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Meinung

Polemik gegen Gastronomie-Trend
Essen teilen? Nein, danke!

Happy people sharing their healthy lunch
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«Sharing is caring», heisst es ja so schön. Die Tugend, mit unseren Mitmenschen zu teilen, wird einem von Kind auf eingetrichtert und ist in unserer modernen Gesellschaft zu einem Trend geworden: Autos, E-Trottis, Velos, ja sogar Wohnungen werden mit anderen Personen geteilt. Aber irgendwo muss man eine Grenze ziehen – und zwar spätestens beim eigenen Teller. Den will ich nämlich nur für mich.

Leider wird mir das wegen des Gastronomie-Trends zu sogenannten Sharing Dishes in letzter Zeit schwer gemacht. Das sind mehrere Gänge, die in kleinen Tellern serviert und dann von den Gästen herumgereicht und geteilt werden – inspiriert von spanischen Tapas oder libanesischer Mezze. Klar, ich verstehe die Idee dahinter: Man kann sich so nicht nur durch verschiedene Speisen durchprobieren, sondern das Teilen selbst wird zum Erlebnis und soll Nähe schaffen. Doch die Realität der Sharing Dishes sieht leider ganz anders aus. Es ist unentspannt, kompliziert und führt unweigerlich zu Futterneid.

«Seid ihr schon mit unserem Konzept vertraut?», fragt der Kellner eines hippen Fusion-Restaurants, als er meinen zwei Freundinnen und mir die Karte reicht. Er empfiehlt uns, drei Teller pro Person zu bestellen, die wir dann in die Mitte stellen und teilen können. Wir haben riesigen Hunger und folgen seinem Rat – auch wenn die Gerichte auf der minimalistisch kleinen Karte durchschnittlich 20 Franken kosten und mich das Gefühl beschleicht, dass das Sharing-Konzept einfach mehr Geld einbringen soll.

Auch die gemeinsame Auswahl der Gerichte gestaltet sich kompliziert, weil jede andere Allergien, Unverträglichkeiten und Vorlieben hat. Doch auch diese Hürde überstehen wir, und schon bald kommen die ersten fünf Teller. Oder besser gesagt: Tellerchen.

Jemand kommt immer zu kurz

Beim Anblick der schön angerichteten, aber winzig kleinen Portionen müssen wir erst einmal leer schlucken. Und dann beginnt auch schon das Unvermeidbare: Anstatt sich einen guten Appetit zu wünschen und loszulegen, fragt eine Freundin ratlos: «Wie stellen wir das jetzt an?»

Wir entschliessen uns, den frittierten Pilz in drei gleichmässige Stücke zu schneiden, auch wenn das Resultat eher unappetitlich aussieht. Vom gebackenen Blumenkohl schneide ich mir nur ein Röschen ab – man will ja nicht gierig wirken. Dann schiele ich auf die Ravioli und zähle in meinem Kopf, wie viele es pro Person gibt, damit niemand einen Vorteil hat.

Als dann die restlichen vier Gänge kommen, wird es noch lächerlicher. Vom saftigen Ribeye-Steak, auf das wir uns am meisten gefreut hatten, werden uns nur zwei daumengrosse Stücke serviert. Es kommt, wie es kommen musste: Jemand zeigt sich grosszügig und verzichtet auf den eigenen Anteil. Und die anderen fühlen sich schlecht und können das Essen gar nicht wirklich geniessen.

Was ist nur aus der schönen Gepflogenheit geworden, dass jeder aus seinem eigenen Teller isst? Ich meine das nicht aus Egoismus – ich kann problemlos Essen teilen. Aber Sinn macht es für mich nur, wenn die Gerichte zum Teilen gedacht sind und das gemeinsame Mahl deswegen harmonisch und unkompliziert abläuft. Etwa beim Fondue, Raclette oder beim Korean Barbecue, wo grosszügig aufgetischt wird und alle beherzt zulangen können.

Die Gespräche drehen sich nur noch ums Essen

Wenn ich aber eine glasierte Karotte dritteln und aus Anstand einen Klecks Hummus übrig lassen muss – dann vergeht mir der Appetit. Im Restaurant will ich doch keine Territorialkämpfe auf dem Esstisch austragen müssen.

Zwar vermitteln Sharing-Konzepte das Bild eines gemütlichen Miteinanders, doch in Wahrheit ist es eine derart erzwungene Interaktion, dass sich die Gespräche meist nur noch um das Essen drehen. «Willst du noch etwas davon?» «Hattest du genug?» «Du kannst es wirklich haben, ich mag Fetakäse echt nicht so gerne.»

Als wir zu dritt aus dem Restaurant laufen, sind wir allesamt hungrig und machen aus, nächstes Mal doch lieber Pizzen essen zu gehen. Und zwar jede ihre eigene.