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Schweizer Slalom-Wunder
Sie bat ihre Eltern, das ganze Ski-Material zu verkaufen – jetzt ist Camille Rast Weltmeisterin

Camille Rast und Wendy Holdener aus der Schweiz feiern nach dem zweiten Lauf des Frauen-Slaloms bei den Audi FIS Alpine Ski-Weltmeisterschaften in Saalbach-Hinterglemm, Österreich, 2025.

Dass sie jetzt lächelt, das muss ja so sein nach diesen zwei Wunderläufen. Camille Rast haut sich mit der Faust auf den Oberkörper, reckt sie in den Himmel und lässt sich als Erstes von Wendy Holdener umarmen.

Rast hat sich soeben als Letzte aus dem Starthaus gestossen – und ist als Schnellste unten angekommen. Die 25-Jährige aus Vétroz gewinnt Gold im Slalom, es ist ein riesiger Coup. Sie ist die erste Schweizer Slalomweltmeisterin seit Vreni Schneider, die ebenfalls hier im Salzburgerland vor 34 Jahren triumphiert hat. Und Holdener? Wird Zweite. Es ist der erste Doppelsieg für die Schweiz in dieser Disziplin in der ganzen WM-Geschichte – ob bei Frauen oder Männern. Auch bei Olympischen Spielen hat es das nie gegeben.

Damit hat auch das Schweizer Frauenteam eine schöne Geschichte dieser WM geschrieben, trägt es an diesem Samstag einen grossen Teil zu einer Bilanz bei, die immer heller glänzt. Bei 12 Medaillen steht die Delegation von Swiss-Ski nach zehn von elf Wettkämpfen, viermal Gold hat sie geholt. Am Sonntag steht noch der Slalom der Männer an.

Erst einmal überhaupt seit der WM-Premiere 1931 in Mürren hat die Schweiz so viele Medaillen gewonnen: 1987 an der Wunder-WM daheim in Crans-Montana, wo es gleich 14 Podestplätze zu bejubeln gab. Unter österreichischen Journalisten geht schon der Spruch, die Schweizer Nationalhymne werde in ihrer Heimat allmählich zum Ohrwurm. Am Samstagnachmittag also bekommen sie eine nächste Gelegenheit, sich die Melodie einzuprägen.

Auf dem Podest nimmt Camille Rast noch einen grossen Schluck aus der Sektflasche und umarmt dann Holdener, die zum dritten Mal an einem Grossanlass Silber holt in ihrer Paradedisziplin, hinzu kommt Bronze von Peking. Auf Slalom-Gold wartet die zweifache Kombinationsweltmeisterin noch immer.

Erstmals überhaupt ist Rast Leaderin nach dem ersten Lauf

Rast hat in diesem verrückt erfolgreichen Winter bezüglich Slalomsiege schon aufgeschlossen zur Teamleaderin, hat sie doch in Killington und in Flachau gewonnen. Und nun also ist sie gar Weltmeisterin. Das Lächeln nach getaner Arbeit, das kommt wie von selbstverständlich. Nur: Es hat die 25-Jährige eben den ganzen Tag hindurch begleitet.

Immer, wenn sie zu sehen ist, beim Aufwärmen am Start, nach dem ersten Lauf, selbst kurz vor dem Abstossen im Starthaus: Immer ist ein Schmunzeln zu erkennen in ihrem Gesicht. Es ist ihr Rezept an diesem Tag, sie trägt die Lockerheit in sich, lässt sich selbst davon nicht beirren, dass sie im ersten Durchgang mit Abstand die Schnellste ist und als Letzte der Top 30 starten muss. Eine gleiche Situation hat sie im Weltcup nie erlebt. Sie meistert auch diese Aufgabe.

Sie habe ja schon einen tollen Winter erlebt, sagt Rast, die in der Slalomwertung führt. Die WM? Ist nur eine Zugabe. «Es ist ein Eintagesrennen. Ich gebe alles, und wenn es passt, dann ist es super. Wenn nicht, dann halt nicht.» So lautet ihre Einstellung.

Die Entspanntheit zeigt sich in jedem ihrer Schwünge, die sie so kurz setzt wie keine Konkurrentin. Wie gross die Herausforderung ist, beweisen alleine diese Zahlen: Im ersten Lauf scheiden 68 der 116 Fahrerinnen aus, im zweiten kommen noch sechs hinzu, darunter Mélanie Meillard, deren Aufholjagd mit einem Einfädler jäh gestoppt wird.

Rast und Meillard haben sich seit jüngster Kindheit zu Höchstleistungen getrieben, waren erbitterte Gegnerinnen bei Jugendrennen, kämpften mit sich und ihrer Gesundheit, litten immer wieder an Verletzungen – und nun also sind sie beide in der Weltspitze des Slaloms angekommen. Rast gar ganz oben.

Als der Winter zur Tortur wird

Dabei hätte es auch ganz anders kommen können. Rast ist 17, als sie sich nach der Saison 2016/17 ausgelaugt und erschöpft fühlt, mit Fieber, Bauchschmerzen, Brechreiz und geschwollener Milz kämpft. Diagnostiziert wird das Pfeiffersche Drüsenfieber. Der Winter darauf wird zur Tortur für die junge Walliserin. Sie kämpft sich durch mit dem Ziel Olympia 2018 in Pyeongchang. Manchmal überlegt sie, ob sie absichtlich stürzen soll, um endlich eine Pause zu haben.

Sie tut es nicht, rennt weiter in ihrem Hamsterrad – und muss die Saison noch vor den Spielen in Südkorea abbrechen. Rast ist gereizt, traurig, hat Angst vor Dunkelheit. Sie geht in psychologische Behandlung und bittet ihre Eltern, das ganze Ski-Material zu verkaufen. Diese stellen es nur in den Keller. Darüber ist Rast heute froh.

Sie findet aus der depressiven Phase, in der sie sich ein Jahr lang bewegt, und kehrt im Winter 2018/19 zurück auf die Ski-Bühne. In zweit- und drittklassigen Europacup- und FIS-Rennen fährt sie ohne grosse Ambitionen – ehe ihr im Frühjahr 2019 ein Coup gelingt. Im Fassatal gewinnt die Slalom-Juniorinnenweltmeisterin von 2017 die Silbermedaille im Riesenslalom.

Doch kurz darauf folgt der nächste Rückschlag, im rechten Knie gehen Kreuz- und Innenband kaputt. Rast lässt einen ganzen Winter aus, nimmt sich Zeit, um auch psychisch zu reifen und zu verarbeiten, was war. Es gelingt ihr so gut, dass sie darauf immer wieder glänzt im Weltcup und vermehrt in die Top 10 fährt.

Bislang nie schlechter als Fünfte

Und in diesem Winter also setzt sie zum ganz grossen Sturm auf die Slalomspitze an, ist sie in keinem der sieben Slaloms schlechter als Fünfte, landet dreimal auf dem Podest, zweimal zuoberst. Bis dieser wunderbare Samstag in Saalbach-Hinterglemm kommt und ihr das Glanzstück gelingt. «Camille ist einfach sensationell gefahren», sagt Teamkollegin Wendy Holdener. «Und ich bin sehr glücklich, habe ich im zweiten Lauf eine Lösung gefunden.»

Die Schwyzerin macht noch zwei Plätze gut und holt Silber. «Ich war noch etwas müde, in diesen zwei Wochen hatte ich viele Hochs zu feiern und viel zu verarbeiten – all das kostete Energie. Ich bin glücklich, konnte ich es heute so gut abrufen.»

Holdener war schon am ersten Wettkampftag in Saalbach, gewann mit der Schweiz Silber im Teambewerb. Am vergangenen Dienstag folgte Silber in der Teamkombination zusammen mit Lara Gut-Behrami – und nun also gibt es das nächste Edelmetall für die 31-Jährige. Das alles ist auch deshalb besonders emotional für sie, weil sich am nächsten Samstag der Todestag ihres Bruders Kevin jährt, der sie oft begleitete in der Skiwelt. Im vergangenen Jahr erlag er seinem Krebsleiden. Auch deshalb sind bei Holdener und ihrer Familie an diesem Schweizer Freudentag Tränen auszumachen.

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Der Ticker zum Nachlesen – Camille Rast im Interview

Die Weltmeisterin sagt gegenüber SRF: «Ich habe alles gegeben, alles ist aufgegangen. Ich habe meinen Plan von oben bis unten durchgezogen. Heute war ich den ganzen Tag hindurch locker, ich genoss das schöne Wetter, die gute Piste, die vielen Leute. Ich danke vor allem meinem Umfeld, sie haben mich in der Vergangenheit in schwierigen Zeiten wieder nach oben gebracht.»

Wendy Holdener im Interview

Die Schweizerin sagt nach ihrem Silber-Coup und ihrer insgesamt neunten WM-Medaille: «Ich versuchte zwischen den Läufen ruhig zu bleiben, das schaffte ich irgendwie, deswegen bin ich mega happy. Camille ist heute einfach sensationell gefahren. Es ist schön, konnte ich diese WM heute erfolgreich abschliessen, ich bin jetzt nach diesen zwei Wochen schon etwas müde. Ich hatte viele Hochs hier, die ganzen Feierlichkeiten brauchten auch Energie.»

Eine Premiere

Einen Schweizer Doppelsieg in einem WM-Slalom der Frauen? Richtig, das hat es noch überhaupt nie gegeben.

Die Schweiz dominiert und dominiert

Unfassbar, aber wahr: Die Schweiz hat an dieser WM schon zwölf Medaillen gewonnen. Erfolgreicher waren nur die Titelkämpfe 1987 daheim in Crans-Montana (14). Und morgen steht ja noch der Slalom der Männer auf dem Programm.

Das Podest

1. Camille Rast (SUI)

2. Wendy Holdener (SUI)

3. Katharina Liensberger (AUT)

1. – Camille Rast

Wow, Camille Rast! Noch nie hat sie im Weltcup nach einem ersten Lauf geführt, nun fährt sie zum Weltmeistertitel, als wäre es das einfachste der Welt. Mit einer knappen halben Sekunde Vorsprung siegt sie vor Wendy Holdener, die ihre dritte Silber-Medaille an dieser WM gewinnt. Bronze holt die Österreicherin Katharina Liensberger.

2. – Katharina Liensberger

Die Schweiz hat Gold auf sicher! Liensberger verliert viel Zeit und reiht sich mit 86 Hundertsteln Rückstand auf Holdener auf Platz 2 ein. Holdener hat also Silber schon mal auf sicher, Liensberger zumindest Bronze. Oben steht noch Camille Rast!

3. – Mikaela Shiffrin

Die Amerikanerin kämpft, sie wirkt aber etwas nervös und kann mit Holdener nicht mithalten. Shiffrin fällt gar auf Platz 3 zurück und wirkt im Ziel konsterniert. Das bedeutet: Holdener hat die Medaille auf sicher. Es ist bereits die dritte an diesen Titelkämpfen nach Silber mit dem Team und in der Team-Kombination mit Lara Gut-Behrami.

4. – Wendy Holdener

Der Vorsprung am Start? 75 Hundertstel. Im Ziel? Sind es sogar deren 88. Perfekt ist ihr Lauf nicht, aber es ist dennoch Laufbestzeit und kann eine Medaille geben. Und sicher ist bereits: Die Schweiz gewinnt heute mindestens eine Medaille!

5. – Paula Moltzan

Die Amerikanerin ist in Form, das bewies sie am Donnerstag mit der Bronzemedaille im Riesenslalom. Zudem war sie Vierte mit dem Team und auch Vierte in der Team-Kombination. Zu was reicht es im Slalom? Nun, sie übernimmt jedenfalls einmal die Spitze, wird im schlechtesten Fall Fünfte. Nun kommen die Top 4, die sich im ersten Lauf klar absetzten.

6. – Andreja Slokar

Hut ab vor der Leistung der Slowenin: Kürzlich stürzte sie im Training schwer, war sogar kurzzeitig bewusstlos. Auch in der Entscheidung überzeugt sie und geht mit einer halben Sekunde Vorsprung in Führung. Und ja: Sie fährt Laufbestzeit.

7. – Katharina Truppe

In der Teamkombination holte Truppe gemeinsam mit Stephanie Venier Bronze, die WM wird sie also sowieso in guter Erinnerung behalten. Nun übernimmt sie die Führung, sie jubelt nach der drittbesten Laufzeit. Aber ganz nach vorne wird das kaum reichen.

8. – Lena Dürr

Deutschland steht an dieser WM noch immer ohne Medaille da. Dürr, die zuletzt gesundheitlich angeschlagen war, übernimmt mit 28 Hundertsteln Vorsprung die Spitze. Im Zielhang aber lässt sie relativ viel Zeit liegen.

9. – Zrinka Ljutic

Vor diesem Rennen galt sie als Topfavoritin, der erste Lauf aber ging ziemlich in die Hose. Und in der Entscheidung? Da übernimmt sie mit 38 Hundertsteln Vorsprung die Spitze, aber das war alles andere als der totale Angriff in Richtung Spitze.

10. – Mélanie Meillard

Auch Platz 5 oder 6 hätte für die Schweizerin am Vormittag resultieren können, aber da war halt dieser eine schwere Fehler kurz vor dem Ziel. Bei den Zwischenzeiten liegt sie fast eine Sekunde voraus, doch dann fädelt sie ein.

11. – Marta Rossetti

Mit Nummer 32 fuhr die Italienerin im ersten Lauf auf Platz 11. Die Italienerin hat einen äusserst schnellen Schwung, ist aber auch äusserst instabil. Sie ist sehr gut unterwegs, aber wie so oft streut sich ein kapitaler Fehler ein. Statt der klaren Führung resultiert nur Platz 6.

12. – Sara Hector

Im ersten Lauf blieb Hector weit, ja sehr weit hinter ihren Erwartungen zurück. Schon der Riesenslalom war mit Platz 6 eine grosse Enttäuschung gewesen. Nun versucht Hector zu korrigieren, was zu korrigieren ist. Sie ist schnell unterwegs, riskiert alles, scheidet aber kurz vor dem Ziel aus.

13. – Katharina Huber

Die Österreicherin war nach dem ersten Lauf sehr unzufrieden, sie hat sich vor Heimpublikum mehr erhofft. Besser läuft es in der Entscheidung nicht, im Gegenteil. Huber wird nur Fünfte.

14. – Marie Lamure

Lamure gegen Chevrier, Frankreich gegen Frankreich also. Lamure kann ihre Landsfrau nicht von der Spitze verdrängen, sie muss sich mit Zwischenrang 3 begnügen.

15. – Mina Fürst Holtmann

Die 29-jährige Norwegerin, die 2022 in Peking Olympia-Bronze mit dem Team holte, scheidet aus.