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Schawinski über SRG-Chef Marchand
«Das ist schlechter Stil, völlig daneben»

Roger Schawinski, Journalist, Autor, Radiomoderator, portraitiert am  26. Mai 2021 in Zuerich (KEYSTONE/Gaetan Bally)
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Herr Schawinski, was ist vom Rücktritt Gilles Marchands als SRG-Generaldirektor zu halten?

Der Vorgang erinnert sehr an den Rücktritt von Roger de Weck vor sechs Jahren: Auch de Weck stand damals als SRG-Generaldirektor recht kurz vor der Pensionierung und musste einem Neuen Platz machen, der die SRG durch die No-Billag-Abstimmung führen sollte. Es gab starke Kräfte, offenbar auch die damalige Medienministerin Doris Leuthard, die sich damals für die Ablösung de Wecks starkmachten.

De Wecks Nachfolger war dann Gilles Marchand. Was spricht heute gegen ihn?

Erstens hat Marchand auf die Halbierungsinitiative vollkommen kopflos reagiert. Er verbreitete Untergangsszenarien für den Fall einer Annahme. In einem Interview verstieg er sich zur Aussage, die Initiative sei ein «Angriff auf die Schweiz». Das alles kam ganz schlecht an.

Gilles Marchand, Generaldirektor SRG spricht an einer Medienkonferenz, am Freitag, 16. April 2021, in Bern. Die Leitung der SRG nimmt Stellung zu Belaestigungsvorwuerfen vom November 2020. (KEYSTONE/Peter Schneider)

Und zweitens?

Die SRG-Spitze hat auf den Kompromissvorschlag des neuen Medienministers für eine massvolle Reduktion der Radio- und Fernsehgebühren mit einer absolut falschen Kommunikationsstrategie reagiert.

Nämlich?

Albert Rösti ist der SRG ja stark entgegengekommen, indem er vorschlug, die Gebühr massvoll auf 300 Franken zu kürzen. Das sind immer noch 100 mehr als die 200 Franken, welche die Initiative verlangt. Damit wäre den Initianten die Luft ausgegangen. Statt das anzuerkennen, hat Marchand den Medienminister frontal angegriffen und dessen Zahlen in Zweifel gezogen. Ich weiss, dass das Rösti persönlich getroffen hat.

Marchand kämpft eben für seine SRG.

Aber in einer Zeit, in der alle Medien massiv sparen müssen und unglaubliche Einschnitte vornehmen, wäre etwas Opfersymmetrie bei der SRG angebracht. Eine Reduktion von 335 auf 300 Franken in sechs Jahren ist ja eigentlich ein Klacks. Sich dagegen zur Wehr zu setzen, ist schlechter Stil, völlig daneben.

Marchand wäre also der falsche SRG-Direktor für den Abstimmungskampf zur Halbierungsinitiative gewesen?

Das gibt die SRG in ihrer Mitteilung ja selbst zu! Gerade in der Deutschschweiz ist Marchand nie richtig angekommen.

Wer sollte Ihrer Meinung nach die Nachfolge von Marchand antreten?

Das wird ganz, ganz schwierig. Es müsste jemand sein, die oder der sowohl politisch als auch bei Radio und TV und beim Marketing einen grossen Erfahrungsrucksack mitbringt.

Welche anderen Kriterien muss die Nachfolgerin oder der Nachfolger erfüllen?

Es muss eine Person sein, die im Herzen Fernsehen und Radio und die Mitarbeitenden liebt. Das vermisse ich bei der ganzen heutigen SRG-Führung. Da gab es in letzter Zeit einfach schlicht keine sichtbaren Innovationen. Ausser immer mehr Tiktok-Filmchen und ähnliches.

Was muss die Person als Erstes konkret ändern?

Sie muss beim Übermass dieser volkstümlichen Sendungen aufräumen. Natürlich bringen die hohe Einschaltquoten. Aber imagemässig ist es gar nicht gut, wenn da am Samstagabend gekocht wird und selbst Parteipräsidenten zum Kochen ins Studio eingeladen werden. Dies ist ein Sauglattismus der extremeren Art und einem Service Public-Sender nicht würdig. Das muss ein Nachfolger infrage stellen.

Genannt wird bereits Nathalie Wappler, die heutige Direktorin des Deutschschweizer Radios und Fernsehens SRF. Sie ist heute die Stellvertreterin von Gilles Marchand.

Ja, aber ihr Leistungsausweis ist, würde ich zurückhaltend sagen, sehr bescheiden. Nathalie Wappler kam 2019 vom Mitteldeutschen Rundfunk MDR. Dort hat sie ihren Fünfjahresvertrag nicht erfüllt, blieb nur zwei Jahre, in denen sie nichts erreichte, wie sie selbst in einem Interview erklärt hat. Und wenn man schaut, was SRF in seiner bisherigen Amtszeit geleistet hat, würde ich sagen, ist ihr Leistungsausweis kaum besser als beim MDR im ostdeutschen Halle.

Im Gespräch sind auch Alt-Bundesrätin Doris Leuthard und die Medienmanagerin Ladina Heimgartner, die bis 2019 stellvertretende SRG-Generaldirektorin war. Was halten Sie von diesen Optionen?

Doris Leuthard war eine hervorragende Politikerin, die ich sehr schätze. Damit hat sie wohl nicht das richtige Profil für diesen Job. Ladina Heimgartner wäre sicher eine echte Kandidatin, wenn sie sich bewerben würde. Für sie als neue Chefin von Ringier Schweiz ist jedoch der Zeitpunkt dieser Vakanz nicht optimal.

Fällt Ihnen ein anderer Name als Nachfolger von Marchand ein?

Das ist wie gesagt schwierig. Aber man könnte ja einen überraschenden Namen nennen. Zum Beispiel Jonas Projer.

Portrait von Jonas Projer, Chefredaktor der NZZ am Sonntag, fotografiert im Gebaeude der NZZ.
17.06.2022
(URS JAUDAS/TAGES-ANZEIGER)

Projer war bis 2019 Moderator der «Arena» auf SRF. Dann baute er den Fernsehkanal Blick TV auf. Vor zwei Jahren wurde er Chefredaktor der «NZZ am Sonntag», die sich aber im letzten Sommer wegen «strategischer Differenzen» von ihm trennte. Warum soll Jonas Projer der geeignete Nachfolger von Gilles Marchand sein?

Er kennt das Fernsehen. Er weiss, wie das Medium funktioniert und hat bewiesen, dass er Fernsehen mit Leidenschaft macht. Als «Arena»-Moderator hat er gezeigt, dass er politisches Gespür hat und selbst mit grossen Tieren respektvoll, aber auch bestimmt auftreten kann. Zudem hat er eine Frau aus dem Welschland, lebte lange in Brüssel, ist also praktisch Bilingue. Vor allem aber strahlt er unglaublich viel Euphorie aus.