Weltcupauftakt in SöldenKlimakleber, Periodenschmerz und ein Schreck – der turbulente Ski-Start
Der Riesenslalom der Männer ist abgesagt. Verrückte Geschichten schreibt das Rennwochenende im Ötztal aber auch so.
Es ist am Sonntag das stürmische Ende eines turbulenten ersten Skiwochenendes.
Auf dem Rettenbachgletscher ob Sölden bläst der Wind, der Start des Männer-Riesenslaloms wird nach unten versetzt. 47 Fahrer schwingen sich den Hang hinunter, dann biegen sich die Tore fast bis zum Boden, weil es dermassen stürmt.
Der Torbogen, Werbebanden und die Grossleinwand werden entfernt, die Gondelbahn hoch Richtung Start abgestellt. Es bleibt nichts anderes, als das Rennen abzubrechen. Es wird nicht gewertet. Das entscheidet Markus Waldner, FIS-Renndirektor, zusammen mit den Veranstaltern. Zu unfair wäre es gewesen, sind doch noch 26 Athleten oben gestanden. Nachgeholt werden soll der Riesenslalom in drei Wochen etwas weiter das Ötztal hinauf in Gurgl, wo bis jetzt nur ein Slalom angesetzt ist.
Besonders bitter ist die Absage für Marco Schwarz. Mit einem ultraschnellen Schlussteil hat sich der Österreicher um 29 Hundertstel vor Marco Odermatt gesetzt. Ereignisreich verläuft das erste Skiwochenende der Saison aber trotz des Abbruchs.
Das beginnt schon am Freitag, als Lucas Braathen überraschend zurücktritt – mit 23 und als bester Slalomfahrer des letzten Winters. Doch für Furore sorgt noch anderes.
Die Klimakleber bremsen die Fans aus
Es ist gegen halb neun am Sonntagmorgen, als der Verkehr Richtung Rettenbachferner stillsteht. Die einzige Zufahrtsstrasse, breit wie eine Autobahn, mit vielen Kurven, die direkt bis ans Ende des immer kleiner werdenden Gletschers führt, ist blockiert. Drei Klimakleber der «Letzten Generation» haben sich in Kurve 3 hingesetzt, ihre Arme verbunden durch grüne Röhren, damit sie auch wirklich die ganze Strasse sperren. «Weltcup feiern ist kein Verbrechen, die Klimaignoranz der Regierung schon», so lautet ihr Spruch.
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In ihrer Medienmitteilung steht: «Wenn unsere Regierungen in der Klimakrise weiter die Arbeit verweigern, wird es in den Alpen bald gar keinen Skiweltcup mehr geben. Stattdessen erwarten uns Waldbrände, Bergstürze und die Evakuierung ganzer Dörfer.» Den Protest löst die Polizei schnell auf. 14’800 Fans schaffen es hoch – um immerhin zwei Drittel eines Laufs zu sehen.
Lara Gut-Behrami und die Schmerzen
Es ist ein Gewaltslauf, den Lara Gut-Behrami an diesem wunderbar sonnigen Samstag in die Piste von Sölden zeichnet. Von Rang 4 zum Sieg, 73 Hundertstel macht sie wett auf Federica Brignone, die Zweite wird.
Im Ziel setzt sich die Tessinerin hin – und verharrt. Bei jeder Fahrerin, die ins Ziel kommt, ballt sie die Faust, viel mehr geht nicht. Als auch Brignone mit zwei Hundertsteln Rückstand ankommt, nimmt sie erst einen Schluck Wasser, reckt noch einmal die Faust Richtung Himmel, ehe sie doch noch aufsteht und sich feiern lässt.
Eine halbe Stunde später steht sie vor einer kleinen Schar Journalisten – und atmet immer noch tief. Doch es ist nicht die Höhe, diese 3048 Meter beim Start und 2680 im Ziel, die ihr zu schaffen macht. Gut-Behrami sagt: «Ich habe meine Tage, es geht mir katastrophal.» Früher sei sie jeweils am besten gewesen, wenn sie die Periode hatte, seit vergangenem Jahr dagegen sei sie «empfindlicher, ich habe Rückenschmerzen, spüre die Müdigkeit».
Vor dem ersten Lauf und zwischen den Durchgängen hat sie sich in der Team-Hospitality hingelegt und geschlafen, «das hilft, um sich abzulenken, nichts zu denken, sich zu erholen». Es gelingt perfekt. Die Vorgeschichte macht ihren dritten Sieg in Sölden noch spezieller.
Die Disqualifikation und die Tränen
Viele hatten sich gesorgt vor diesem ersten Rennen der Saison. Alle zu Unrecht. Bis auf eine Fahrerin. Ragnhild Mowinckel wird in die Geschichte des Skisports eingehen: Als erste Athletin, die wegen eines zu hohen Fluorgehalts am Ski disqualifiziert wurde.
Seit diesem Winter ist das Mittel verboten, das die Ski im Feinschliff noch schneller macht. Doch weil die EU den Einsatz aus Umweltschutzgründen untersagt, tut das auch die FIS. Die Befürchtung bei Athletinnen und Trainern war eine gewisse Willkür. So wurde moniert, die Messungen seien nicht genau.
Besonders enerviert hat sich Gut-Behrami. Sie sagte etwa, niemand wisse, was mit einem mit Fluor präparierten Ski während einer Abfahrt passiere, wie hoch der Wert danach noch sei. Was jedoch feststeht: Bei Mowinckel war er viel zu hoch – über 10. Erlaubt ist ein Wert bis 1,8, die meisten getesteten Ski lagen unter 1.
Die Norwegerin verliess das Zielgelände nach dem ersten Lauf unter Tränen. Erklärungen hatte niemand. Weder Rainer Salzgeber, Rennsportchef von Mowinckels Ausrüster Head, noch Atle Skaardal, Cheftrainer der Norwegerinnen. Das Verbot jedenfalls dürfte noch länger zu reden geben.
Schreckmoment mit der Draufgängerin
Es ist Sofia Goggia, die für den ersten Schreckmoment des Winters sorgt. Wer auch sonst, wenn nicht die Draufgängerin aus Italien. Doch für einmal ist nicht die kühne Abfahrerin die Schuldige, weil sie wieder einmal zu viel riskiert hat.
Nein, ein Pistenarbeiter ist bei einem Tor noch mit der Schaufel zugange, als Goggia angerast kommt. Die 30-Jährige bremst ab, verwirft leicht die Hände, fährt mit der Bahn noch einmal hoch und startet ein zweites Mal. Es lohnt sich. Die Speed-Königin wird 16.
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