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SRG-Präsident im Interview
«Roger Schawinski kann sich gern als SRG-Direktor bewerben»

SRG-Präsident Jean-Michel Cina. © Adrian Moser / Tamedia AG
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Herr Cina, wie sicher sind Sie, dass die Halbierungsinitiative abgelehnt wird?

Ich bin mir sicher, dass es uns gelingen wird, mit sachlicher Argumentation die Bevölkerung erneut zu überzeugen, wie gross die Bedeutung unseres Service public für unser Land ist.

Medienminister Albert Rösti sieht das anders: Er hält ein Ja für möglich – und will das mit einem Gegenvorschlag verhindern. Statt sofort von 335 auf 200 Franken will der Bundesrat die Radio- und Fernsehgebühren in zwei Schritten auf 300 Franken senken. Die SRG hat sich auch gegen dieses Kompromissangebot ausgesprochen. Warum?

Sie müssen das richtig einordnen: Der Bundesrat hat noch gar nichts entschieden. Er gibt in einer Vernehmlassung den Betroffenen und allen Interessierten die Gelegenheit, sich zu seinem Vorschlag zu äussern. Wir haben aufgezeigt, dass wir mit den vom Bundesrat geplanten Reduktionen 240 Millionen pro Jahr sparen und 900 Vollzeitstellen abbauen müssten. Damit könnten wir unseren heutigen Auftrag mittelfristig nicht mehr erfüllen.

Sie übertreiben. Bundesrat Rösti rechnet vor, sein Vorschlag bedeute eine Reduktion um nur 170 Millionen Franken. Und das bei einem Budget von 1,55 Milliarden Franken. Warum soll es nicht möglich sein, das einzusparen?

Wir gehen von 240 Millionen aus, weil uns auch der Teuerungsausgleich gestrichen wird. Der Bundesrat erwartet, dass wir aufzeigen, welche Folgen sein Vorschlag hätte. Denn er gibt uns mit der Konzession ja auch einen präzisen Leistungsauftrag: in allen Sprachregionen ein gleichwertiges publizistisches Programm anzubieten, das solidarisch finanziert ist.

Albert Rösti sagt, mit seinem Vorschlag sei der Leistungsauftrag nicht gefährdet.

Wenn wir mit dem Geld, das uns der Bundesrat zur Verfügung stellt, den Leistungsauftrag nicht erfüllen können, müssen wir das klar sagen. Und das haben wir gemacht.

In der Öffentlichkeit kommt das anders an: Die SRG will nicht sparen und schlägt die Hand aus, die ihm der Bundesrat reicht, um ein Ja bei der Halbierungsinitiative zu verhindern.

Wir haben solide gerechnet und die Folgen des Vorschlages aufgezeigt.

Bei ihrem Generaldirektor Gilles Marchand tönt es alles andere als nüchtern. Er sagte, die Halbierungsinitiative sei eine «Attacke auf die Schweiz» und ein Ja «wäre eine Vollkatastrophe».

Man muss diese Aussagen im richtigen Kontext sehen: Wir haben den Auftrag, in allen Sprachregionen gleichwertige Angebote zu bieten. Das ist ein Teil der Schweizer Identität. In diesem Kontext verstehe ich die Aussage von Gilles Marchand.

Das sind Untergangsszenarien.

«Untergangsszenarien» ist Ihre Bewertung. Nochmals: Es ist mir wichtig, dass wir die Folgen eines allfälligen Entscheids transparent aufzeigen. Ich will mir später nicht vorwerfen lassen, ich hätte viel früher und viel deutlicher die möglichen Konsequenzen eines solchen Entscheids aufzeigen müssen.

SRG-Präsident Jean-Michel Cina. © Adrian Moser / Tamedia AG

2022 hat die SRG 1,2 Milliarden Franken Gebühren eingenommen. 1990 waren es erst 541 Millionen Franken gewesen, also nicht einmal die Hälfte. Hat die SRG denn damals den Leistungsauftrag nicht erfüllt?

1990! Das sind mehr als dreissig Jahre! Damals waren Personal-, Technologie-, Distributions- und Produktionskosten auf einem ganz anderen Level. Sie können das nicht vergleichen.

Nicht nur die Kosten sind gestiegen, Sie haben auch Ihr Angebot ausgebaut.

Wir haben das Angebot an die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer angepasst. Und an den Leistungsauftrag, den uns der Bundesrat gegeben hat.

Private Medienunternehmen in der Schweiz bauen massiv Stellen ab. Die SRG hat in dieser Zeit von unter 5000 auf über 5500 Stellen zugelegt. Warum soll die SRG nicht sparen, wenn das die Privaten tun?

Der Personalbestand nimmt nicht zu, sondern ist längerfristig stabil. Auch wir müssen sparen: Die SRG hat den Betriebsaufwand zwischen 2014 und 2022 um 120 Millionen Franken reduziert.

Im Vergleich mit den privaten Medien haben Sie es dank der Gebühren immer noch gut.

Es schmerzt mich persönlich, wenn ich sehe, wie das klassische Geschäftsmodell der Verlage dermassen unter Druck kommt.

SRG-Präsident Jean-Michel Cina. © Adrian Moser / Tamedia AG

Für die Privatmedien ist die SRG als Konkurrenz mit ihrem Onlineangebot ein Teil des Problems.

Wir sind weder die Ursache der Probleme der privaten Medien, noch können wir die Lösung dieser Probleme sein. Auch unser Onlineangebot gehört zum Leistungsauftrag. Hier sprechen wir vor allem Junge an, die wir via Radio und Fernsehen etwas weniger erreichen. Ich vergleiche die SRG und Privatmedien gern mit einem Feldstecher.

Wie bitte?

Ein Feldstecher hat zwei Linsen. Wenn Sie durch beide schauen, haben Sie ein genaues, differenziertes Bild der Wirklichkeit. Wenn nun eine Linse verkratzt ist, wird das Bild unscharf. Wenn man die andere Linse auch zerkratzt, macht es den Feldstecher schlechter, nicht besser.

Sie meinen, die SRG durch Gebührensenkungen zu schwächen, schadet dem Medienplatz Schweiz insgesamt?

Richtig.

Kritiker wie Roger Schawinski sagen, die Untergangsszenarien Marchands seien «schlechter Stil». Spielte die Kritik bei Marchands Abgang von der SRG-Spitze eine Rolle?

Nein, das ist eine komplett falsche Schlussfolgerung. Eine der wichtigsten Aufgaben eines Verwaltungsrats ist es, eine Nachfolgeplanung vorzubereiten. Gilles Marchand und ich haben gemeinsam eine gründliche Analyse gemacht und sind zum Schluss gekommen: Jetzt ist der richtige Moment, um einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin Platz zu machen. Die neue Person wird im Abstimmungskampf 2026 präsent sein müssen.

Was muss der Nachfolger von Gilles Marchand für den Job mitbringen?

Der neue Generaldirektor oder die neue Generaldirektorin muss sich erstens mit den Medien und insbesondere mit der Digitalisierung auskennen. Zweitens muss die Person die politischen und kulturellen Gegebenheiten der Schweiz gut kennen und mehrsprachig sein. Drittens muss sie in der Lage sein, ein stark exponiertes und dezentralisiertes nationales Unternehmen mit mehreren Tausend Mitarbeitern zu führen und zu gestalten.

Kenner des Auswahlverfahrens sagen, die Kriterien seien darauf ausgelegt, dass eigentlich nur die heutige Direktorin des Deutschschweizer Radios und Fernsehens infrage kommt, nämlich Nathalie Wappler.

Alle, die sich für die Position interessieren, müssen sich über den ordentlichen Ausschreibungsprozess dem Auswahlverfahren stellen. Und um die Antwort auf Ihre nächste Frage gleich vorwegzunehmen: Ob Mann oder Frau, ist egal – wir suchen die passendste Person.

Erwarten Sie von der Nachfolge Marchands einen geschmeidigeren Umgang mit der Initiative und den politischen Herausforderungen?

Wir brauchen wieder eine starke Persönlichkeit, die kommunikationsstark, mit Überzeugungskraft, Engagement und, ja, mit viel Herzblut den medialen Service public verkörpert.

Also jemanden wie Roger Schawinski?

Ich kenne Herrn Schawinski zu wenig gut, um das beurteilen zu können. Ich denke, es gibt genug Personen, die das notwendige Rüstzeug und Herzblut haben. Aber er kann sich gern bewerben.

Gilles Marchand verdiente im vergangenen Jahr 514’184 Franken – mehr als ein Bundesrat. Wie rechtfertigen Sie diesen Lohn?

Ein Bundesrat erhält zusätzlich zu seinem Lohn ein lebenslanges Ruhegehalt in Höhe des halben Jahreslohnes. Das übersteigt dann deutlich das Gehalt unseres Generaldirektors. Und auch im Vergleich zu bundesnahen Betrieben ist die Entschädigung tiefer angesetzt.

Wann fragen Sie Albert Rösti, ob die ausgewählte Person als Generaldirektor oder -direktorin genehm ist?

Das werde ich nicht. Der Verwaltungsrat und die Delegiertenversammlung der SRG sind für den Entscheid allein zuständig. Unsere Unabhängigkeit ist unser höchstes Gut. Darauf beruht das Vertrauen, das uns die Bevölkerung entgegenbringt.

Ihr Parteifreund Mitte-Präsident Gerhard Pfister schimpft die SRG einen «Saftladen» und will die Finanzen von der Eidgenössischen Finanzkontrolle überprüfen lassen. Würden Sie eine solche Überprüfung begrüssen?

Natürlich ist es wichtig, dass wir eine wirksame Aufsicht haben, aber die haben wir bereits. Das beginnt beim aktienrechtlich verantwortlichen Verwaltungsrat. Dann haben wir eine interne Revision, die dem Verwaltungsrat unterstellt ist, und wir haben eine externe Revision. Dann gibt es noch die Aufsicht des Uvek und von unserem Regulator, dem Bakom. Die Finanzkontrolle kann heute schon vom Uvek beigezogen werden.

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Macht es Ihnen Sorgen, dass Ihre eigene Partei die SRG nicht mehr so bedingungslos unterstützt wie auch schon?

Die SRG ist nicht abhängig von einzelnen Parteien oder Interessengruppen. Für mich sind alle politischen Entscheidungsträger gleich relevant. Wir versuchen alle von der Wichtigkeit des medialen Service public zu überzeugen.

Ex-Generaldirektor Armin Walpen hat den Vorschlag gemacht, die Ihnen kritisch gesinnte SVP durch eines ihrer Schwergewichte besser im Verwaltungsrat einzubinden.

Das ist nicht neu. Wir hatten schon früher SVP-Vertreter im Verwaltungsrat. Heute ist das Hans-Ueli Vogt. Er war Nationalrat und Bundesratskandidat. Das ist doch Schwergewicht genug. Als Rechtsprofessor an der Uni Zürich ist er jedenfalls eine Bereicherung für uns.

Wann haben Sie sich zum letzten Mal über eine Sendung geärgert?

Jetzt wollen Sie mir Kritik an der SRG entlocken, aber den Gefallen tue ich Ihnen nicht. Kürzlich gab es eine technische Panne bei der «Tagesschau» von SRF. Die Equipe hat sie hochprofessionell gemeistert. Da habe ich mich spontan gemeldet und ein grosses Lob ausgesprochen.

Ihre eigenen Ombudsstellen und die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen stellen immer wieder fest, dass SRG-Journalistinnen und -Journalisten einseitig berichten.

Sie werden kaum jemanden finden, der alles gut findet, was wir machen.

Ausser offenbar Sie als Präsident …

Nein, ernsthaft jetzt: Ja, es gibt Fälle, in denen wir Fehler machen. Klar, das schmerzt. Aber dann sage ich: «Okay, jetzt lernen wir daraus und setzen alles daran, es künftig besser zu machen.»

Für Betroffene ist das ein schwacher Trost.

Alle, die nicht zufrieden sind, können das der Ombudsstelle melden. Und wer dann immer noch nicht zufrieden ist, kann zur Unabhängigen Beschwerdeinstanz. Dass man sich dort wehren kann, ist ja genau die Stärke der Service-public-Medien.

Dass die SRG einen Linksdrall habe, wird immer wieder kritisiert.

Ja, auch so ein Klassiker, der immer wieder kommt. Aber es stimmt einfach nicht. Die Uni Zürich untersucht das regelmässig und kommt dann zum Schluss, dass die SRG-Sender zu den ausgewogensten Medien in der Schweiz gehören.

Und diese Verpflichtung sehen Sie auch eingehalten?

Ja, mit Ausreissern, die passieren können.

Haben Sie schon zum Telefon gegriffen, wenn Sie so einen Fehler festgestellt haben?

Der Verwaltungsrat hat kein Recht, in die redaktionelle Arbeit in irgendeiner Form einzugreifen, und er tut das auch nicht.

SRG-Präsident Jean-Michel Cina. © Adrian Moser / Tamedia AG

Die Versuchung ist sicher gross.

Nein. Da können Sie mir ganz tief in die Augen schauen: Dieses Prinzip ist für mich zentral. Hier geht es um Wahrung der inneren Pressefreiheit. Wir sind wirtschaftlich und politisch unabhängig. Und ich bin froh, dass die SRG keinen Verleger hat, der der Redaktion hineinredet.