Dank bürgerlicher WahlallianzenSVP drängt in Westschweizer Regierungen
In der Waadt ist die SVP am Sonntag mit ihren Regierungsambitionen gescheitert. In Freiburg reüssierte sie jedoch, und 2023 dürfte die SVP bei den Genfer Wahlen die nächste grosse bürgerliche Allianz anpeilen.
Eine Wahlniederlage erleiden und trotzdem zufrieden sein: Diesen Gefühlsspagat schaffte Kevin Grangier, Präsident der SVP Waadt, am Sonntag anscheinend schmerzfrei. Er sei enttäuscht, dass sein Nationalrat Michaël Buffat die Wahl in die Regierung verpasst habe, gestand Grangier. Positiv sei hingegen, dass die SVP ihr Standing innerhalb des bürgerlichen Lagers für die kommende Legislatur gestärkt habe.
FDP und Mitte müssten die SVP als Teil der bürgerlichen Allianz der Waadtländer Regierungswahlen und dank ihrer 23 Parlamentssitze in ihre Regierungsarbeit miteinbeziehen, fordert Grangier. «Wir waren eine Equipe, und wir bleiben eine Equipe.» Dabei musste er zähneknirschend hinnehmen, dass dank der Allianz Valérie Dittli (Mitte) in die Regierung gewählt wurde, obwohl ihre Partei im Kantonsrat gar nicht vertreten ist.
Grangiers Plan war klar ein anderer: Er wollte mit der SVP in der Waadt wiederholen, was der Partei im letzten November in Freiburg gelungen war. Michaël Buffat hätte mithilfe von FDP und Mitte-Partei in die Regierung gehievt werden sollen. In Freiburg war es Philippe Demierre, der es für die SVP in die Regierung schaffte.
Die Situation war speziell. Bildungsdirektor Jean-Pierre Siggen (Mitte) drohte nach dem ersten Wahlgang die Abwahl, gleichzeitig zeichnete sich das Szenario ab, dass SP und Grüne den Bürgerlichen die Regierungsmehrheit übernehmen könnten. Also machten Die Mitte, FDP und SVP für die Ballotage gemeinsame Sache. Von der bürgerlichen Allianz profitierten alle, vor allem aber die SVP. Nach 25-jähriger Regierungsabsenz und unzähligen Wahlniederlagen kam sie zum Comeback im Staatsrat.
«Bürgerliche Allianzen halte ich für die beste Strategie, dass die SVP in Regierungen kommt.»
Was in Freiburg ganz und in der Waadt halb funktioniert hat, soll im Frühling 2023 in Genf seine Fortsetzung finden. Genfs Bürgerliche wollen einen Machtwechsel in der Regierung, wo SP und Grüne das Sagen haben, und liebäugeln ebenfalls mit einer bürgerlichen Allianz. Nationalrätin Céline Amaudruz, die auch die Genfer SVP präsidiert, beobachtete die Waadtländer Wahlen eingehend und war auch am Sonntag als Zaungast zugegen.
Sie halte eine bürgerliche Allianz persönlich für die «beste Strategie», über die Strategie werde aber die SVP-Basis Ende Juni an einer Parteiversammlung entscheiden, sagte sie.
Genfer FDP ist interessiert
Anders als in der Waadt wünscht sich Amaudruz in Genf jedoch vier statt fünf Kandidaten, weil den Bürgerlichen rein arithmetisch auch nur vier Sitze zustehen. Damit will Amaudruz das Waadtländer Szenario vermeiden, dass nämlich die SVP am Ende mit leeren Händen dasteht.
Der Genfer FDP-Präsident Bertrand Reich signalisiert auf Anfrage, er würde eine grosse bürgerliche Wahlallianz befürworten, sowieso für den Fall eines zweiten Wahlgangs. Welche Kandidatin oder welchen Kandidaten die SVP aufstellt, darauf will Reich keinen Einfluss nehmen, er wünscht sich aber eine «komplementäre Kandidatur». Auch dem Genfer FDP-Präsidenten ist nicht entgangen, dass der am rechten Rand der SVP politisierende Buffat den Waadtländer Bürgerlichen nicht genehm war. Er betont aber, dass Buffat bestens in die bürgerliche Equipe eingebunden war und dies bis zum Schluss auch blieb.
«Bürgerliche Allianzen sind keine Strategie für die Ewigkeit.»
Délphine Bachmann, Präsidentin der Mitte in Genf, will sich aktuell noch nicht auf eine gemeinsame bürgerliche Wahlstrategie festlegen, schliesst eine solche aber auch nicht aus. Sie sagt: «Wenn wir bei den Regierungswahlen mit der FDP und der SVP zusammengehen, kann das uns bei den Parlamentswahlen Stimmen kosten.»
Die Mitte besetzt aktuell 12 von 100 Parlamentssitzen und ist mit etwas mehr als 8 Prozent relativ knapp über dem Quorum von 7 Prozent, das es einer Partei gemäss Genfer Gesetzgebung erlaubt, im Parlament vertreten zu sein. Sicher seien bürgerliche Allianzen wie jene in Freiburg oder der Waadt «keine Strategie für die Ewigkeit», weil sie sich irgendwann auch abnützten, sagt Bachmann. Die Mitte wird Mitte Juni entscheiden, mit welcher Strategie sie in die Genfer Wahlen steigt.
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