Konsequenzen für fliegendes PersonalSwiss droht Impfunwilligen mit der Kündigung
Die Fluggesellschaft will Crewmitgliedern, die sich dauerhaft gegen eine Impfung entscheiden, voraussichtlich Ende Januar 2022 kündigen. Was rechtlich überhaupt möglich ist.
Die Swiss will ihr fliegendes Personal mit harten Massnahmen zu einer Impfung bewegen. Wer weiterhin für die Airline im Flugdienst sein will, muss bis spätestens 1. Dezember diesen Jahres vollständig geimpft sein. Für all jene, die das nicht wollen, hat das Konsequenzen, wie die Swiss am Montag auf Anfrage mitteilte.
«Für Mitarbeitende, die mehr Zeit für die Entscheidung zur Impfung benötigen, besteht die Möglichkeit das Arbeitsverhältnis für rund sechs Monate ruhen zu lassen», erklärte die Airline. Innerhalb dieser Frist könnten Pilotinnen und Flugbegleiter in ihren Job zurückkehren – sobald sie geimpft sind.
Kündigung per Ende Januar
Wer sich aber grundsätzlich gegen eine Impfung entscheidet, der muss sich wohl einen neuen Job suchen. Die Swiss sieht darin eine Pflichtverletzung gemäss dem Gesamtarbeitsvertrag (GAV) und will ein Stufenverfahren einleiten. «Das Stufenverfahren endet bei einer anhaltenden Entscheidung gegen die Impfung voraussichtlich Ende Januar 2022 im Aussprechen einer Kündigung», heisst es von der Airline.
Ausgenommen sind Crewmitglieder, die sich nachweislich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können. Für sie werde eine individuelle Lösung gesucht, so das Unternehmen.
Die Swiss hat die Impfpflicht bereits im August angekündigt, die Gewerkschaft des Kabinenpersonals Kapers konnte den Entscheid damals nachvollziehen. Dieser sei auch rechtlich in Ordnung. Nun ist auch klar, was passiert, wenn jemand die Impfung verweigert.
Gegenüber der Nachrichtenagentur SDA spricht Kapers nun von «drastischen Massnahmen», die aber gemäss Gesamtarbeitsvertrag rechtmässig seien. Man werde genau darauf achten, dass Massnahmen sozialverträglich umgesetzt werden, wird eine Kapers-Sprecherin zitiert. Die Pilotengewerkschaft Aeropers will sich am Dienstag nach einer Informationsveranstaltung zur Thematik äussern.
Swiss hatte die Impfpflicht damit begründet, dass sonst auf lange Sicht kein geordneter Flugbetrieb mehr sichergestellt werden könne. Die unterschiedliche Handhabung geimpfter und ungeimpfter Besatzungsmitglieder führt zu Problemen bei der Einsatzplanung. Denn einige Destinationen lassen die Crewmitglieder von Airlines nur noch mit einem Impfausweis einreisen und übernachten.
Dürfen Arbeitgeber eine Impfpflicht verordnen?
Aber dürfen Arbeitgeber überhaupt solche Massnahmen erlassen? Wenn eine Impfpflicht im Arbeitsvertrag oder in einem Gesamtarbeitsvertrag vereinbart worden ist, müssen Angestellte eine entsprechende Weisung ihrer Vorgesetzten grundsätzlich befolgen.
Doch Roger Rudolph, Professor an der Universität Zürich und Arbeitsrechtsexperte, relativiert: «Eine pauschale Impfpflicht-Regelung im Gesamtarbeitsvertrag für sämtliche Angestellten – ohne Rücksicht auf die Tätigkeit – dürfte für jene Arbeitnehmenden unverbindlich bleiben, von denen keinerlei Ansteckungsrisiko ausgeht.» Mit anderen Worten: Bei Angestellten, die zum Beispiel an Einzelarbeitsplätzen oder in einem Magazin weder mit Kunden noch mit Arbeitskolleginnen Kontakte haben, lässt sich eine Impfpflicht rechtlich kaum durchsetzen.
Wenn die Impfpflicht verbindlich ist, kann eine Verweigerung für Angestellte schwerwiegende arbeitsrechtliche Folgen haben.
Eine Impfpflicht sei dann sachlich begründet, wenn zum Beispiel ein erhöhtes Ansteckungsrisiko für Kundschaft oder Mitarbeitende bestehe oder wenn eine Tätigkeit aufgrund behördlicher Vorgaben nur noch mit einer Impfung ausgeübt werden könne.
Wenn die Impfpflicht verbindlich ist, kann eine Verweigerung für Angestellte schwerwiegende arbeitsrechtliche Folgen haben. Ein Impfzwang ist zwar nicht möglich, doch Betroffene können vom Arbeitgeber verwarnt, versetzt oder ohne Lohnanspruch freigestellt werden, wenn keine andere Einsatzmöglichkeit besteht. Unter Umständen droht eine ordentliche oder gar eine fristlose Entlassung. Und zumindest theoretisch können bei einer verschuldeten Ansteckung auch Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden.
Auch in anderen Betrieben ist eine Impfpflicht möglich
Ähnlich ordnet Roger Rudolph die Ausgangslage ein, wenn vertraglich keine Impfpflicht vereinbart worden ist: Arbeitgeber dürfen in Ausnahmesituationen gestützt auf ihr Weisungsrecht von ihren Angestellten verlangen, sich zu impfen. Mit der aktuellen Pandemie liegt eine solche Ausnahmesituation vor. Hier setze die Impfpflicht aber ein erhöhtes Ansteckungsrisiko oder eine hohe betriebliche Notwendigkeit voraus. Roger Rudolph nennt als Beispiel Mitarbeitende, die – wie etwa in der Pflege – Kontakt zu gefährdeten Personen haben.
Das Verwaltungsgericht St. Gallen hat das im Jahr 2006 gleich beurteilt. In jenem Fall ging es damals um die Entlassung einer Rotkreuzhelferin am Kantonsspital St. Gallen, die eine Hepatitis-B-Impfung verweigert hatte. Demnach darf beispielsweise vom Pflegepersonal in Altersheimen oder Spitälern erwartet werden, dass es sich gegen Corona impft.
(aktualisierte Version)
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