Vorwurf der GeldwäschereiSo will die UBS den Pariser Berufungsprozess gewinnen
Ab Montag wird das Geldwäscheverfahren gegen die Grossbank neu aufgerollt. Die UBS tritt mit einem neuen Anwaltsteam und einer neuen Strategie an.
Für Markus Diethelm, den kampferprobten Chefjuristen der UBS, geht es ab Montag um viel. Kommende Woche startet der Berufungsprozess gegen die Schweizer Grossbank wegen des Vorwurfs der illegalen Kundenanwerbung und der Geldwäsche von hinterzogenen Steuern.
Die erste Instanz verurteilte die UBS zu einer Busse und Schadenersatz von insgesamt 4,5 Milliarden Euro. Gelingt es Diethelm, das Urteil aufzuheben oder zumindest die Busse substanziell zu verringern, geht das dienstälteste Mitglied der UBS-Konzernleitung als Held vom Platz. Bestätigt die zweite Instanz aber das Urteil und die Busse, wird die Frage nach der Verantwortung für das Justizdesaster laut werden.
Neues Team, neue Strategie
Der 63-jährige Diethelm geht mit einem neuen Team und einer neuen Strategie in diesen Schicksalsprozess. Das neue Anwaltsteam wird nun von Starverteidiger Hervé Temime angeführt, der bereits den Ex-Adidas-Eigner Bernard Tapie verteidigt hat. In Zürich wirkt Peter Nobel als Berater im Hintergrund.
Das Team UBS setzt beim Berufungsprozess auf europäisches Recht, um das französische Gericht zu überzeugen. Neu ist auch die Kommunikationsstrategie: Die UBS gewährt vor Prozessbeginn keine Interviews und will sich überhaupt nicht äussern. Dennoch sind einige Details zur Prozessstrategie durchgesickert.
Worum geht es? Im Februar 2019 hat das Tribunal de Grande Instance in Paris die UBS verurteilt wegen illegaler Anwerbung von Kunden auf französischem Boden sowie wegen qualifizierter Geldwäscherei von Mitteln, die aus Steuerbetrug stammen. Es geht um die Zeit zwischen 2004 und 2011. Die UBS habe, so das Urteil, ein wahres «System» der Geldwäscherei aufgezogen. Wegen der besonderen Schwere der Tat verhängte das Gericht eine Rekordbusse von 3,7 Milliarden Euro, ferner soll die UBS dem französischen Staat einen Schadenersatz von 800 Millionen Euro zahlen.
Knackpunkt Geldwäscherei
Laut Juristenkreisen ist nun primär das Ziel, den Vorwurf der Geldwäscherei vom Tisch zu bekommen, denn darauf beruht die hohe Busse. Als primären Beweis für den Vorwurf der Geldwäsche von Steuerbetrugsgeldern hatte das Gericht jene 3,7 Milliarden Euro auf UBS-Konten herangezogen, die rund 3900 Franzosen dem Fiskus im Zuge eines Amnestieprogramms offengelegt und nachversteuert hatten.
Im ersten Prozess hatte die Verteidigung argumentiert, dass die Bank keinerlei Kenntnisse hatte, ob die Gelder französischer Kunden in der Schweiz versteuert waren oder nicht. Zumal dies die Bank laut Schweizer Recht auch gar nicht abfragen musste.
Hoffen auf EU-Recht
Nun setzt die Verteidigung ein paar Stufen höher an: Ins Zentrum rückt das Zinsbesteuerungsabkommen zwischen der EU und der Schweiz, das am 1. Juli 2005 in Kraft trat. Es sah vor, dass EU-Kunden bei Schweizer Banken die Wahl hatten, entweder ihre Zinserträge dem heimischen Fiskus offenzulegen oder eine Quellensteuer zu zahlen. Laut Juristenkreisen wird im Berufungsprozess entscheidend sein, wie dieses Abkommen staatsrechtlich zu werten ist, konkret, ob dieses EU-Recht französischem Recht vorgeht.
Das ist die Hoffnung der UBS. Denn mit diesem Abkommen hätten die EU-Staaten akzeptiert, dass Bankgeschäfte unter Wahrung des Bankkundengeheimnisses fortgesetzt werden dürfen. Wenn nun solche Geschäfte als Geldwäscherei im Rückblick kriminalisiert würden, verstosse das gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Als eine denkbare Option gilt, die staatsrechtliche Bewertung des Zinsabkommens im Zuge des Berufungsprozesses dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen – was das Verfahren in Paris wohl erheblich verzögern dürfte.
Ob die UBS mit dieser Argumentation das Blatt für sich zu wenden vermag, gilt als vollkommen offen. Das Argument mit dem Zinsabkommen hatte die Grossbank schon im ersten Prozess gebracht, die erste Instanz war aber nicht darauf eingegangen.
3900 französische UBS-Kunden haben 620 Millionen Euro Steuern nachgezahlt.
Berechtigte Hoffnungen gibt es indes, dass selbst im Fall einer erneuten Verurteilung die Busse substanziell tiefer ausfallen könnte. Der Grund dafür liegt in einem Urteil des französischen Kassationsgerichts vom September 2019. Das Gericht legte darin fest, dass als Bemessungsgrundlage für die Busse bei Geldwäscherei in Verbindung mit Steuerbetrug nicht die hinterzogenen Gelder heranzuziehen sind, sondern die tatsächlich hinterzogenen Steuern. Letzteres hatte die erste Instanz im UBS-Prozess getan.
Insgesamt hatten die 3900 französischen UBS-Kunden 620 Millionen Euro Steuern nachgezahlt. Wird dieser Betrag und nicht die nachdeklarierten 3,7 Milliarden Euro Kundengelder der Bussenberechnung zugrunde gelegt, könnte UBS-Chefjurist Diethelm möglicherweise seinem Arbeitgeber wenn schon keinen Freispruch, dann zumindest eine billigere Busse bieten.
Wie auch immer der neue Prozess, der bis zum 24. März angesetzt ist, ausgehen wird: Als sicher gilt nur, dass die unterlegene Seite das Verfahren an das Kassationsgericht weiterziehen wird. Bis der Streit zu Ende ist, könnte Diethelm dann vielleicht schon in Rente sein.
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