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Meinung

Analyse zum Spionageparadies Schweiz
So werden wir die Agentinnen und die Killer los

Die Spuren des Giftanschlags auf den britisch-russischen Doppelagenten Sergei Skripal führen an den Genfersee.
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Die Schweiz ist nicht nur ein Wander-, sondern auch ein Spionageparadies. Für Agentinnen und Agenten gibt es bei der UNO in Genf, beim Bund in Bern, bei der Pharma in Basel oder den Banken in Zürich viel zu holen. Hinzu kommt: Wird man beim Spitzeln erwischt, ist das Risiko verschwindend klein, dass man belangt wird.

Die letzte Verurteilung eines ausländischen Agenten durch ein Schweizer Gericht? Sie liegt ein Vierteljahrhundert zurück. 1998 war eine Verwanzungs­operation des israelischen Mossad in einem Keller in Liebefeld bei Bern aufgeflogen. Aus dem Fall lassen sich einige Lehren für heute ziehen.

Es ist höchste Zeit dafür, denn die Schweiz hat ein Problem, das gravierender ist, als viele annehmen. Unsere Redaktion konnte in den vergangenen Tagen in Artikeln, einer Podcast-Serie und in einem Buch (das es beispielsweise hier zu kaufen gibt) aufzeigen, dass der russische Militärgeheimdienst nicht nur die Genfersee­region als Basis nutzte, um Hacking- und gar Vergiftungsmissionen anderswo in Europa zu planen. Sondern er beschaffte auch noch jüngst in Bern Scharfschützenmunition und im Baselbiet Laborgeräte, die potenziell zur Herstellung von Chemiewaffen eingesetzt werden können. Aber auch chinesische oder iranische Agentinnen und Agenten nutzen das günstige Umfeld, um militärische und industrielle Geheimnisse auszuforschen – oder um Menschen, die in der Schweiz leben, nachzustellen und ihre Familien zu drangsalieren.

Fünf Schritte drängen sich auf, um das Gebaren zu stoppen.

  1. Schluss mit der Naivität: Die Schweiz muss sich bewusst werden, wie gefährlich das Dulden von Spionage ist. Die aggressive Tätigkeit russischer Militäragenten beispielsweise löst viel Leid aus. Da kann man nicht wegschauen, nur weil ihre Opfer im Ausland sind.

  2. Aussenpolitische Rücksicht ablegen: Die Schweiz ist fast das einzige westliche Land, das bislang keine russischen Scheindiplomaten – also Agenten unter diplomatischem Deckmantel – zu unerwünschten Personen erklärt hat. Wieso man dies in den viel friedlicheren 90er-Jahren tat und seither nicht mehr, kann niemand schlüssig erklären. Die aussenpolitische Rücksicht, die als Grund angeführt wird, darf niemals so gross sein, dass Staatsverbrechen hingenommen werden.

  3. Klare Kante zeigen: Vor einem Vierteljahrhundert hat es dem Ansehen der Schweiz nicht geschadet, dass ein Mossad-Agent vor das Bundesstrafgericht gestellt und verurteilt wurde – im Gegenteil: Israels Geheimdienste fielen danach in unserem Land lange nicht mehr durch unerwünschte Operationen auf. Wenn die Schweiz weder politisch noch strafrechtlich entschieden vorgeht, legt dies ein Wladimir Putin als Freipass aus.

  4. Transparenz schaffen: Fasst der deutsche Generalbundesanwalt eine Spionin oder einen Spion, informiert er in der Regel noch am selben Tag darüber. Kommuniziert werden dann der Vorname, der abgekürzte Nachname und weitere Angaben zu den Verdächtigen sowie der Sachverhalt. In der Schweiz gibt es nichts dergleichen. Dass es auch anders ginge, zeigte die damalige Bundesanwältin Carla Del Ponte beim Mossad-Fall. Sie hielt dazu gleich zwei Medienkonferenzen ab. Wer nicht informiert, verzichtet freiwillig auf eine der einfachsten Möglichkeiten der Spionageabwehr: Abschrecken durch Transparenz.

  5. Stärkung durch Bündelung der Kräfte: Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) hat jüngst kleine Erfolge erzielen können. Seine Operationen führten beispielsweise zum Auffliegen der erwähnten russischen Beschaffung von Scharfschützenmunition und von Laborgeräten. Die Schweizer Gegenspionage konzentriert sich auf Russland und China, von denen spionagemässig die grösste Gefahr ausgeht. Abgesehen davon gibt der NDB, stark durch eine Reorganisation absorbiert, ein schlechtes Bild ab, und die Kantone beklagen sich ganz offen über dessen Leistung. Er gehört zu den kleinsten Nachrichtendiensten in Europa, und Forderungen aus dem Parlament nach mehr Stellen sind verständlich. Mindestens ebenso überlegenswert ist es aber, zusätzlich auch nachrichtendienstlich stärker aufs Milizsystem zu setzen. Die Schweiz verfügt über beste technische Hochschulen und Hightechunternehmen mit vielen Technologie-Cracks. Israel macht es vor, wie man ein solches Potenzial für die Geheimdienste nutzen kann. Der NDB sowie der kleine Militärische Nachrichtendienst des Bundes sollten Ähnliches in die Wege leiten. Damit unser Land irgendwann kein Spionage-, sondern nur noch ein Wanderparadies ist.