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Kremlchef unter Beobachtung
Spekulationen um Putins Gesundheit halten sich hartnäckig

Was geht in seinem Kopf vor? Wladimir Putin bei einem Treffen im Kreml am 25. Mai. 
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Ist Wladimir Putin krank, ist sein Leben gar ernsthaft bedroht? Die Boulevardpresse und viele Diagnostiker in den sozialen Medien spekulieren seit Wochen fieberhaft über den Gesundheitszustand des russischen Präsidenten. Kein Aspekt ist ihnen zu klein, um weitreichende Schlussfolgerungen zu ziehen. Während der russische Angriffskrieg in seinen vierten Monat geht, deuten nun auch seriösere Quellen und Spitzenpolitiker an, dass der Kremlchef ernsthaft krank sein könnte.

Am Sonntag sah sich Aussenminister Sergei Lawrow erstmals seit Kriegsbeginn genötigt, sich zu Putins Gesundheit zu äussern. Dem französischen TV-Sender TF 1 sagte er auf eine entsprechende Frage hin: Putin trete «jeden Tag» in der Öffentlichkeit auf. Man könne ihn auf Bildschirmen sehen, seine Reden lesen und anhören. «Ich glaube nicht, dass vernünftige Menschen bei dieser Person Anzeichen für irgendeine Art von Krankheit oder Gebrechen sehen können.»

Krebs, Putsch und Oligarcheninfos 

Die Spekulationen über Putins Gesundheitszustand reissen aber nicht ab. Im Gegenteil. Vergangene Woche sagte der Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes, Kirilo Budanow, der ukrainischen Zeitung «Ukrajinskaja Prawda»: «Putin hat mehrere schwere Krankheiten, darunter Krebs.» Zudem habe er einen kürzlichen Putschversuch überlebt. Beweise für seine Behauptungen legte er nicht vor. 

Anfang Mai erhielt das Magazin «New Lines» eine Aufzeichnung eines angeblich kremlnahen Oligarchen, der behauptete, Putin sei «an Blutkrebs erkrankt». Im gleichen Artikel heisst es gestützt auf den Chef der Rechercheplattform Bellingcat, Christo Grozev: Jeder Regionaldirektor des russischen Inlandgeheimdiensts FSB habe eine E-Mail erhalten, in der er angewiesen worden sei, Gerüchten über den «unheilbaren Zustand» des Präsidenten keinen Glauben zu schenken. «New Lines» schreibt dazu kommentierend: «Wie in den schlechten alten Zeiten der Sowjetunion glaubt man nichts, bis der Staat sagt, es sei eine böswillige Lüge.»

Zudem soll eine Recherche der russischen Investigativsite «Projekt» ergeben haben, dass der russische Staatschef an chronischen Rückenschmerzen und einer Schilddrüsenerkrankung leide. Ein spezialisierter Onkologe soll Putin in vier Jahren 35-mal besucht haben. Laut «Projekt» habe sich die Grösse des medizinischen Gefolges des Präsidenten zwischen 2017 und 2019 fast verdoppelt. Kremlsprecher Dmitri Peskow sprach daraufhin von einer «Fälschung und Lügen». 

Putins grosse Angst vor Corona

Gerüchte über Putins Gesundheitszustand reichen mehr als zwei Jahrzehnte zurück und sind auch der Informationspolitik geschuldet: Der Gesundheitszustand des Kremlchefs ist streng geheim. Das hat in Russland Tradition. 

So erfuhr die Öffentlichkeit nicht, wie es dem schwer kranken Leonid Breschnjew ging. Dessen Nachfolger Juri Andropow lag fast die Hälfte seiner Amtszeit im Spital. Dass er so lange krank war, fand das Volk erst heraus, als er tot war. Und als der mit Alkoholproblemen kämpfende Boris Jelzin immer wieder aus der Öffentlichkeit verschwand, hiess es: Der Präsident sitzt über seinen Akten.

Das Image des harten Manns pflegte er jahrelang: Wladimir Putin in seinen Sibirienferien 2009.

Auch Putin, der öffentlich gern sein Macho- und Sportlerimage kultiviert, tauchte in der Vergangenheit wochenlang ab. Der Kreml veröffentlichte dann vorgefilmte Berichte, sogenannte Konserven, um den Anschein zu erwecken, dass Putin an Meetings teilnimmt. Verbürgt ist offenbar eine längere Auszeit des Präsidenten in der Corona-Zeit, als Putin behauptete, in Moskau zu sein, aber laut Berichten in seiner Residenz in Sotschi war.

Öffentlich bekannt ist Putins Angst vor dem Coronavirus. Das ikonische Bild mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am rund sieben Meter langen Konferenztisch ist den harten Massnahmen des russischen Staats geschuldet. Um Putin vor einer Infektion abzuschirmen, mussten die meisten russischen Besucher in Quarantäne oder Selbstisolation, ausländische Spitzenpolitiker zumindest einen PCR-Test vorlegen.    

Auf grossen Abstand bedacht: Wladimir Putin im Gespräch mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron. 

Die Quarantäne vor einer Begegnung mit Putin ist zu einer richtigen Industrie angewachsen, die sich der Staat laut einer Recherche des russischsprachigen Diensts der «BBC mehr als 70 Millionen Franken im Jahr kosten lässt». Je zwei Hotels in Moskau und Sotschi sind demnach nur für die Putin-Quarantäne reserviert.

Bloss Wunschdenken der Kritiker? 

Seit Beginn des Krieges setzen sich nun zahlreiche sogenannte Experten mangels verlässlicher Berichte speziell mit Putins Körpersprache auseinander. Nicht nur der ehemalige britische Aussenminister David Owen wertete Putins aufgedunsen wirkendes Gesicht als ein Zeichen von Steroidkonsum. 

Aufgedunsenes Gesicht? Wladimir Putin an der Siegerparade am 9. Mai in Moskau. 

Und nach einem Treffen mit Verteidigungsminister Sergei Schoigu, bei dem Putin mit den Füssen wippte und sich mit der rechten Hand an der Tischplatte festhielt, kamen Parkinson-Gerüchte auf. Allerdings schaute sich der britische Neurologe Ray Chauduri das Video an und sagte der «Deutschen Welle»: «Ich kann keine Hinweise auf Parkinson bei Putin finden.»

Putin wird im Oktober 70 Jahre alt, und sein Gesundheitszustand wird mit zunehmendem Alter vermehrt in den Fokus rücken. Aber ist der russische Machthaber tatsächlich ernsthaft krank? Oder ist das angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine bloss Wunschdenken der Putin-Kritiker?

Drei amerikanische Geheimdienst- und Militärexperten erklärten dem «Business Insider», dass sie den anhaltenden Spekulationen um Putins Gesundheit nicht viel Gewicht beimessen. Und selbst der im Informationskrieg Krebs- und Putschgerüchte streuende ukrainische Militärdienstchef Kirilo Bogdanow sagt: «Putin hat noch einige Jahre vor sich. Ob uns das gefällt oder nicht – es ist die Wahrheit.»  

 


nlu