Australien und Thailand öffnen GrenzenSkepsis in Bangkok, Tränen am Flughafen Sydney
In Teilen Australiens sind 80 Prozent der Bevölkerung geimpft, die Regierung öffnet deshalb die Grenze – allerdings nicht für Touristen. Ganz anders in Thailand.
20 Monate lang war die Grenze Australiens geschlossen – jetzt ist sie wieder offen. Am Flughafen von Sydney gab es in den frühen Morgenstunden emotionale Szenen. Manche haben ihre ankommenden Familienmitglieder unter Tränen in die Arme genommen.
Viele hätten ihre Angehörigen fast zwei Jahre lang nicht gesehen, berichten australische Medien. «Nach Hause kommen zu können, ohne in Quarantäne zu müssen, ist riesig», sagte Carly Boyd Reportern des Senders ABC. Laut der Passagierin, die von New York nach Sydney reiste, sind die Umstände allerdings für viele nicht nur erfreulich. «Es gibt viele Leute auf diesem Flug, die geliebte Menschen haben, die im Sterben liegen oder kürzlich gestorben sind.»
David Frisken aus Sydney wartete mit roten Rosen am Ankunftsterminal auf seine Verlobte, die aus Südkorea angereist war. Das Paar hatte sich seit fast zwei Jahren nicht mehr gesehen. Jeder Tag sei ein Kampf gewesen, sagte der Mann aus Sydney zu ABC. «Es ist so schrecklich, wie viele Menschen das durchmachen müssen», sagte Frisken. Viele Beziehungen seien zerstört worden, glaubt er.
Am Montag wurden 14 internationale Flüge in Sydney erwartet. Bereits gelandet sind Maschinen aus Los Angeles, Singapur und Tokio. Bei der australischen Fluggesellschaft Qantas, die den Grossteil ihrer Flotte über 18 Monate lang am Boden stehen hatte, freute man sich über die Wiederaufnahme der internationalen Flüge. «Es ist wundervoll, zu sehen, dass Australier mit ihren Lieben sich nun wieder treffen können nach einer so langen Zeit», sagte Qantas-Chef Alan Joyce.
Impfquote in Bundesstaaten sehr unterschiedlich
Nicht nur für die Einreise ist die Grenze wieder offen, sondern auch für die Ausreise. Vollständig geimpfte Einwohner und Staatsbürger dürfen Australien auch verlassen können, ohne die Regierung um eine Ausnahme von einem Reiseverbot zu bitten, das seit dem 25. März 2020 in Kraft war.
Sydney war der erste australische Flughafen, der seine Wiedereröffnung am Montag ankündigte, da New South Wales der erste Staat war, in dem 80 Prozent der Bevölkerung ab 16 Jahren vollständig geimpft wurden. Melbourne und die Landeshauptstadt Canberra wurden am Montag ebenfalls geöffnet, nachdem der Bundesstaat Victoria und das Australian Capital Territory den Richtwert erreicht hatten. Andere Bundesstaaten mit vergleichsweise niedrigeren Impfquoten bleiben bei den strikten Quarantäneregeln.
So gestaltet sich für viele die Weiterreise im Inland als schwierig. Einer von ihnen ist Ethen Carter, der von Los Angeles nach Sydney flog. Carter bangt um seine Mutter, die im Bundesstaat Western Australia
im Spital liegt. «Ich habe wirklich Angst und bin emotional, weil die Ärzte sagen, dass meine Mutter nicht mehr lange Zeit hat», sagte er Reportern.
«Ein grosser Tag für Australien»
Australiens Regierungschef Scott Morrison sprach von einem «grossen Tag für Australien». «Wir sind startklar!», schrieb er auf Facebook. Für über eine Million ausländische Bewohner Australiens ist es jedoch weiterhin nicht möglich, ihre Freunde und Verwandten in anderen Ländern zu sehen. Denn die Öffnung gilt überwiegend nur für Australier.
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In den vergangenen knapp 20 Monaten durften auch Staatsbürger nur mit Erlaubnis ins Ausland reisen. Familien waren getrennt, Zehntausende Australier strandeten im Ausland. Nur wenige erhielten eine Einreiseerlaubnis und mussten dann Tausende Dollar bezahlen und 14 Tage in Hotelquarantäne. Die Grenzregelung galt als eine der härtesten der Welt, die wegen der Corona-Pandemie eingeführt wurde.
Australien kündigte inzwischen an, dass geimpfte Touristen aus Singapur ab dem 21. November wieder einreisen können. Singapur hat eine der höchsten Impfqouten der Welt. Für Touristen aus anderen Ländern bleiben die Grenzen allerdings weiterhin geschlossen.
61 Flüge in Bangkok erwartet
Anders sieht das in Thailand aus. Die gerade im Winter bei Europäern beliebte Feriendestination wagt den touristischen Neustart und ist ab sofort wieder offen für vollständig geimpfte Touristen aus 63 Ländern. Auf der Liste, die am Wochenende in letzter Minute noch einmal von ursprünglich 46 Staaten um 17 weitere aufgestockt wurde, steht auch die Schweiz.
«Ich bin zuversichtlich, dass die Wiedereröffnung dem Land grossen Nutzen bringen wird, insbesondere in der Tourismushochsaison, die normalerweise bis Anfang nächsten Jahres dauert», sagte der Gouverneur des Tourismusverbandes TAT, Yuthasak Supasorn. Die Behörde erwartet in den nächsten sechs Monaten mehr als eine Million Touristen aus aller Welt. Zum Vergleich: Im Gesamtjahr 2019 kamen noch 40 Millionen ausländische Gäste.
Auf dem Suvarnabhumi-Airport der Hauptstadt Bangkok wurden am Montag 61 Flüge erwartet. In Bangkok sollen nun auch die wichtigsten Sehenswürdigkeiten wieder öffnen, darunter der seit Monaten geschlossene Grosse Palast. Die nächtlichen Ausgangsbeschränkungen fallen zumindest in Bangkok weg, Restaurants dürfen wieder Alkohol ausschenken. Das Nachtleben liegt allerdings noch weitgehend still. Zudem herrscht überall Maskenpflicht.
Das Land braucht dringend die Einnahmen aus der Tourismusindustrie, die seit Beginn der Pandemie fast komplett am Boden lag. Nur die Inseln Phuket und Ko Samui hatten schon im Juli mithilfe spezieller Programme wieder quarantänefreie Ferien ermöglicht. Jedoch hielt sich der Andrang wegen strikter Auflagen in Grenzen. «Es gibt jetzt noch die einmalige Chance, viele berühmte Orte und historische Stätten in Thailand fast ganz für sich zu haben. Das sollte man nutzen», erklärte eine Amerikanerin, die seit 30 Jahren in Bangkok lebt.
«Dem europäischen Winter entfliehen»
Der Brite Keith Bowers startet in zehn Tagen in die langersehnten Thailand-Ferien. Der Rentner reist zunächst nach Bangkok und will dann an die Strände von Hua Hin und Ko Chang. «Es ist wirklich aufregend, wieder die Chance zu haben, in ein wunderschönes Land wie Thailand zu reisen», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. «Wir alle müssen die neuen internationalen Regeln respektieren. Aber jetzt wieder eine gewisse Freiheit geniessen und dem europäischen Winter entfliehen zu können, ist ein grossartiges Gefühl.»
Regeln gibt es einige, jedoch haben die Behörden versucht, diese zu entschärfen. So hat ein «Thailand Pass», für den sich Gäste online registrieren müssen, das komplizierte Verfahren des «Certificate of Entry» abgelöst. Wer kommen will, muss sich 21 Tage lang in einem oder mehreren der 63 als sicher eingestuften Länder aufgehalten haben. Zudem ist ein maximal 72 Stunden alter PCR-Test erforderlich.
Nach der Ankunft muss dann noch ein PCR-Test gemacht werden. Anschliessend müssen die Gäste in einem Hotel aufs Ergebnis warten. Fällt es negativ aus, können sie sich vom zweiten Tag an frei bewegen. Ungeimpfte müssen zehn Tage in Hotelquarantäne.
«Gemischte Gefühle»
Manche haben aber Angst vor den Folgen der Öffnung: Die Zeitung «Bangkok Post» sprach von «gemischten Gefühlen» bei den 70 Millionen Thais. Bei einer Umfrage des Gesundheitsministeriums sagten rund 92 Prozent der Befragten, sie befürchteten eine neue Corona-Welle. Nach Schätzungen sind erst 42 Prozent der Bevölkerung voll gegen das Virus geimpft, viele mit chinesischen Impfstoffen.
«Ich glaube nicht, dass wir schon für den Neustart bereit sind, denn viele Leute sind noch nicht geimpft», sagte eine 31-Jährige, die in Bangkok in einem Restaurant arbeitet und anonym bleiben wollte. «Das könnte für unser Land wirklich schlecht sein, mit mehr Fällen, mehr Lockdowns und mehr Beschränkungen.» Am Tag der Öffnung meldeten die Behörden 8165 Neuinfektionen und 55 Tote in Verbindung mit Covid-19.
oli / mit Material der SDA
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