Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Politische Sensation in der Waadt
Zuger Politnovizin zieht in Waadtländer Regierung ein

Die Zuger Mitte-Politikerin Valerie Dittli (links) ist neue Waadtländer Staatsrätin. Schwester Laura kandidiert im Oktober in Zug ebenfalls für ein Regierungsamt.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Frisch war ihr Auftritt. Unbekümmert. Aber kann eine 29-jährige Zugerin, die erst seit wenigen Jahren in der Waadt lebt und noch nie ein politisches Amt innehatte, in ihrer Wahlheimat Regierungsrätin werden?

Sie kann. Diese Antwort gab das Waadtländer Stimmvolk am Sonntag. Es wählte Valérie Dittli in ihre Kantonsregierung. Die Mitte-Politikerin distanzierte die amtierende Staatsrätin Cesla Amarelle (SP) um über 4000 Stimmen, den SVP-Kandidaten Michaël Buffat gar um über 7000 Stimmen. Dittli wurde in der bürgerlichen «Alliance Vaudoise» insbesondere von den FDP-Wählerinnen und -Wählern getragen. Ihre Wahl hat sie faktisch dem Freisinn zu verdanken. Aber auch viele linke Frauen dürften für sie gestimmt haben.

Dittlis Wahl ist für die Waadt jedenfalls historisch und für die gesamte Schweiz eine Politsensation. Eine Rückblende: Noch vor drei Wochen blieb Dittli, die die kantonale Mitte-Partei präsidiert, mit ihrer Kandidatur für den Kantonsrat chancenlos. Kein einziger Mitte-Politiker schaffte die Wahl ins Waadtländer Parlament. Bei den Regierungswahlen sah für Dittli das Bild aber schon im ersten Wahlgang komplett anders aus. Obschon Politnovizin, schob sie sich mitten in die Waadtländer Politprominenz. 

Die Mitte-Partei feierte Valérie Dittli als neue Staatsrätin.

Ihr vor drei Wochen begonnenes Husarenstück vollendete die Bauerntochter aus Oberägeri mit einem Doktortitel in Rechtswissenschaften nun am Sonntag. Die Tatsache, dass sie als Regierungsrätin im Parlament keine Fraktion haben wird, beunruhigte sie überhaupt nicht. Im Parlament gebe es auch in anderen Parteien Politiker, die in ihrer Haltung der Mitte-Partei nahestünden. Und auch ohne eigene Parteikolleginnen im Rücken werde sie breit unterstützt, schätzte sie ihren künftigen Politalltag als Regierungsrätin ein. «Nicht vergessen werde ich, dass auch SVP-Wähler für mich stimmten», so die Zugerin, die zur Wahlfeier betont leger in Jeans und weissen Turnschuhen erschienen war.

Schwester Laura kandidiert in Zug

Auch Valérie Dittlis Familie war nach Lausanne gereist. Natürlich auch die um zwei Jahre ältere Schwester Laura: Ebenfalls Juristin, seit dem 21. Altersjahr Mitte-Kantonsrätin und im Oktober Kandidatin für den Zuger Regierungsrat. «Ich habe sie im Wahlkampf unterstützt und mir gewünscht, dass meine Schwester Regierungsrätin wird, aber damit gerechnet habe ich nicht», sagte sie. Valérie fehle sicherlich die Parlamentserfahrung, sie geniesse darum auch einen gewissen Anfangsbonus. «Ich hoffe, sie hat in ihrem künftigen Departement gute Leute, die sie unterstützen», wünscht sich Laura Dittli für ihre Schwester.

Die bürgerliche Allianz aus drei FDP-Kandidaten, der Mitte-Kandidatin und einem SVP-Kandidaten funktionierte bestens, jedoch nicht für alle Beteiligten. Trotz 23 Sitzen im Kantonsrat verpasste SVP-Regierungsratskandidat Michaël Buffat die Wahl klar. Kevin Grangier, Präsident der Waadtländer SVP, war über Buffats Scheitern alles andere als glücklich, die Allianz sei aber die «einzige Möglichkeit für einen Wahlerfolg gewesen», analysierte er die Ausgangslage im Rückblick. Die Situation für die SVP sei für die kommende Legislatur aber besser. Obwohl die SVP nicht in der Regierung vertreten sei, könnten die bürgerlichen Partner sie in den kommenden fünf Jahren nicht ignorieren.

Vassilis Venizelos (Grüne) schaffte die Wahl in die Waadtländer Regierung, Bildungsdirektorin Cesla Amarelle (SP) musste hingegen ihre Abwahl hinnehmen. Damit verliert die Linke im Waadtländer Staatsrat ihre Mehrheit, die sie seit 2011 innehatte. 

Eine schwere Niederlage fügte die «Alliance Vaudoise» SP und Grünen zu. Bildungsdirektorin Cesla Amarelle (SP) wurde abgewählt. Auch linke Wählerinnen und Wähler versagten ihr die Unterstützung. Auf den grünen Kandidaten Vassilis Venizelos, der in der Allianz mit der SP antrat, verlor sie 5500 Stimmen. Damit verliert die Linke ihre Regierungsmehrheit, die sie seit 2011 innehatte. Sowohl Regierung als auch Parlament sind also künftig bürgerlich. 

Auf Person gezielt

Cesla Amarelle sprach von einer «diffusen Abwahl». Es sei im Wahlkampf nicht um ihre Regierungsbilanz gegangen, sondern es sei nur über ihre Person diskutiert worden, sagte sie. Damit spielte die 48-Jährige auf die beiden Strafklagen an, die in der Zeit vor dem ersten Wahlgang gegen sie eingereicht wurden und auch politisch motiviert zu sein scheinen. Amarelle versuchte in den letzten fünf Jahren, die Waadtländer Schulen zu reformieren. Sie leitete Schritte ein, um die Chancengleichheit für alle Kinder zu erhöhen, und sie bestand darauf, dass es in der Waadt keine Schulabgänger ohne berufliche Perspektive mehr geben soll. Diese und andere Reformen forderten den Lehrerinnen und Lehrern einiges ab, und die Covid-Pandemie ermüdete das Personal, aber auch die Eltern schulpflichtiger Kinder zusätzlich. Es sei klar, dass sie vonseiten der Lehrerinnen und Lehrer und deren Umfeld kaum Unterstützung gehabt habe, so Amarelle. 

«Wir haben in den letzten Jahren für die Waadtländerinnen und Waadtländer so viele Dinge verbessert wie nie zuvor. Es fehlte uns nur die Möglichkeit, dies alles sichtbar zu machen.»

Jessica Jaccoud, Präsidentin SP Waadt

Die Kritik, die SP habe Cesla Amarelle zu wenig unterstützt und in den letzten Jahren insgesamt zu bürgerlich politisiert, wies Jessica Jaccoud, Präsidentin der SP Waadt, zurück. «Wir haben in den letzten Jahren für die Waadtländerinnen und Waadtländer so viele Dinge verbessert wie nie zuvor. Es fehlte uns nur die Möglichkeit, dies alles sichtbar zu machen», sagte Jaccoud. 

Die Grünen wiederum konnten sich immerhin darüber freuen, den langjährigen Kantonsrat Vassilis Venizelos in die Regierung gebracht zu haben. Venizelos Wahl stand in den letzten Tagen aber auf der Kippe. Im ersten Wahlgang hatte er gemessen am Potenzial der Grünen Partei ein bescheidenes Resultat erreicht. Im zweiten Wahlgang wählte das linke Lager dann aber kompakt, was ihm zur Wahl verhalf. Mit diesem Szenario und solchen Widerständen habe er gerechnet, sagt Venizelos. Ihm gehe es nun vor allem darum, in der Regierung bei der Klimapolitik eine neue Dynamik anzustossen.