Pleite für WirtschaftslobbySteuerprivilegien für Reedereien vor dem Aus
Die Schifffahrtsbranche wollte nicht mehr nach Gewinn, sondern nach Ladekapazität besteuert werden. Daraus dürfte nichts werden.
Am Montagmorgen ist im Bundeshaus wohl eine weitere schweizweite Steuerreform gescheitert. Eine deutliche Mehrheit der Wirtschaftskommission des Ständerats beantragt dem Plenum für die bevorstehende Frühlingssession, nicht auf die Vorlage zur sogenannten Tonnagesteuer einzutreten. Das zeigen Recherchen dieser Redaktion. Die politischen Chancen der Steuerreform sind gemäss Beobachtern nur noch minim.
Mit einer Einführung der Tonnagesteuer hätten in der Seeschifffahrt tätige Unternehmen wählen können, für einzelne Schiffe nicht mehr Gewinnsteuern, sondern Pauschalen für die Ladekapazität zu bezahlen.
Das hätte für sie einerseits eine bessere Planbarkeit der Steuerlast bedeutet: Die Profite in der Frachtbranche sind sehr volatil. Auf Jahre mit riesigen Gewinnen und dementsprechend hohen Steuern folgen oft solche mit sehr kleinen Gewinnen oder gar Verlusten.
Andererseits wäre mit der Tonnagesteuer die durchschnittliche Steuerlast für die Unternehmen deutlich leichter ausgefallen als heute. Für die grossen Konzerne, die von der auf Anfang 2024 eingeführte OECD-Mindeststeuer betroffen sind, beträgt sie neu im Minimum 15 Prozent. Mit der Tonnagesteuer hätten die Unternehmen rund die Hälfte bezahlt.
Neue Infos überzeugten nicht
Dabei handelt es sich nicht nur um klassische Schifffahrtsunternehmen, sondern auch um Rohstofffirmen mit eigener Flotte. Auch Kreuzfahrtschiffe, wie sie zum Beispiel MSC mit Sitz in Genf teilweise betreibt, wären unter die Steuer gefallen. Gemäss dem Bundesrat besitzen Unternehmen mit Sitz in der Schweiz rund 2000 Hochseeschiffe. Bis auf ein Dutzend davon fahren allerdings fast alle unter anderer Flagge.
Weltweit wenden Länder die Tonnagesteuer an, um sich für Schifffahrtsunternehmen attraktiver zu machen. Darauf stützte sich das Hauptargument der Wirtschaftslobby rund um den Dachverband Economiesuisse, die sich für das Instrument starkgemacht hat: Die anderen haben es auch, warum sollten wir es nicht einführen? Die Hoffnung war – wie immer im Steuerwettbewerb –, dass die tieferen Steuern zusätzliche Firmen anziehen würden.
Die Wirtschaftskommission des Ständerats hatte noch im Herbst mehr Informationen über die finanziellen Konsequenzen der neuen Steuer von der Verwaltung eingefordert. Diese haben die Mehrheit der Mitglieder nun offenbar nicht überzeugt. Dem Vernehmen nach wollten neben der Linken die meisten Vertreter der FDP nicht auf die Vorlage eintreten.
Sogar die Finanzministerin war dagegen
Ihnen war bewusst, dass die Reform selbst bei Annahme durch das Parlament politisch geringe Chancen gehabt hätte: Die Linke hatte für diesen Fall bereits das Referendum angedroht und sich Chancen auf einen deutlichen Sieg ausgemalt. Die Stimmbevölkerung hatte in den letzten Jahren bereits die Unternehmenssteuerreform III und die teilweise Abschaffung der Stempel- beziehungsweise der Verrechnungssteuer abgelehnt.
Die Tonnagesteuer hätte es in einer Abstimmung besonders schwer gehabt, weil sie möglicherweise sogar quer zur Verfassung gestanden wäre: Sie bricht mit dem Prinzip der Besteuerung nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit.
Aus all diesen Gründen, so wurde vergangenen Sommer bekannt, war auch Finanzministerin Karin Keller-Sutter der Vorlage gegenüber negativ eingestellt. Keller-Sutters Vorgänger Ueli Maurer hatte das Geschäft auch nur ausarbeiten müssen, weil der Auftrag 2016 vom Parlament gekommen war.
Dieses wiederum hatte den Auftrag erteilt, weil es die sowieso schon absturzgefährdete Unternehmenssteuerreform III nicht mit einem weiteren umstrittenen Instrument beladen wollte. Die Tonnagesteuer-Vorlage glich in den letzten Jahren der heissen Kartoffel, die keiner will.
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