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Erstes Halbjahr 2024
Nationalbank macht Rekord­gewinn – noch können sich die Kantone aber nicht auf Geld freuen

Swiss National Bank's (SNB) Chairman of the Governing Board Thomas Jordan, left, arrives with Vice Chairman of the Governing Board Martin Schlegel to a media briefing at the Swiss National Bank in Zurich, Switzerland, on Thursday, June 20, 2024. (KEYSTONE/Michael Buholzer)
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Im zweiten Quartal erzielte die Schweizerische Nationalbank einen Verlust von 2 Milliarden Franken. Weil der Gewinn im ersten Quartal riesig war, bleibt die Nationalbank aber auch nach dem ersten Halbjahr mit 56,8 Milliarden weiter auf Rekordkurs.

Einen so grossen Gewinn in nur sechs Monaten gab es noch nie. Der Halbjahresgewinn übersteigt auch das bisher beste Jahresergebnis von 2017.

Wie kam der Riesengewinn zustande?

Weil der Franken in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres deutlich schwächer geworden ist, sind die Fremdwährungsanlagen in Franken umgerechnet mehr wert. Die daraus resultierenden Wechselkursgewinne betragen knapp 30 Milliarden Franken.

Die Aktienanlagen haben dank Börsenboom Kursgewinne von rund 20 Milliarden gebracht, und der Goldschatz der Nationalbank ist dank höherem Goldpreis 12 Milliarden mehr wert. Auf den Anleihen resultieren dagegen Verluste von 7 Milliarden.

Was passiert mit den Gewinnen der Nationalbank?

Zum Halbjahr wird bloss ein Buchgewinn ausgewiesen, der nicht ausgeschüttet werden kann. Erst das Jahresergebnis kann verteilt werden. Einen Teil des Gewinns weist die Nationalbank dann den Rückstellungen für Währungsreserven zu. Der Rest fliesst in die sogenannte Ausschüttungsreserve. Ist diese über null, so kann die Nationalbank Gelder an Bund und Kantone ausschütten.

Gemäss einer Vereinbarung mit dem Eidgenössischen Finanzdepartement beträgt der Grundbetrag dabei 2 Milliarden Franken. Für jede 10 Milliarden an zusätzlichem Gewinn wird eine weitere Milliarde hinzugefügt. Maximal erhalten Bund und Kantone in einem Jahr 6 Milliarden Franken von der Nationalbank.

Kann die Nationalbank dieses Jahr Gewinne ausschütten?

Eine Ausschüttung an Bund und Kantone ist trotz des hohen Gewinns im ersten Halbjahr aus heutiger Sicht weiter sehr unsicher.

Die Nationalbank muss zuerst den Bilanzverlust von 53 Milliarden Franken aus dem vergangenen Jahr tilgen und die Rückstellungen wieder aufstocken. Sie müsste mindestens 65 Milliarden Jahresgewinn machen, um eine Minimalausschüttung von 2 Milliarden vornehmen zu können. Für eine Maximalausschüttung bräuchte es mehr als 105 Milliarden Jahresgewinn, wie Ökonomen der UBS berechnet haben.

Die Minimalausschüttung ist also noch in Reichweite, die Kantone können wieder hoffen. Aber sie ist keineswegs gesichert, wie der Verlust im zweiten Quartal zeigt. Experten erwarten ein Erstarken des Frankens, der Börsenboom der letzten Monate dürfte kaum anhalten.

Letztes Jahr beispielsweise hatte die Nationalbank im ersten Quartal ebenfalls einen hohen Gewinn von 27 Milliarden eingefahren, musste dann aber zum Jahresabschluss einen Verlust von 3,2 Milliarden Franken ausweisen. Die UBS schätzt das jährliche Gewinnpotenzial der Nationalbank auf durchschnittlich bloss 10 bis 15 Milliarden Franken. 

Für eine Maximalausschüttung müsste sich die sehr günstige Entwicklung des ersten Halbjahrs gar wiederholen. Das ist unwahrscheinlich. Wenn die Märkte drehen und der Franken wieder stärker wird, werden aus Gewinnen schnell Verluste.

Warum schwanken die Ergebnisse so stark?

Die Nationalbank hat seit 2009 sehr viele Devisen gekauft, um eine zu starke Aufwertung des Frankens zu verhindern. Ihre Bilanz ist dadurch auf weit über 800 Milliarden Franken gewachsen. Das ist mehr als das Bruttoinlandprodukt der Schweiz.

Bereits kleine Schwankungen an den Finanzmärkten können deshalb grosse Buchgewinne oder -verluste verursachen. So führt eine Aufwertung des Frankens gegenüber den wichtigsten Währungen um 1 Prozent bei der aktuellen Höhe der Devisenanlagen zu einem Verlust von mehr als 7 Milliarden Franken. Gehen die Börsen um 5 Prozent rauf oder runter, bedeutet das fast 10 Milliarden Gewinn oder Verlust.

Noch stärker wirken sich Zinsänderungen bei den Anleihen aus, weil drei Viertel der Devisen in Staatsanleihen und anderen Zinspapieren angelegt sind.

Warum will die Nationalbank nicht mehr Gewinn ausschütten?

Die Nationalbank wird von manchen Politikern und Ökonomen dafür kritisiert, zu wenig Gewinn auszuschütten. Sie könne sich die Maximalausschüttung «problemlos leisten», finden etwa die Ökonomen des SNB-Observatoriums, die die Politik der Nationalbank mit kritischen Beiträgen hinterfragen.

Die Nationalbank hält dagegen. Es sei nicht ihre Aufgabe, «Gewinne zu erwirtschaften», betonte ihr Chef Thomas Jordan kürzlich in einer Rede. Die Nationalbank brauche die Rückstellungen angesichts der hohen Risiken in ihrer grossen Bilanz. Sie dürfe keine Ausschüttungen vornehmen, solange das Eigenkapital so tief sei. 

Welche Folgen hätte ein Verlust wie 2022?

Das Eigenkapital inklusive Rückstellungen betrug Ende 2023 bloss gut 7 Prozent der Bilanzsumme. Es hätte bei weitem nicht genügt, um einen Verlust wie 2022 zu decken. Die Lage hat sich dank des Rekordgewinns im ersten Halbjahr verbessert. Derzeit sind es 119 Milliarden, das sind rund 14 Prozent der Bilanzsumme. Vor der Finanzkrise waren es über 50 Prozent.

Theoretisch kann eine Zentralbank allerdings auch ohne Eigenkapital funktionieren. Ihr Fremdkapital besteht nicht aus Krediten und Anleihen wie bei einer Geschäftsbank, sondern in erster Linie aus im Verkehr befindlichen Banknoten und aus Sichtguthaben, die die Geschäftsbanken bei der Zentralbank halten. Zu einer Kapitalflucht der Fremdkapitalgeber kann es also nicht kommen.

Die Nationalbank besitzt das sogenannte Notenmonopol, sie kann sich also billig finanzieren, während sie gleichzeitig auf der Aktivseite ihrer Bilanz zum Beispiel mit Devisenanlagen Gewinne erzielen kann. Das Notenmonopol verleiht ihr damit ein Geschäftsmodell, das auf lange Frist Gewinne garantiert. Allerdings werden diese derzeit geschmälert durch die Zinsen, die sie den Banken für deren Sichtguthaben zahlt, um ihren Leitzins auf das gewünschte Niveau zu heben. Im ersten Halbjahr kostete dies 3,6 Milliarden Franken.

Ein vorübergehend negatives Eigenkapital kann deshalb mit einbehaltenen Gewinnen wieder aufgefüllt werden. Anders als bei einem normalen Unternehmen besteht für die Nationalbank von Gesetzes wegen zudem auch keine Pflicht zu Sanierungsmassnahmen, wenn das Eigenkapital aufgezehrt ist.

Aber ungemütlich würde die Lage für das Führungsgremium um Thomas Jordan und ab Oktober Martin Schlegel trotzdem. «Ein anhaltender Zustand von negativem Eigenkapital kann langfristig die Glaubwürdigkeit und die Unabhängigkeit einer Zentralbank gefährden», räumte Jordan in einer Rede selber ein.