TV-Kritik «Tatort»Sie sind jung, ohne Hoffnung und haben – fast – kein Herz
Der neue «Tatort» aus Freiburg zeichnet die Gen Z als Corona-geschädigte Generation, die vor der Klimakatastrophe noch einmal richtig leben will.

Kleine Umfrage unter der Jungmannschaft bei mir daheim: Wie verbreitet ist unter Jugendlichen eigentlich der Traum, Influencer zu werden? Und wie viele haben schon mit Kryptowährungen gezockt? – Es zeigt sich: Beides ist durchaus nicht selten. Genau solche Sehnsüchte hat nun Drehbuchautorin Astrid Ströher ihren Gen-Z-Repräsentanten in «Das geheime Leben unserer Kinder» in die verstörten Seelen hineingeschrieben. Dass die zugehörigen Erwachsenen mit ihren eigenen geheimen Leben in diesem Freiburg-«Tatort» keinen Plan davon haben, welche Pläne ihre Kinder wälzen – und dass diese Kluft das Hauptmotiv des Krimis ist –, passt.
Ströher pusht das Motiv ins Grundsätzliche: «Was wissen wir denn schon wirklich von unseren Kindern? Oder auch voneinander?», fragt Bennos Mutter (fühlbar ausgelaugt: Susanne Bormann) die Mutter des ermordeten Chris. Chris’ Mutter kontert: «Aber die entscheidenden Dinge müssten wir doch wissen. Sonst bleiben wir am Ende des Tages einsam oder verlieren einander.» Die jungen Männer waren beste Freunde gewesen, aber keine der Mütter ahnte, was in den beiden vorging. Chris hatte seine Lehrstelle längst gekündigt, weil er darin «keine Zukunft» sah, vertickte Drogen, traf heimlich einen Liebhaber. Und besuchte Benno überhaupt noch seine Abiturklasse?
Um die essenzielle Fremdheit und Unverbundenheit einzufangen, setzt Regisseur Kai Wessel regelmässig den Splitscreen ein. Auf der einen Seite des Bildschirms macht beispielsweise die Kommissarin Tobler (Eva Löbau) bei ihrer Nichte – die sich nach einem Streit mit den Eltern bei ihr einquartiert hat – einen Kontrollanruf; auf der anderen Seite sieht man, wie besagte Nichte sie gerade verarscht.

Die Zuschauenden wissen ständig mehr als Tobler und Kollege Berg (Hans-Jochen Wagner) und auch als die Erziehungsberechtigten. Selbst wenn anfangs nicht klar ist, was Benno und seine Freundin Zoé da so hektisch am Handy daddeln. Auch dass die Stiefgeschwister Benno und Zoé ein Paar sind, eine Art Bonnie-und-Clyde-Liebe versuchen, realisieren die diversen Elternteile der Patchworkfamilie im Gegensatz zum Publikum lange nicht.
Eine verzweifelte, naive Generation
«Das geheime Leben unserer Kinder» schockt mit der brutalen Kälte dieser Jugendlichen: Die Erwachsenen, oft ihrerseits verlogen, stehen ihr hilflos gegenüber. Nach persönlichen Traumata und der Corona-Zeit hat die No-Future-Stimmung in Sachen Klima den jungen Leuten den Rest gegeben. Jede Bindung ausser jene zueinander haben sie aus sich herausgeschnitten. «Benno, Chris und ich, wir wollten einen Shot machen auf ein schöneres Leben, zumindest für ein paar Jahre», erklärt Zoé am Schluss.
Der Film zeichnet das (klischierte) Porträt einer verzweifelten, aber arg selbstverliebten und zudem überraschend naiven Jugend: ein ziemlich einseitiges, aber hier dennoch in sich überzeugend gestaltetes Bild der Gen Z. Die Drogen- und Entführungsgeschichte, die dazugemixt wurde, verblasst da fast zu Beiwerk, trotz hochdramatisch inszeniertem Showdown. Annehmbar mit Abstrichen.
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