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Sparmassnahmen bei Radio und TV
Weniger Wissenschaft, mehr Comedy: Wie SRF diesen Umbau begründet

Ein Radiomoderator im SRF-Studio Bern bedient ein Mischpult während der Sendung Rendez-vous am Mittag. © Adrian Moser / Tamedia AG
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In Kürze:
  • SRF stellt neben dem TV-Format «G&G» das «Wissenschafts­magazin» von Radio SRF ein.
  • In sozialen Medien sorgte diese Entscheidung für Kritik und Empörung.
  • SRF will zeitgleich das Comedyformat «Studio 404» fürs junge Publikum ausbauen.

Überrascht und teils sogar schockiert waren die Macherinnen des People-Magazins «G&G», als vergangene Woche bekannt wurde, dass SRF die TV-Sendung im Zuge eines Sparprogramms einstellt. Unterstützung für die «G&G»-Redaktion gab es von Kulturschaffenden, die sich in den sozialen Netzwerken und gegenüber den Medien empört über das Aus der Vorabendsendung zeigten, die offenbar ein wichtiges Schaufenster für die Kleinkunst und einen Teil der Kulturbranche ist.

Scharf fällt auch die Kritik wegen des «Wissenschaftsmagazins» aus, das bisher einmal wöchentlich auf Radio SRF 2 Kultur zu hören war. Auch dieses Format soll eingestellt werden – im Rahmen des Sparprogramms, mit dem SRF zurzeit 8 Millionen Franken einspart.

Nötig werden diese Einsparungen gemäss SRF wegen einbrechender Einnahmen, der Reduktion des Teuerungsausgleichs auf der Serafe-Gebühr und gestiegener Ausgaben.

SRF-Mitarbeitende: «Uns wird das Herz herausgerissen»

Ausgelöst wurde die Empörung über das Ende des «Wissenschafts­magazins» von Postings, mit denen SRF-Mitarbeitende in den sozialen Netzwerken Kritik an den Sparentscheiden geäussert hatten. «So nicht!», schrieb ein SRF-Mitarbeiter auf Linkedin. Mit der Einstellung des Wissensmagazins werde der Wissensredaktion «das Herz herausgerissen» und der Wissenschaftsjournalismus insgesamt bei SRF geschwächt. «Wir fordern die Geschäftsleitung auf, diesen Entscheid zu überdenken.»

Der Post führte zu starken Reaktionen aus der Wissenschaft, dem Journalismus und der Politik. Zusätzlich befeuert wurde die Diskussion um das Aus, weil die SRF-Mitarbeitenden nach der Veröffentlichung von ihren Vorgesetzten dazu angehalten wurden, ihre Beiträge wieder zu löschen. Kritik am Arbeitgeber solle intern angebracht werden, nicht in der Öffentlichkeit. Dies sei auch in den publizistischen Leitlinien festgehalten, heisst es in einer Stellungnahme, die SRF dem Branchenportal Persönlich.com zugänglich machte.

In den sozialen Medien war wegen der Löschung der Beiträge von einem «Maulkorb» oder gar von «Zensur» die Rede. Inzwischen gibt es mehrere offene Briefe, ausserdem eine Petition, die den Erhalt des «Wissenschaftsmagazins» fordert.

SRF versucht auf Anfrage zu beschwichtigen: Mit der Einstellung des Radiomagazins würden «maximal zwei Vollzeitstellen» gekürzt werden. Mit insgesamt rund zwanzig Vollzeitstellen verfüge SRF weiterhin über «die grösste Wissenschaftsredaktion der Schweiz», betont der Gebührensender.

Politisch gewollte Einsparungen bei SRF stehen erst noch an

Neben dem Abbau des «Wissenschaftsmagazins» spielt bei der aktuellen Kritik die Sorge vor weiteren Sparmassnahmen eine grosse Rolle. SRF hat angekündigt, dass in der zweiten Jahreshälfte nochmals weitere 12 Millionen Franken wegen einbrechender Einnahmen und gestiegener Ausgaben eingespart werden müssen.

Während die Einsparungen in diesem Jahr grösstenteils mit Marktentwicklungen erklärt werden, stehen die grossen, politisch gewollten Kürzungen erst noch an. Diese werden deutlich höher als die bisherigen ausfallen: Gemäss SRG müssten 270 Millionen Franken eingespart werden, wenn die Gebühren bis 2029 aufgrund des Entscheids des Bundesrates schrittweise von 335 auf 300 Franken gekürzt werden, wenn die Werbeeinahmen weiter einbrechen und die Preise steigen.

Das SRF-Logo am Fernsehstudio Leutschenbach in Zürich mit Antenne und Meteo-Dach, aufgenommen am 5. Februar 2025.

Mit der Halbierungsinitiative, über die voraussichtlich 2026 abgestimmt wird, würde bei einem Ja die Gebühr auf 200 Franken reduziert. Die nationalrätliche Kommission hat mit der Gebührenbefreiung der Unternehmen einen Gegenvorschlag dazu entworfen, der im SRG-Budget zu einem Minus von 170 Millionen Franken führen würde.

Diese Einsparung käme zur Gebührenreduktion für die Haushalte hinzu – und damit müsste die SRG zukünftig auf deutlich über 400 Millionen Franken verzichten.

Nathalie Wappler konnte Strategie nicht verständlich machen

Die aktuelle Kritik an SRF hat ihren Grund auch in Kürzungen, die es in der Vergangenheit gab, insbesondere beim Kulturradio von SRF, auf dem das «Wissenschaftsmagazin» zu hören ist: Vor vier Jahren stellte SRF die gut einstündige Literatursendung «52 beste Bücher» ein und lancierte ein halb so langes und entsprechend kostengünstigeres Gesprächsformat namens «Zwei mit Buch».

Ein Jahr später halbierte die damalige Kulturchefin und heutige SRG-Direktorin Susanne Wille das Hintergrundformat «Kontext» von einer auf eine halbe Stunde. Beide Kürzungen sorgten für Proteste.

Im Zuge der aktuellen Sparrunde soll auch «Kontext» durch ein kostengünstigeres Gesprächsformat ersetzt werden. Die einstündige Sendung «Passagen», die gemäss SRF für «radiophone Exzellenz» steht, soll ganz gestrichen werden. Ebenfalls eingestellt wird das Wirtschaftsmagazin «Trend» auf Radio SRF 1.

Wirtschaft und Wissen als Information, aber auch Kultur sind gemäss Konzessionsauftrag zentral für das SRF-Angebot. Und das ist ein weiterer Grund für die aktuelle Aufregung: Es gibt ein Unverständnis, warum SRF ausgerechnet hier spart.

In der Medienkonferenz verteidigte SRF-Direktorin Nathalie Wappler ihre Sparentscheide damit, dass alle Massnahmen «auf die Zukunftsfähigkeit und die Wirkung beim Publikum ausgearbeitet worden» seien. Wappler steht zurzeit nicht für ein vertieftes Interview zu ihrer Sparstrategie zur Verfügung, wie SRF auf Anfrage dieser Redaktion mitteilt.

SRF reagiert auf verändertes Nutzungsverhalten

Strategische Züge in den Sparentscheiden sind durchaus erkennbar: SRF will mit ihnen auf die veränderten Nutzungsgewohnheiten reagieren. Der Vorabend im Fernsehen verliert für SRF an Bedeutung. Deshalb wurde «G&G» eingespart, das in den letzten Jahren kontinuierlich an Publikum eingebüsst hatte: Waren es 2018 im Schnitt noch 190’000 Zuschauerinnen und Zuschauer oder 25,3 Prozent Marktanteil, die die Sendung erreichte, waren es 2024 nur noch 122’000 oder ein Marktanteil von 17,4 Prozent.

Eine ähnliche Strategie wie im TV, wo Ressourcen aus dem Vorabend in die Primetime verlagert werden, wird im Radio verfolgt. Und zwar auch beim Kulturradio, das über zehn Jahre «kontinuierlich am Markt verloren» hat, wie SRF auf Anfrage schreibt.

Um diesem Publikumsschwund entgegenzuwirken, habe die Wissensredaktion seit kurzem dreimal monatlich einen Sendeplatz auf Radio SRF 1, wo während einer Stunde vier Themenblöcke à vier Minuten mit Wissen gefüllt werden können. Im Vergleich zum Kultursender würden diese Wissensinhalte auf Radio SRF 1 «ein Vielfaches an Publikum» erreichen, schreibt SRF auf Anfrage.

Gemäss der letzten öffentlich verfügbaren Auswertung beträgt der Marktanteil von Radio SRF 2 Kultur 2,4 Prozent, was gut 141’000 Hörerinnen und Hörern über das Jahr hinweg entspricht. 2019 waren es noch 196’000 oder ein Marktanteil von 2,9 Prozent. SRF 2 Kultur hat also im insgesamt schrumpfenden Radiopublikum viele Hörerinnen und Hörer – und auch etwas Marktanteil – verloren. Radio SRF 1 hat noch heute einen Marktanteil von 26,1 Prozent und damit etwas über eine Million Hörerinnen und Hörer, also ein Mehrfaches des Kultursenders.

Das Publikum will im Radio lieber kürzere Inhalte

SRF argumentiert zudem mit einer Studie, für die 20 Interviews durchgeführt wurden. Diese Interviews hätten ergeben, dass Wissensinhalte nicht zum Radioprogramm des Kultursenders passen würden. Hörerinnen und Hörer würden sich zudem – trotz Podcast-Boom – im linearen Radio kürzere Beiträge wünschen, sagt SRF. Falsch sei dabei die Interpretation, wonach kürzere Wortbeiträge automatisch weniger hohe Qualität böten.

Den Abbau im Wissensbereich begründet SRF aber nicht zuletzt mit dem allgemeinen Spardruck. Anders sieht es beim Format «Studio 404» aus, das mit neun Männern und fünf Frauen Comedy-Inhalte für junges Publikum produziert und distribuiert. Dafür sind aktuell 9,5 Vollzeitstellen reserviert.

Auf Instagram hat «Studio 404» gegenwärtig etwas mehr als 50’000 Follower, die Videos wurden im Schnitt 41’000-mal aufgerufen. Auf Tiktok waren es im letzten Jahr rund 13’700 Aufrufe pro Video, auf Youtube waren es im Schnitt sogar nur 10’000 Videostarts.

Das überschaubare Interesse hat wohl auch mit der Qualität der Beiträge zu tun. «Wenn es bim Pisse brennt, dann besser rennsch», heisst es zum Beispiel in einem «Studio 404»-Video, in dem es um einen 69-Jährigen geht, der mit starkem Harndrang und hohem Promillewert auf der Autobahn unterwegs war.

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«Studio 404» biete jungen Menschen «gesellschaftliche Satire und Unterhaltung – aktuell durch einen scharfzüngigen Wochenrückblick, Denkanstösse und satirisch aufbereitete Geschichten», schreibt SRF. Das entspreche dem Konzessionsauftrag, der besagt, dass SRF für alle Altersgruppen Angebote machen muss.

Das Format «Studio 404» werde «aktuell ausgebaut und weiterentwickelt», schreibt SRF auf Anfrage. Dieser Ausbau steht in Kontrast zum Abbau im Wissen, in der Kultur und der Wirtschaft – und zur Tatsache, dass Formate wie «We, Myself & Why» für junge Frauen oder der Instagram-Account «SRF Kultur», auf dem es in hochwertigen Beiträgen junge Künstlerinnen und Künstler zu entdecken gab, von SRF bereits wieder eingestellt wurden.

Gegenüber der ursprünglichen Fassung dieses Artikels wurde am Samstag, 15. Februar, um 10 Uhr 20 korrigiert, dass die von der Politik gewollten grossen Einsparungen in einer geschätzten Höhe von bis zu 400 Millionen Franken die SRG als Ganzes betreffen würden – und nicht ausschliesslich das SRF, dessen Mutterhaus die SRG ist.