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Aussergewöhnliche Schweizer Slalomfahrerin
Sie hatte zehn Operationen und kümmert sich um 400 Schafe

Eliane Christen, Skirennfahrerin und Agrarwissenschaftsstudentin, umgeben von Schafen in Hospental, Uri.
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Wo sie lebt, gibt es nicht einmal Nachbarn. Eliane Christen wohnt in Hospental, auf knapp 1500 Metern über Meer, wo es 194 Einwohner hat und gerade mal 1,4 Prozent der Gemeindefläche besiedelt sind. Tür auf, Natur einatmen. So läuft das bei der Urnerin.

Das Zuhause ist ein Kraftort für die Slalomspezialistin, ja viel mehr noch: ein Platz zum Austoben. Auf dem Bergbauernhof der Eltern gibt es viel zu tun, dafür sorgen nur schon die 400 Schafe auf den Alpweiden, um die sich Christen häufig kümmert. Sie ist für die Meldungen bei der Tierverkehrsdatenbank zuständig, etwa wenn Tiere geboren werden.

Wenn es ihr dicht gedrängtes Programm zulässt, packt sie auf dem Hof mit an, unterstützt die Eltern bei Erntearbeiten. Dazu gehören auch: aufstehen um halb fünf, melken, jede Menge Mist.

Christen erlitt zwei Schienbeinbrüche

Christen ist ein neues Gesicht im Skizirkus. Bereits 26, ist sie diesen Winter erstmals auf dem Radar erschienen. Nach Weihnachten holte sie in Semmering ihre ersten Punkte im Weltcup, wurde gleich Zwölfte, eine Woche später doppelte sie mit Platz 15 in Kranjska Gora nach. Damit holte sie das Ticket für die WM in Saalbach; die Teilnahme am Grossanlass kam derart unerwartet, dass einige ihrer Liebsten gar nicht vor Ort waren. Christens Freund und ihr Bruder weilten während der WM beim Powdern in Japan, sie hatten die Ferien längst gebucht.

Christen ist eine Ausnahmeerscheinung bei Swiss-Ski, im C-Kader ist sie die einzige Athletin, die vor der Jahrtausendwende geboren wurde. An einer WM der Juniorinnen nahm sie nie teil, aus schlechtem Grund: 2018 erlitt sie einen Schien- und Wadenbeinbruch und verpasste die nächsten zwei Saisons. Kaum genesen, hatte sie es einer üblen Laune des Schicksals zu verdanken, dass sie die gleiche Verletzung noch einmal erlitt. Beim zweiten Sturz sagte sie noch auf der Piste liegend: «Ich höre auf.»

Der Rehabilitationsprozess nach den ersten Brüchen war sehr kompliziert, Christen ging es schlecht, schon bei leichten Anstrengungen bekam sie Probleme. Kaum etwas konnte sie ohne Schmerzen tun, vieles wurde zur Tortur, sie kriegte Infektionen, musste sich insgesamt zehnmal operieren lassen. Sie verlor nicht nur mehrere Jahre ihrer Karriere, sondern auch die Unbekümmertheit und die Zuversicht. Das Erlebte habe sie geprägt, sagt Christen, «ich bin sicher nicht mehr so locker wie früher».

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Ihr Weg sei schwierig gewesen, hält Christen fest; sie redete sich den Umstand, dass bei ihr vieles anders lief als bei den meisten Konkurrentinnen, immer schön. Sie realisierte, dass viele Leute nicht mehr an sie glaubten, und stellte sich mehr als einmal die Frage: «Macht das alles noch Sinn?»

Vor diesem Winter sagte sie sich: «Jetzt oder nie.» Hätte sie in den letzten Wochen gespürt, dass sich der Aufwand nicht mehr lohnt, wäre wohl bald Schluss mit der Skikarriere. «Ich bin 26, die Jungen rücken nach – jetzt ist die Zeit gekommen, um zu liefern.» Das tut sie, im Europacup hat sie ein Rennen gewonnen, den Fixplatz für die kommende Weltcupsaison hat sie längst auf sicher.

Die schwierige finanzielle Situation

Am Sonntag bestreitet Christen in Are den zweitletzten Slalom des Winters – wie ihre Cousine Aline Danioth, deren Krankenakte wohl noch mehr Seiten umfasst. Als Kinder verbrachten die beiden viel Zeit zusammen, heute ist das etwas anders. Christen mag nicht näher darauf eingehen, «wir haben uns auseinandergelebt», sagt sie nur.

Christen braucht Punkte, um sich in der Startliste zu verbessern. Und um Argumente zu sammeln, die potenzielle Sponsoren beeindrucken könnten. Letzte Saison zog sich ein langjähriger Partner zurück, von der Sporthilfe erhält sie keinen Zustupf, weil sie nie an Nachwuchstitelkämpfen teilgenommen hat. Der Kanton Uri unterstützt sie im Rahmen der Sportförderung, aber Christen stellt klar: «Es ist alles andere als einfach, allzu viel Geld habe ich definitiv nicht auf der Seite.»

Mit der Skikarriere geht es also weiter, aber nicht nur damit. An der ETH Zürich studiert Christen Agrarwissenschaften, sie kommt gut vorwärts, lernt auch während der Weltcupwochenenden. Ein Job in der Forschung könnte einmal etwas für sie sein, die Arbeit als Bäuerin schliesst sie nicht gänzlich aus. Und zumindest die Arbeit mit den Schafen wird sie keinesfalls aufgeben.