Preise noch mehr erhöhen kann».
Sonderkündigungsrecht ist ein Sonderfall
Der Preisüberwacher hofft, «dass die Kundinnen und Kunden auf dieses Verhalten entsprechend reagieren werden». Meierhans ermutigt gar Kundinnen und Kunden dazu, den Wettbewerb unter den Anbietern zu nutzen. Und falls die Anbieter die Preise erhöhen, «auch die Kündigungsfristen als Kriterium im Blick zu behalten».
Doch so einfach ist das nicht. Die Swisscom räumt den Kundinnen in der Änderung explizit kein Sonderkündigungsrecht ein. Ein solches ermöglicht, dass Kunden vorzeitig den Vertrag beenden können. Das können vor allem jene, die dank einer Sonderaktion einen Vertrag mit langer Laufzeit abschliessen. Gemäss Swisscom hat eine Minderheit der Kundschaft ein solches Recht. Auch Salt und Sunrise räumen bei allfälligen Teuerungsanpassungen kein solches ein.
Klar ist: Die Telecomanbieter sind nicht die einzigen Dienstleister, die ohne vorgängige Einwilligung der Kundschaft an den Preisen schrauben können. Gemäss Konsumentenschutz haben auch Bauunternehmen solche Bestimmungen für Preiserhöhungen zwischen Offerte und Abschluss des Bauvorhabens. Oder Vermieter, wenn sie die indexierten Mieten erhöhen – wofür es aber eine rechtliche Grundlage gibt. «Es steht jedem Unternehmen frei, die Preise zu erhöhen», sagt Sara Stalder. «Allerdings sollte dies transparent und nachvollziehbar begründet sein und die Kunden zur vorzeitigen Kündigung berechtigen.»
Stalder vom Konsumentenschutz rät Kundinnen und Kunden, aufmerksam zu werden, wenn ein Unternehmen von «Preisanpassungen» spreche. «Gemeint sind damit: Preiserhöhungen», sagt sie.
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