Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Ausnahmezustand in Südkorea
Rücktritte und landesweiter Generalstreik – die Luft für Präsident Yoon wird dünner

epa11755035 People protest outside the National Assembly after South Korean President Yoon Suk Yeol declared martial law in Seoul, South Korea, early 04 December 2024. South Korean President Yoon Suk Yeol had declared martial law on 03 December night, citing the need to root out pro-North Korean forces and uphold the constitutional order.  EPA/HAN MYUNG-GU
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Nach der kurzzeitigen Verhängung des Kriegsrechts durch Südkoreas Präsidenten Yoon Suk-yeol wollen dessen ranghohe Berater einem Medienbericht zufolge geschlossen zurücktreten. Nach Informationen der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap sollen dazu unter anderem der Stabschef des Präsidenten sowie der nationale Sicherheitsberater gehören. Insgesamt wollen demnach zehn ranghohe Berater Yoons zurücktreten. Die Opposition forderte den Präsidenten selbst zum sofortigen Rücktritt auf.

Yoon hatte in der Nacht zum Mittwoch überraschend das Kriegsrecht ausgerufen und den Beschluss – offensichtlich auf öffentlichen Druck hin – wenige Stunden später wieder aufgehoben.

Als Begründung für die Verhängung des Ausnahmezustands hatte der konservative Staatschef die Rolle der Opposition genannt. Er beschuldigte sie, mit dem Nachbarn Nordkorea zu sympathisieren.

People gather in front of the National Assembly in Seoul, South Korea, Wednesday, Dec. 4, 2024. (AP Photo/Ahn Young-joon)

Opposition stellt Antrag auf Amtsenthebung

Die grösste Oppositionspartei hat angekündigt, Präsident Yoon wegen Aufruhrs verklagen zu wollen. «Wir werden Strafanzeige wegen Aufruhrs erstatten», erklärte die Demokratische Partei (DP) am Mittwoch. Diese werde sich gegen Yoon, seine Innen- und Verteidigungsminister sowie Schlüsselpersonen aus Armee und Polizei richten.

Zudem hat die Opposition einen Antrag auf die Amtsenthebung von Präsident Yoon Suk-yeol gestellt. «Wir haben einen Amtsenthebungsantrag eingereicht, der dringend vorbereitet werden muss», sagten Vertreter von sechs Oppositionsparteien, darunter die grösste demokratische Partei DP, am Mittwoch bei einer Pressekonferenz. Demnach könnte der Antrag bereits am Freitag zur Abstimmung gestellt werden.

Laut der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap wurde der Antrag von 191 der insgesamt 300 Abgeordneten unterzeichnet. Demnach unterstützte kein Vertreter der Regierungspartei das Vorhaben. Der Antrag soll am Donnerstag in der Nationalversammlung eingebracht werden und entweder am Freitag oder Samstag zur Abstimmung kommen.

Aufruf zu landesweitem Generalstreik

Der wichtigste Gewerkschaftsverband des Landes rief am Mittwoch zu einem «unbefristeten Generalstreik» bis zum Rücktritt des Präsidenten auf. Auch der Chef von Yoons Regierungspartei, Han Dong-hoon, sprach von einer «tragischen Situation» und gab an, alle Verantwortlichen müssten «streng zur Rechenschaft gezogen werden». Nach Berichten der Nachrichtenagentur Yonhap boten hochrangige Mitarbeiter Yoons am Mittwoch wegen der Verhängung des Kriegsrechts an, geschlossen zurückzutreten.

Auch der südkoreanische Verteidigungsminister Kim Yong-hyun hatte sich offen für die Verhängung des Kriegsrechts ausgesprochen. Nun zieht der Politiker die Konsequenzen. Kim hat nach Medienberichten seinen Rücktritt angeboten. Er gilt als Befürworter der Entscheidung von Präsident Yoon, das Kriegsrecht auszurufen. Laut der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap bat der Verteidigungsminister auch öffentlich um Entschuldigung, Aufruhr verursacht zu haben.

epa11754572 A helicopter hovers over the National Assembly in Seoul shortly after South Korean President Yoon Suk Yeol declared martial law in Seoul, South Korea, 03 December 2024. South Korean President addressed the nation citing the need to root out pro-North Korean forces and uphold the constitutional order. EPA/YONHAP SOUTH KOREA OUT

Die Nationalversammlung forderte den Präsidenten wenig später auf, den Ausnahmezustand wieder aufzuheben. Alle 190 anwesenden Abgeordneten stimmten für den Antrag. Hinweise auf eine Verwicklung des totalitär regierten Nachbarlands Nordkorea in die Situation gab es nicht.

Demonstranten fordern Amtsenthebung von Yoon

Südkoreas Opposition hat den Präsidenten zum sofortigen Rücktritt aufgefordert. Sollte Yoon nicht von sich aus zurücktreten, werde man unverzüglich ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten einleiten, kündigte die Demokratische Partei am Mittwoch laut Medienberichten bei einer Dringlichkeitssitzung in der Nationalversammlung an. Die Ausrufung des Kriegsrechts sei «ein klarer Verstoss gegen die Verfassung» gewesen.

Hunderte Demonstranten versammelten sich vor dem Parlament, schwenkten Transparente und forderten die Amtsenthebung von Yoon. Einige Demonstranten lieferten sich ein Handgemenge mit Sicherheitskräften, aber es gab keine unmittelbaren Berichte über Verletzungen oder grössere Schäden.

epa11754812 Soldiers withdraw from the National Assembly in Seoul following the passage of a resolution during an emergency plenary session of National Assembly urging the president to revoke martial law in Seoul, South Korea, early 04 December 2024. President Yoon Suk Yeol had declared martial law on 03 December night, citing the need to root out pro-North Korean forces and uphold the constitutional order.  EPA/YONHAP SOUTH KOREA OUT

Yoons Vorgehen weckte Erinnerungen an eine Ära autoritärer Regierungen, wie sie das Land seit den 1980er Jahren nicht mehr erlebt hat. Neben harscher Kritik aus den Reihen der Opposition wurde es sogar vom Vorsitzenden von Yoons eigener konservativer Volksmacht-Partei (PPP) verurteilt. Han Dong-hoon bezeichnete die Massnahme als falsch und kündigte an, sie «mit dem Volk» zu stoppen.

Parlament wurde von Polizisten und Soldaten abgeriegelt

Kurz nach Yoons Rede hatte der Parlamentspräsident Woo Won-shik die Abgeordneten über seinen Youtube-Kanal dazu aufgerufen, zur Nationalversammlung zu kommen. Die anwesenden Parlamentarier stimmten für die Aufhebung des Kriegsrechts.

Woo erklärte, das Kriegsrecht habe keine Gültigkeit und die Abgeordneten würden die Demokratie zusammen mit dem Volk schützen. Polizei und Militär verliessen das Parlamentsgebäude, nachdem Woo sie zum Rückzug aufgefordert hatte. Der DP-Vorsitzende Lee Jae-myung sagte, die Abgeordneten seiner Partei würden im Saal bleiben, bis Yoon seine Anordnung formell aufhebe.

Zuvor waren TV-Bilder gesendet worden, die Polizisten zeigten, die den Parlamentseingang blockierten sowie Soldaten, die vor dem Gebäude mit Gewehren Position bezogen.

epa11754584 Soldiers prepare to enter the main hall of the National Assembly in Seoul following President Yoon Suk Yeol's declaration of martial law in Seoul, South Korea, 04 December 2024. South Korean President addressed the nation citing the need to root out pro-North Korean forces and uphold the constitutional order.  EPA/YONHAP SOUTH KOREA OUT

Laut der Verfassung kann der südkoreanische Präsident in «Kriegszeiten, kriegsähnlichen Situationen oder anderen vergleichbaren nationalen Notlagen», die den Einsatz militärischer Gewalt zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung erfordern, das Kriegsrecht ausrufen. Es war fraglich, ob sich Südkorea derzeit in einem solchen Zustand befindet.

Ist die Ära Yoon vor dem Ende?

Yoon, der seit Monaten mit sinkenden Umfragewerten zu kämpfen hat, tut sich seit seinem Amtsantritt im Jahr 2022 schwer, seine Agenda gegen das von der Opposition kontrollierte Parlament durchzusetzen. Dort hat die Demokratische Partei (DP) von Oppositionsführer Lee die Mehrheit.

Yoons PPP streitet mit der DP über ein Haushaltsgesetz für das kommende Jahr. Die Opposition hat sich zudem darum bemüht, drei hochrangige Staatsanwälte des Amtes zu entheben. Die Konservativen haben dies als Rachefeldzug angesichts von Ermittlungen gegen DP-Chef Lee bezeichnet, der laut Umfragen die Präsidentschaftswahl 2027 gewinnen könnte.

FILE - South Korean President Yoon Suk Yeol answers a reporter's question during a news conference at the Presidential Office in Seoul, South Korea, Thursday, Nov. 7, 2024. (Kim Hong-Ji/Pool Photo via AP, File)

In Washington zeigte sich das Weisse Haus ernsthaft besorgt über die Ereignisse in Seoul. Ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates sagte, die Regierung von Präsident Joe Biden sei nicht vorab über die Verhängung des Kriegsrechts informiert worden und stehe in Kontakt mit der südkoreanischen Regierung.

Südkorea befindet sich mit Nordkorea technisch gesehen seit dem Ende des Korea-Krieges 1953 formell weiter im Kriegszustand, da der Konflikt mit einem Waffenstillstand und nicht mit einem Friedensvertrag endete. Beide Länder trennt eine etwa vier Kilometer breite entmilitarisierte Zone. Die Beziehungen zwischen beiden Ländern befinden sich derzeit auf einem Tiefpunkt.

DPA/AFP/fem/oli