Neue Trickbetrügermasche«Spanischer Anwalt» hat das Geld gebildeter Gutmenschen im Visier
Normale Trickbetrüger-Mails richten sich bewusst nur an die Leichtgläubigsten. Ein angeblicher Jurist aber verschickt hochprofessionelle Briefe über Millionenerbschaften – mit wohltätigem Dreh.
Mit einer Penetranz sondergleichen müllen sie unsere elektronischen Postfächer zu: E-Mails, die der Empfängerin einen Lottogewinn oder eine Erbschaft in Millionenhöhe verheissen, wahlweise von der europäischen Lottogesellschaft, einem ehemaligen nigerianischen Minister oder einem windigen Rechtsanwalt.
Die frohe Nachricht strotzt typischerweise nur so vor Tippfehlern, ihr Tonfall ist bestenfalls unbeholfen. Das ist durchaus gewollt. Auf diese Weise versuchen Trickbetrüger, nur gerade die Leichtgläubigsten der Leichtgläubigen anzusprechen. Menschen, die bereit sind, Tausende von Dollars, Euros oder Franken als Vorschuss an einen weit entfernten Fremden zu schicken, der ihnen dafür absurd hohe Summen verspricht. Eine ziemlich clevere Masche, urteilt Stephen Dubner, Co-Autor des Bestsellers «Freakonomics», unter Hinweis auf einschlägige Forschungen.
Briefe auf edlem Papier
Doch was ist mit den anderen potenziellen Geldquellen? Was ist mit jenen, die rasch Verdacht schöpfen? Was ist mit jenen, die auch an das Wohlergehen anderer statt nur an den eigenen Reichtum denken – oder zumindest vorgeben, dies zu tun, weil es sich doch so gehört?
Ihnen präsentiert ein gewisser Javier Antonio Arandia García den passenden Erbonkel-Trick.
Der Mann, nach eigenem Bekunden Rechtsanwalt aus dem spanischen Rioja, verschickt keine ordinären Mails, die im Spam-Ordner landen. Sondern Briefe auf edlem Papier, ganz so wie einst, samt Briefmarke und Wasserzeichen mit dem Konterfei eines distinguierten Anwalts mit Perücke.
«45 Prozent für mich, 45 für Sie und die restlichen 10 für weniger Privilegierte oder wohltätige Organisationen.»
Ein solcher Brief hat die Verfasserin dieses Artikels erreicht. In beinahe perfektem Englisch bietet der «Abogado» darin eine Beute in der Höhe von 6,5 Millionen Euro an, und das einschliesslich gerechtem Verteilerschlüssel: «45 Prozent für mich, 45 Prozent für Sie, und die restlichen 10 Prozent werden für weniger Privilegierte oder für wohltätige Organisationen beiseitegelegt.»
Das Geld stamme von seinem verstorbenen Klienten, einem gewissen Klaus Robert Novak. Dieser habe auf einer spanischen Bank 6,5 Millionen Euro deponiert, die vor dem Zugriff der Banken gerettet werden müssten.
Er nehme zwar nicht an, so der Verfasser des Schreibens, dass der Verstorbene mit der Empfängerin des Briefs verwandt sei (was tatsächlich höchst unwahrscheinlich wäre, schliesslich ist der Name Novak in Osteuropa etwa so selten wie Meier oder Müller im deutschsprachigen Raum).
Dennoch sei es für ihn als Rechtsvertreter des Verstorbenen kein Problem, die Empfängerin als Erbin zu präsentieren, argumentiert der Rechtsvertreter. Das sei völlig legal.
Es bestehe null Risiko
Er sei der Bank als Bevollmächtigter bekannt, da bestehe null Risiko, versichert er auf Nachfrage per Mail. Und bedient dabei sämtliche Klischees, ebenso kreativ wie karitativ. Sein Klient sei ein erfolgreicher Bauunternehmer gewesen, habe das Geld in einem Fonds angelegt und dessen Bewirtschaftung vertraglich abgemacht. Nun sei der Vertrag ausgelaufen. Die 6,5 Millionen seien zu einem namenlosen Vermögen geworden, das im gierigen Schlund der Banker zu landen drohe – und nicht wie eigentlich vorgeschrieben beim Staat. «Dabei gibt es da draussen Leute, die das Geld viel dringender brauchen.»
Die Antwort kommt umgehend und wirkt ebenso professionell wie der Internetauftritt der angeblichen Anwaltskanzlei in Rioja. Diese ist zwar telefonisch «vorübergehend nicht erreichbar», wie es beim Anrufversuch heisst. Dafür listet die Website unzählige Rechtsgebiete auf, auf die man seit 35 Jahren spezialisiert sei: von Versicherungsrecht über Zivil- und Familienrecht bis hin zu Arbeits-, Verwaltungs- und Strafrecht. Gestaltet ist die Seite in fünf Sprachen, was die internationalen Aktivitäten unterstreicht.
Warnungen aus ganz Europa
Tatsächlich hat bereits die Polizei der Isle of Man vor dem angeblichen Anwalt Javier Antonio Arandia García gewarnt. Dieser schicke Bewohnern der Insel in der Irischen See Briefe nach Hause, mit denen er ihnen Geld aus der Tasche zu ziehen versuche. Eine ähnliche Warnung hat vor drei Wochen auch «The Dubrovnik Times» in Kroatien publiziert.
In der Schweiz ist der Name des Spaniers zwar noch nicht bekannt. Das Nationale Zentrum für Cybersicherheit (NCSC) hat aber im Mai die gleiche Geschichte mit einem englischen Anwalt gemeldet bekommen – und zwar gleich mehrfach, wie Mediensprecherin Manuela Sonderegger erklärt.
Eine Vorauszahlung für Gebühren, Anwaltskosten oder Gewinnsteuern zu verlangen, um frei erfundene Versprechungen einzulösen, gehöre zu den meistgemeldeten Phänomenen beim NCSC. In diesem Jahr seien bis Mitte Juni schon über 1400 Meldungen eingegangen. Da Vorschussbetrug nicht meldepflichtig ist, geht man von einer hohen Dunkelziffer aus.
Wenn der Betrugsversuch per Mail erfolgt, lautet die Empfehlung der Schweizerischen Kriminalprävention: «Passen Sie die Sicherheitseinstellungen in Ihrem E-Mail-Account an, sodass solche Mails künftig direkt im Spam-Filter landen.»
Für edle Briefe braucht es keinen Rat. Da bietet sich die Papiersammlung an.
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