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Umstrittene Sparmassnahmen
Swiss fliegt weniger als vor der Krise, schreibt aber Rekordgewinn

Sicht auf den Flughafen Zuerich Kloten
06.10.2023
(URS JAUDAS/TAGES-ANZEIGER)
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Die Fluggesellschaft Swiss hat in den ersten neun Monaten des Jahres 615,9 Millionen Franken Gewinn verbucht. Das ist so viel wie nie zuvor in ihrer gut 20-jährigen Geschichte. Zuletzt hatte das Unternehmen im Besitz des deutschen Lufthansa-Konzerns kurz vor der Pandemie einen ähnlich hohen Profit erzielt – allerdings innert eines ganzen Jahres. Obwohl das letzte Quartal des Jahres in der Luftfahrt im Vergleich zum Sommer verkehrsarm ist, wird die Swiss ihren bisherigen Rekordgewinn also pulverisieren.

Der Hauptgrund dafür sei die hohe Nachfrage, sagte Swiss-Finanzchef Markus Binkert am Donnerstag an einem Mediengespräch. Die Preise seien im Schnitt 15 Prozent höher gewesen als vor der Krise. «Fliegen war vor der Pandemie zu günstig», sagte Binkert. «Wir müssen uns mittelfristig daran gewöhnen, dass Fliegen seinen Preis hat – auch damit die Airlines Investitionen in die Nachhaltigkeit tätigen können.»

Allerdings bietet die Swiss nach wie vor auch sehr günstige Billette an: Zum Beispiel ist ein Retourflug nach New York für 400 Franken zu haben.

Ein weiterer Faktor für den Erfolg der Swiss sind die tiefen Kosten: Unter anderem hat die Geschäftsleitung während der Pandemie eine Restrukturierung ihrer Verwaltung vorgenommen. Hinzu kommt, dass das Unternehmen nach wie vor keinen neuen Gesamtarbeitsvertrag mit den Flugbegleiterinnen und -begleitern unterzeichnet hat.

Rekordgewinn trotz Engpässen und defekten Maschinen

Nachdem diese im Frühjahr einen ersten Vorschlag in einer Abstimmung deutlich verworfen hatten, verhandelte ihre Gewerkschaft Kapers mit der Swiss in den vergangenen Monaten neu. Das Personal wird in den kommenden Wochen über den zweiten Vorschlag abstimmen. Der neue Vertrag dürfte die Swiss im Jahr über 100 Millionen Franken mehr kosten als der heutige. (Lesen Sie hier unsere Berichterstattung zu den Querelen in der Gewerkschaft.)

Der Rekordgewinn der Swiss ist erstaunlich: Nach wie vor fliegt sie deutlich weniger als vor der Pandemie. Von Juli bis und mit September führte das Unternehmen 4000 Flüge weniger als im gleichen Zeitraum 2019 durch, das entspricht fast 9 Prozent.

Das liegt zum einen daran, dass «das gesamte Luftfahrtsystem noch nicht wieder so leistungsfähig und robust wie vor der Krise» sei, teilt die Swiss mit. Gemeint sind damit unter anderem die europaweiten Engpässe in der Flugsicherung oder der Bodenabfertigung. Man baue darum Puffer ein, schreibt die Swiss, um einen stabilen und zuverlässigen Flugbetrieb zu garantieren. Trotzdem kämpfte das Unternehmen vergangenen Sommer mit Verspätungen.

Zum anderen muss die Swiss wie andere Gesellschaften weiterhin auf Teile ihrer Kurz- und Mittelstreckenflotte verzichten: Im Frühjahr war sie gezwungen, teilweise bis zu ein Drittel ihrer 30 Maschinen vom Typ Airbus A220 am Boden zu lassen, um die Triebwerke ausserordentlich zu warten. (Lesen Sie hier, warum die Swiss deswegen sogar mit Langstreckenmaschinen nach Genf fliegen musste.)

Im Sommer kamen Verunreinigungen in den Triebwerken der A320neo-Flugzeugreihe hinzu. Vor einigen Tagen wurde bekannt, dass wiederum auch die Triebwerke der A220 von diesen Verunreinigungen betroffen sind. Die Triebwerke sind zwar jeweils voll funktionstüchtig, müssen bei der Wartung jedoch besonders intensiv kontrolliert werden. Zusätzlich verkompliziert ein weltweiter Ersatzteilmangel die Lage.

Laut Finanzchef Binkert dürften darum für die nächsten Monate «eine mittlere einstellige Zahl von A320neos und eine tiefe einstellige Zahl von A220» ausfallen – also total vielleicht sieben oder acht Maschinen. Die Lösung bestehe einerseits darin, Maschinen weiterzubetreiben, die man eigentlich nicht mehr habe weiterbetreiben wollen.

Swiss hat zu wenige Flugzeuge, gibt aber Flugzeug ab

Andererseits führt die Swiss umstrittene Kooperationen mit Partnergesellschaften weiter: Im aktuellen Winterflugplan fliegt Helvetic Airways im Besitz von Milliardär Martin Ebner mit acht Maschinen, die lettische Air Baltic mit vier Flugzeugen für die Swiss.

Die Gewerkschaften kritisieren beide Engagements seit langem als Auslagerung an Billiganbieter: Bei Helvetic und insbesondere bei Air Baltic verdienen die Angestellten deutlich weniger als bei der Swiss. Zudem ärgern sich zahlreiche Passagiere darüber, dass sie zwar Swiss gebucht haben, aber in einem Flugzeug einer anderen Airline sitzen und von Crews bedient werden, die keine der Landessprachen sprechen.

Im August 2022 hatte die Swiss die Zusammenarbeit mit Air Baltic vorerst nur für den darauffolgenden Winter zwecks Flugplanstabilität und «zusätzlicher Entlastung für die Kabinenmitarbeitenden» verkündet. Nach wiederholter Verlängerung plant die Swiss jetzt aber, die Zusammenarbeit bis und mit mindestens nächstem Sommer fortzuführen. Laut Binkert ist dies jedoch keine Massnahme, um Kosten zu sparen, sondern vor allem den Problemen mit der Flotte geschuldet.

Nicht in dieses Bild passt, dass die Swiss nächsten Sommer ein Flugzeug vom Typ A320 an die Ferienschwester Edelweiss abgibt. Binkert begründet das damit, dass solche Entscheidungen einen anderen zeitlichen Planungshorizont hätten als die Frage, ob man für eine Saison mehr oder weniger mit einer Partnerairline zusammenarbeite.

Die Gewinne mögen also sprudeln – völlig sorgenfrei fliegt die Swiss aber auch in den kommenden Monaten nicht.